Dieser Psalm scheint in einer engen Verbindung mit dem vorherigen Psalm zu stehen. Psalm 79,13 bildet demnach die Grundlage für Psalm 80,1. Wir sehen, wie das Herz des Überrests in Freiheit und Vertrauen vorwärtsgeht. Es geht hier nicht um das Bekennen von Sünde, sondern um den Ruf nach Befreiung sowie eine tiefere Einsicht in die Ratschlüsse Gottes. Das Flehen richtet sich an den Menschen zur Rechten Gottes, den Sohn des Menschen, der die Pläne Gottes zur Ausführung bringt. Welch ein Gedanke ist das, wenn wir uns ins Gedächtnis rufen, dass es einen Menschen, ja einen wahren Menschen gibt, der sich jetzt verherrlicht in den höchsten Himmeln aufhält. Und durch die Auferstehung und Himmelfahrt wissen wir, dass es Jesus ist (vgl. Mt 28,18; Psalm 110,1; Dan 7,13; 1. Petrus 3,22).

Vers 2 bezieht sich auf 4. Mose 10, wo wir in Verbindung mit der Wüstenwanderung des Lagers lernen, dass die Lade unmittelbar vor dem Banner von Ephraim, Benjamin und Manasse getragen wurde. Bevor sich die Lade in Bewegung setzte, erging, wie wir es hier haben, ein Ruf zum Herrn.

Vers 18 erinnert uns in sehr eindrücklicher Weise an Matthäus 26,64.

Das Herz des Propheten schwingt mit, wenn er für Israel fleht und sich gleichzeitig an Israels herrliche Vergangenheit erinnert, ganz ähnlich, wie wir es später bei dem Apostel in Röm 9,1–5 finden können. Und das ist etwas sehr Schönes. Gerade in dem Ruin kommt damit die Größe des Gebäudes zum Ausdruck und weckt umso tiefere Empfindungen.

Wenn wir uns den Refrain dieses Psalms ansehen (vergleiche die Verse 4, 8 und 20) entdecken wir, dass die Person des Herrn durch die Schrift eine ganz besondere Offenbarung erfährt. Betrachten wir ihn von verschiedenen Blickwinkeln, sehen wir ihn nicht nur als den Bittenden, sondern auch als den, der eine Antwort auf die Gebete hat. Er empfängt den Geist und ist gleichzeitig der, der ihn ausgießt (Sach 12,10; Apg 2,33). Er ist der Fels (Mt 16,18) und schaut doch zu Gott als seinem Fels auf (Ps 62). Er ist ein Bestandteil der Herde (Ps 23), aber auch der Hirte derselben (Joh 10). Er sitzt auf dem Thron und nimmt Lobpreis entgegen, gleichzeitig ist er aber auch derjenige, der das Lob des Volkes anstimmt (Ps 116; Off 5). Er ist ein Priester und doch lesen wir in Offenbarung 20,6 von „Priestern des Christus“. Einerseits ist er ein Jude, der die göttliche Gunst für seine Nation begehrt und darauf wartet, dass sich das Gesicht des HERRN wieder seinem Volk zuwendet (Jes 8,17), auf der anderen Seite ist er der HERR selbst, der Gott Israels, der sein Gesicht von seinem Volk wegwendet (Mt 23,39). Es ist die bemerkenswerte Offenbarung seiner göttlichen und menschlichen Stellung, einmal gesehen als das erwartungsvolle Haupt Israels, andererseits betrachtet als dem Gott Israels. Wenn wir das große Geheimnis, dass sich Gott im Fleisch offenbart hat, erfassen und die herrlichen Ergebnisse, die damit in Verbindung stehen, können wir das, was wir vor uns hatten, verstehen.

[Eingesandt von Stephan Keune]