Bibelverse sollten möglichst im Zusammenhang des Textes untersucht werden. Trotzdem stolpert man immer wieder über auf den ersten Blick überraschende „Gegensätze“ zwischen einzelnen Bibelstellen. Diese Kontraste fordern zum Nachdenken auf – und dazu soll diese kleine Reihe beitragen.

Richtet nicht

Der Herr Jesus fordert seine Jünger in der Bergpredigt auf: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werden“ (Mt 7,1). Wie schnell sehen wir den Splitter, den kleinen Fehler, im Auge unseres Bruders und vergessen unseren eigenen Balken – das ist Heuchelei (Verse 3–5)! Und wie genau ist uns die Faktenlage beim Mitbruder bekannt? Kennen wir seine vielleicht guten Motive, können und dürfen wir überhaupt die Beweggründe anderer beurteilen (vgl. 1. Kor 4,4.5)? Die Geschwister in Rom standen auch in Gefahr, ihre „freieren“ Mitgeschwister zu richten (Röm 14,4.10). Der Herr wird uns für ungerechtfertigtes, voreiliges oder überhebliches Richten zur Rechenschaft ziehen. Das sollte uns Warnung genug sein!

Richtet

Unmittelbar nach der Warnung vor dem Richtgeist in Matthäus 7 gibt der Herr Jesus Belehrungen, die eine Urteilsbildung erfordern, um zum Beispiel „Hunde“ und „Schweine“ zu erkennen (Vers 6). Das zeigt direkt, dass das Richten, das Be- oder Verurteilen bestimmter Personen und/oder Verhältnisse durchaus nötig und biblisch ist. Dazu gehört sicher besonders das Selbstgericht (1. Kor 11,29.31). Dann sollen wir auch die Geister prüfen, ob sie aus Gott sind (1. Joh 4,1). Und wenn es um Personen in der Versammlung (Gemeinde, Kirche) Gottes geht, die in Sünde leben, so wird konkret gesagt: „Richtet ihr nicht die, die drinnen sind?“ (1. Kor 5,11). Eine solche Person kann nicht einfach unbehelligt in der Gemeinschaft der Christen bleiben, sondern muss aus dieser Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Während also der Text in Matthäus 7 vor einem unbegründeten und stolzen Richten warnt, unterweisen uns andere Bibelstellen über die Notwendigkeit, sich ein Urteil zu bilden und diesem Urteil auch entsprechende Konsequenzen folgen zu lassen. Dazu sollten wir uns immer um einen Geist der Sanftmut (Gal 6,1) bemühen und uns vor vorschnellem Richten (1. Kor 4,5) bewahren lassen!