Im Gegensatz zu der Schwachheit des Menschen, wie sie im 90. Psalm beschrieben wird, haben wir hier die Rechte und Vorzüge des vollkommenen Menschen vor uns, der mit keiner Schwachheit behaftet war (V. 1,2). Auf allen anderen lag das Todesurteil aufgrund der Sünde, die von unserem Herrn nicht gekannt wurde. Seine Natur war vollkommen rein und zu jeder Zeit lag das Wohlgefallen Gottes auf ihm. Ihm gebührte das höchste Maß an Segnung und Geborgenheit. Wir finden eine Proklamierung seiner Rechte in den Versen 3 bis 13.

Dieser Psalm wäre deswegen eine Art Zufluchtsort für Christus gewesen, wenn er danach verlangt hätte, auf ihn zurückzugreifen. Doch es war seine Absicht, gewissermaßen diesen Ort nicht aufzusuchen und, obwohl ohne Sünde, für uns zur Sünde gemacht zu werden. Er entäußerte sich dieser menschlichen Vorrechte, wie er es bereits mit seiner göttlichen Herrlichkeit getan hatte. Eine Betrachtung dieser beiden Seiten finden wir in Philipper 2.

Wie gegensätzlich war doch das ganze Leben Jesu zu dem Leben Adams! Adam war nichts, suchte aber Gott gleich zu sein. Jesus war alles und wusste, dass er Gott gleich war – dennoch machte er sich selbst zu nichts und entäußerte sich. Die Stellung, die er annahm, war die eines Sklaven. Die Stellung, die er auf dieser Erde hatte, war die des Sohnes eines Zimmermanns. Sein Leben, Wandel und Zeugnis bildeten einen krassen Gegensatz zu dem, dessen stolze Abkehr von Gott schließlich zu dem gegenwärtigen bösen Zeitlauf führen sollte (Gal 1,4). Er verbarg und entäußerte sich stets. Er hätte Legionen von Engeln bestellen können (siehe die Bestätigung in Vers 11, vgl. auch Mt 26,53), aber er blieb der schweigende Gefangene seiner niederträchtigen Verfolger. Wenn sich die Menschen über seine Belehrungen wunderten, sagte er: „Meine Lehre ist nicht mein, sondern dessen, der mich gesandt hat“ (Joh 7,16). Wirkte er Wunder lautete seine Antwort: „Der Sohn kann nichts von sich selbst tun“ (Joh 5,19).  

Wie anbetungswürdig und voll lieblichen Geruchs vor Gott war dieses Leben unseres Herrn und wir können in den Versen 14 bis 16 etwas von diesem göttlichen Wohlgefallen sehen. Welch eine Ruhe und Tröstung für das Herz, und welch eine Befriedigung für das Gewissen ist es, zu sehen, wie Gott in dieser Weise in der Welt, in der wir leben, geehrt und erfrischt worden ist. Wie köstlich ist doch der Duft, den der Tod bzw. das Blut von Jesus durch sein Leben erhält! Sein Blut ist das einzige Mittel, das der Sünder hat. Doch Gottes Wohlgefallen an ihm unterstützt den Anspruch dieses Blutes an das Gewissen des Sünders. Wie ehrt es Christus, wenn wir uns den Kontrast zwischen Psalm 91 und Psalm 90 ansehen, wo der „Mann Gottes“ menschliche Schwachheit bekennt, die auf die menschliche Ungerechtigkeit zurückgeht, wobei er ebenfalls zugibt, dass der einzige Ausweg in einer neuen Schöpfung liegt, von der Gott selbst die Grundlage und der Bildner sein wird, bzw. der Eckstein oder das „Haupt der Ecke“ ist.

In Psalm 91 richtet sich ein göttlicher Ausspruch an den Messias und sagt ihm, dass Gott selbst seine Sicherheit gegen alle Schwachheiten, Unfälle, Bedenken, Gefahren oder Schadenfälle jeglicher Art sein wird, aufgrund seines vollkommenen Glaubens und seiner moralischen Herrlichkeiten. Und wir sehen, wie diese Dinge durch Gott selbst bestätigt werden und die Vollkommenheit der Liebe des Messias anerkennt, so wie die Aussprüche die Vollkommenheit seines Glaubens und seiner Moral erkannten.  

Obwohl es nicht ausdrücklich erwähnt wird, können wir darüber hinaus sehen, dass der Messias an seinem Tag die durch ihn begründeten und von Gott bestätigten Rechte und Zusagen als Sohn des Menschen aufgab, indem sie in dem wunderbaren Geheimnis aufgenommen wurden, in welchem er willig zur Sünde für Sünder gemacht wurde und der Rechtfertiger sowie Darsteller der Herrlichkeiten Gottes wurde (Mt 26,53–54).

So soll der Mensch in seiner Schwachheit nur zu Gott aufschauen, um Hilfe zu empfangen. Der Messias besitzt Vollkommenheiten, keine Schwachheiten, und übergibt alle Rechte, die sich darauf gründen, an Gott.

[Eingesandt von Stephan Keune]