Ach ihr Christen, sollen Herodes und Pilatus euch beschämen? Sie schlossen Frieden, um sich die Hände gegen Christus zu stärken, und ihr könnt euch nicht gegen euren gemeinsamen Feind vereinen? … Streit beendet das Wachstum in der Gnade. Der Körper gedeiht unter Fieber genauso schlecht, wie die Seele unter der Flamme von Streit und Hader. Beachte die Stelle: „Die Wahrheit festhaltend in Liebe, lasst uns in allem heranwachsen zu ihm hin“ (Eph 4,15). Der Apostel zeigt, wie Seelen wachsen und gedeihen können, und das Rezept, das er gibt, besteht aus zwei seltenen Medikamenten: Wahrheit und Liebe. Nimm sie ein und alles wird gut. Ohne Liebe kann gepredigt, aber nicht auferbaut werden. Auch die Verbindung zum Himmel wird abgeschnitten. Das Gebet nimmt ab, sobald der Zank mit Brüdern zunimmt. Es ist unmöglich, freimütig aus dem Zank ins Gebet zu gehen. Und wenn du doch so kühn bist, an der Himmelstür anzuklopfen, wirst du einen kalten Empfang haben: „Lass daselbst deine Gabe vor dem Altar und geh zuvor hin, versöhne dich mit deinem Bruder; und dann komm und bringe deine Gabe dar“ (Mt 5,24). Aber wenn wir unsere Verbindung zum Himmel abschneiden, dann auch die Verbindung untereinander …

Die Versammlung wächst unter Verfolgung. Verfolgung verbreitet die Saat über das ganze Feld und bringt das Evangelium an Orte, an die es sonst niemals gekommen wäre. Doch Spaltungen und Streit waschen die Saat aus dem Land aus wie ein wilder Sturm. Streit ruiniert nicht nur die Gnade, sondern begünstigt die Sünde. „Wenn ihr aber bitteren Neid und Streitsucht in eurem Herzen habt, so rühmt euch nicht … denn wo Neid und Streitsucht ist, da ist Zerrüttung und jede schlechte Tat“ (Jak 2,14–16). Streit ist die Schmiede des Teufels, in der er den Christen nur ein, zwei Mal erhitzen muss, um ihn für die Hammerschläge der Versuchung weich zu machen. Selbst Mose redete unbedacht mit seinen Lippen, als sein Geist etwas erhitzt war.  

Wir neigen dazu Ereiferung mit Eifer zu verwechseln. Doch Streit ist meistens ein Brander Satans, den er schickt, um die Einigkeit und Ordnung der Gläubigen zu zerstören, denn diese Einigkeit macht sie zu einer uneinnehmbaren Armada, und Satan weiß, dass Streit die einzige Möglichkeit ist, sie zu zerstreuen [Fußnote 1].

[Aus „Extracts from the Writings of William Gurnall, selected from Hamilton Smith“. Übersetzung von: Marco Leßmann]


[Fußnote 1] Die Armada, eine spanische Flotte aus Segelschiffen, wurde 1588 im Hafen von Calais durch Brander, d.h. in Brand gesetzte Schiffe, auseinandergetrieben und dadurch leichter angreifbar für die englischen Kriegsschiffe.