Man kann vieles mit wenigen Worten ausdrücken. Der Apostel sagt: „Ich will lieber fünf Worte reden mit meinem Verstand, … als zehntausend Worte in einer Sprache“ (1. Kor 14,19). Es ist dementsprechend beachtenswert, wie viele der prägnantesten Sätze in der Bibel aus nur fünf Worten bestehen.

Nimm zum Beispiel diese Worte: „Wir haben Frieden mit Gott” (Röm 5,1), und denke dich hinein, als wenn du in einen klaren See blicken würdest, dessen stille Wasser tief sind. Kannst du den Grund sehen? Nein! In diesen Worten sind Tiefen enthalten, die selbst der an Erfahrungen reichste Gläubige nicht ausgelotet hat, obwohl „Frieden mit Gott” nicht etwas ist, was wir erst am Ende unserer christlichen Laufbahn erreichen, sondern etwas, was wir am Anfang empfangen. Es ist das kostbare Geburtsrecht jedes Kindes Gottes.

Doch obwohl das so ist, ist es nicht übertrieben, zu behaupten, dass es tausende Gläubige gibt, die nicht, was ihre persönliche Erfahrung angeht, sagen können: „Wir haben Frieden mit Gott“. Dass Jesus „Frieden gemacht hat durch das Blut seines Kreuzes“ (Kol 1,20), bezweifeln sie nicht, aber zu sagen: „Ich habe Frieden“, ist eine andere Sache. Die Realität erinnert sie daran, dass sie sagen müssen: „Ich habe viel Angst und Zweifel in meinem Herzen.“

Lasst uns klar erkennen, dass das ein ganz unnormaler Zustand ist. Aufrichtige Seelen denken vielleicht, es gezieme sich, bis ans Lebensende in „demütiger“ Ungewissheit in Bezug auf ihre Beziehung zu Gott zu bleiben, und sie betrachten Ängste und Zweifel als ein besonderes Zeichen der Gnade, doch die Schrift leistet einer solchen Vorstellung keine Unterstützung. Sie lehrt das genaue Gegenteil. Den „Kindern“ zum Beispiel, den Babys in der großen Familie der Erlösten Kinder Gottes, sagt Johannes: „Ich schreibe euch, Kinder, weil euch die Sünden vergeben sind um seines Namens willen“ (1. Joh 2,12), und ein wenig später: „Dies habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr ewiges Leben habt, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes“ (1. Joh 5,13).

Woher kommt diese Ungewissheit, die so viele Herzen verdunkelt und den kühnen und glücklichen Ausruf: „Ich habe Frieden mit Gott“, verhindert?

Vordergründig betrachtet mag der Grund von Fall zu Fall unterschiedlich sein, aber die wahre Wurzel liegt darin, dass die Seele die Bedeutung und Tragweite der Auferstehung Christi nicht erfasst hat.

In Römer 5,1 werden drei Worte oft übersehen: „Da wir nun …” Diese Worte nehmen Bezug auf das was diesem Vers unmittelbar vorhergeht.

Wir müssen den Vers also im Zusammenhang lesen: „Jesus, unser Herr, … der unserer Übertretungen wegen dahingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist. Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott.“

Zwei wichtige Tatsachen macht dieser Test klar.

Erstens: Unser Frieden mit Gott gründet sich darauf, dass wir gerechtfertigt worden sind aus Glauben. Und weil „gerechtfertigt“ bedeutet, „gerecht gemacht“ zu sein, also gerecht vor Gott zu stehen, dürfen wir sagen, dass gerecht vor Gott zu stehen die einzige Basis für Frieden mit Gott ist. Frieden auf irgendeiner anderen Grundlage kann nur eine Täuschung und eine Schlinge sein.

Zweitens: Unsere Rechtfertigung aus Glauben gründet sich auf den Tod und die Auferstehung Christi. Wir sind durch das Werk eines Anderen gerecht gemacht, und dieses Werk liegt völlig außerhalb von uns selbst – jedoch gerechtfertigt aus Glauben.

Die Puritaner sprachen gewöhnlich von dem Glauben als einem Ruhen oder Lehnen; die Seele ruht in einem Gegenstand außerhalb von ihr. Wie einfach ist das! Und wie deutlich offenbart es die Torheit der oft vorgebrachten Aussage ängstlicher Seelen: „Ich kann aber nicht glauben.“ Ach, ist Glauben denn eine so schwere Last? Nein, es heißt einfach, aufzuhören, etwas zu tun und sich auf das zu lehnen, was getan ist, und auf den, der es getan hat. Keiner sage, er könne sich nicht lehnen.

Doch der Glaube ruht nicht nur in einem Gegenstand außerhalb von ihm; er erkennt, versteht und erfasst die Bedeutung dessen, auf das er sich lehnt. Und das ist der große Knackpunkt. Man glaubt an den Tod und die Auferstehung Christi als historische Tatsachen und als die Basis der Errettung, aber wenn es darum geht, im Glauben die Bedeutung und Tragweite in Bezug auf die eigene Rechtfertigung zu erfassen, bleibt man in Ungewissheit, statt Frieden zu haben.

Bedenkt Römer 4,25. Lasst uns diesen Vers im Glauben Stück für Stück betrachten, damit uns ein Licht aufgeht.

„Der”: das heißt Jesus unser Herr, der Sohn Gottes. Kein Geringerer als Er!

„Hingegeben”: Er ist dem Tod und dem Gericht übergeben worden. Wer gab Ihn hin? Gott. „Diesen, übergeben nach dem bestimmten Ratschluss und nach Vorkenntnis Gottes …“ (Apg 2,23). Es war ein Akt Gottes zu unseren Gunsten.

„Unserer Übertretungen wegen”: Nicht als bloßer Märtyrer, sondern als Opfer nahm Er unsere Stelle ein. Er nahm die schreckliche Last unserer Schuld auf sich. Er belud sich auf Golgathas Kreuz mit der vollen Last unserer nicht nachgekommenen Verantwortlichkeiten und den schrecklichen Schulden, die daraus resultierten. Er starb stellvertretend für uns. Jeder Gläubige darf sagen: Er ging als mein Stellvertreter unter der Last meiner Übertretungen in den Tod.“

„Auferweckt”: Diese große Wahrheit ist genauso ein Teil des Evangeliums wie der Tod Christi. Sie spricht von Sieg über jede feindliche Macht, und von der vollständigen Begleichung jedes Anspruches des gerechten Thrones Gottes. Tod und Grab konnten Ihn nicht halten. Er ist auferstanden.

„Unserer Rechtfertigung wegen”: Diese Worte zeigen die Bedeutung Seiner Auferstehung für uns die Glaubenden. Behalte im Gedächtnis, dass Er unser Stellvertreter ist, wenn du die Bedeutung erfassen willst. Ist Er frei von der Herrschaft des Todes hervorgekommen? Dann sind auch wir frei. Ist Er siegreich befreit von der Last unserer Übertretungen? Dann sind auch wir befreit, so frei wie Er. Wir stehen und fallen mit unserem Stellvertreter. Seine Stellung ist unsere Stellung. Wenn Tod und Gericht hinter Ihm liegen, dann auch hinter uns.

Die bekannte Szene im Terebinthental veranschaulicht das sehr eindrücklich (1. Samuel 17). Der Kampf fand zwischen den Vorkämpfern Israels und Philistäas, David und Goliath, statt. Auf jeder Seite des Tals stand eine Armee in Schlachtordnung, doch die Schlacht fand ausschließlich zwischen den beiden Stellvertretern statt.

Was für ein Sturm widerstreitender Gefühle muss in mancher israelitischer Brust gewütet haben, als sie sahen, wie David in das Tal hinabging, um dem Riesen zu begegnen. Wenn die Vernunft überwog und sie die Chancen Davids nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit einschätzten, mussten sich Angst und Zweifel breit machen. Und wenn der Glaube seine Stimme erhob und ihnen den Gott Israels vor Augen stellte, mussten Hoffnungsflammen in ihren Herzen entfacht werden. Aber solange David nur ins Tal hinab ging, konnte man nur das Beste hoffen.

Wenige Augenblicke später war der Sieg errungen. Der glatte Stein war in die Stirn des Philisters eingedrungen, der große Mann lag platt auf der Erde, erschlagen mit seinem eigenen Schwert, sein Kopf in der Hand Davids. Und dann begann der Jüngling seinen triumphalen Aufstieg aus dem Tal hinauf auf den Berg.

„Und die Männer von Israel und Juda machten sich auf und erhoben ein Geschrei.“ Jeder Zweifel und jede Angst verflogen vor der Rückkehr ihres siegreichen Stellvertreters. Sein Sieg war ihr Sieg. Sie waren genauso frei von dem Druck der Philister wie er.

Die Anwendung für uns ist nicht schwer. Unser Herr Jesus, der größer ist als David, war in dem dunklen Todestal „unserer Übertretungen wegen dahingegeben.“ Viele Christen halten dort an und kommen folglich nie weiter als das Beste zu hoffen. Das Evangelium hört jedoch nicht dort auf. Nachdem der Feind bezwungen war, kam unser Stellvertreter aus dem Tal herauf und wurde „unserer Rechtfertigung wegen auferweckt.“ Sein Sieg ist unser Sieg. Seine Freiheit ist unsere Freiheit. Das ist die Bedeutung seiner Auferstehung für uns.

Haltet daher im Gedächtnis „Jesus Christus, auferweckt aus den Toten, … nach meinem Evangelium“, und macht euch mit Frieden im Herzen auf und erhebt ein Siegesgeschrei für Ihn, den wahren Israel Gottes.

[Übersetzt von Marco Leßmann]