Das angekündigte Gericht über Babylon: Jeremia, 50,1–3

Im ganzen Buch Jeremia nehmen Babylon, dessen König und das Land Chaldäa unter den Nationen einen dominanten Platz ein. Sie sind das Instrument des HERRN, um seine Gerichte über Juda und Jerusalem sowie über alle übrigen Nationen auszuüben. Die umfassende Weltherrschaft wird seinem König anvertraut infolge der Beiseitesetzung Israels als dem Zentralpunkt der göttlichen Regierung auf dieser Erde. Doch auch das Gericht über Babylon wird sieben Jahre vor der Einnahme Jerusalems in detaillierter Weise beschrieben [Fußnote 1].

Die Gerichte über die übrigen Nationen (Kap. 46–49) zielen darauf ab, dem König von Babel für eine gewisse Zeit die Weltherrschaft anzuvertrauen. Diese Oberherrschaft bildet allerdings die Plattform, ihren übermäßigen Stolz in Verbindung mit Götzendienst sowie ihren erbitterten Hass gegen das Volk Gottes hervortreten zu lassen.

Das Gericht über Babylon offenbart den Wert der Handlungen des Königs und seines Volkes, denen der HERR die höchstmögliche Macht anvertraut hatte. Die Ankündigung, dass Babylon mitsamt seinen Götzen fallen wird, nimmt einen umso umfassenderen Raum ein, insofern seine Herrschaft über diese Erde kaum größer sein konnte.

Der Fall Babylons und die Rückkehr des Überrests aus Israel: V. 4–20

Im geschichtlichen Kontext markiert der Fall Babylons den Beginn der Rückkehr der jüdischen Gefangenen in ihr Land [Fußnote 2]. Auf diese Rückkehr wird hier angespielt und es heißt, dass die Kinder Israel zusammen mit den Kindern Juda kommen werden (V. 4). Die prophetische Sichtweise erstreckt sich demnach bis zur endgültigen Befreiung ganz Israels in der Zukunft.

Eine „Sammlung großer Nationen“ wird im Norden gegen Babylon aufmarschieren, um es einzunehmen und zu zerstören (V. 9). Dies wird die Antwort auf das Verhalten Babylons sein, das selbst das Erbteil des HERRN plünderte (V. 11). Seine Zerstörung wird derartig sein, dass alle, die Beschreibungen seiner vergangenen Herrlichkeit gehört haben, in Erstaunen versetzt werden. Seine Feinde werden dazu aufgerufen es zu belagern und nicht zu verschonen, weil es sich gegen den HERRN selbst versündigt hat.

Israel ist stets der Gegenstand der Liebe und Fürsorge des HERRN, welcher der Hirte Israels ist (Jer 31,10; Ps 80,1). Israel gleicht Schafen, einer Herde des HERRN (Ps 78,52). „Zuerst hat der König Assyriens es gefressen“ und anschließend der König Babylons ihm die Knochen zermalmt (V. 17). Es muss so sein, dass das Gericht über den König Babylons kommt, wie es bereits über den assyrischen König gekommen ist, damit Israel „zu seinem Weideplatz“ zurückkehren kann (V. 19). Das gilt für das ganze Volk – sowohl für Israel wie auch Juda – weil der HERR verheißen hat, ihre Schuld zu vergeben.

Stolz und Widerspenstigkeit werden gerichtet: V. 21–32

Drei Gerichtsanlässe werden angeführt:

  • - Der HERR hatte Babylon zwar wie einen Hammer benutzt, um die Völker der Erde zu schlagen, doch hatte sich diese Vollmacht als Fallstrick für die Babylonier herausgestellt. Anstatt sich ihm als Instrument zur Verfügung zu stellen, schlug es gegen den HERRN aus und zerstörte sein Volk Israel. Selbst wenn sich der HERR anderer bedient, um Babylon zu stürzen, ist es offensichtlich, dass es sich hierbei um ein Werk des Herrn handelt und nicht um das seiner Feinde.
  • - Am Tag seiner Zerstörung treten solche auf, die verstehen und verkünden, dass es um die „Rache des HERRN, ... und die Rache seines Tempels“ geht, weil sie einmal selbst durch die gottlosen Armeen der Chaldäer zerstreut worden sind.
  • - Weiter geht es um die Widerspenstigkeit und den Stolz, die den Zorn des HERRN gegen sie herausgefordert hatte, indem sie sich öffentlich gegen ihn erhoben. Darin können wir die Erfüllung des Sprichworts sehen: „Stolz geht dem Sturz, und Hochmut dem Fall voraus“ (Spr 16,18). Es ist eine Warnung, die immer noch stets gültig ist.

Die Zerstörung ist vollständig und endgültig: V. 33–46

Die Unterdrückung der Kinder Israels und Judas ist der Grund für die Zerstörung Babylons, weil „ihr Erlöser stark“ ist (V. 34). Ebenso wie der Pharao damals, erlaubt der König Babylons den Gefangenen nicht, in ihr Land zurückzukehren, bis die 70 von Gott bestimmten Jahre vorüber sind. Das geschieht, damit sich der Plan des HERRN erfüllt, denn diese Gewalt und Opposition gegen den göttlichen Willen, zusammen mit dem abstoßenden Götzendienst im „Land der geschnitzten Bilder“ führt dazu, dass der Becher schließlich überläuft (V. 38). Babylon fällt und wird wie Sodom und Gomorra völlig umgekehrt. „Niemand wird mehr dort wohnen“ (V. 40).

Babylon wird auf dieselbe Weise und mit der gleichen Härte geschlagen wie diejenigen, die durch sie geschlagen wurden. Von Norden her zieht ein Volk herauf und stellt sich mit vielen Königen gegen Babylon auf. Ihre Armeen werden mit einer ähnlichen Sprache beschrieben wie die chaldäischen Armeen, welche über Jerusalem, der Tochter Zions, herfielen. Seine Bewohner müssen die gleichen Ängste erfahren wie die, welche sie hervorgerufen haben (vgl. Jer 6,22–24). Die Beschreibung des Gerichts, die dieses Kapitel abschließt, wendet die Erklärungen des HERRN über das, was Babylon Edom erleiden lässt, auf die Chaldäer an (vgl. Jer 49,19.20). Darin erfüllt sich nicht nur das Wort des HERRN: „Nach den Taten, danach wird er vergelten: Grimm seinen Widersachern, Vergeltung seinen Feinden“ (Jes 59,18), sondern auch die Antwort auf den Ausruf der Weggeführten: „Tochter Babel, du Verwüstete! Glückselig, der dir dasselbe vergilt, was du uns getan hast!“ (Ps 137,8).

Wir befinden uns hier in der heiligen Gegenwart der göttlichen Gerichte, die in Übereinstimmung mit seiner Gerechtigkeit auf dieser Erde gegenüber den Völkern ausgeübt werden. Es sind Stellen, die uns nicht die Barmherzigkeit Gottes in Bezug auf die vorstellen, welche sich zu ihm wenden, wovon an vielen anderen Stellen gesprochen wird.

[Übersetzt aus „Sondez les Écritures“. Eingesandt von Stephan Keune]


[Fußnote 1] So prophezeit er:

-Im vierten Jahr der Regierung Zedekias (Jer 51,59), sieben Jahre vor der Einnahme Jerusalems, die schließlich im elften Jahr Zedekias stattfindet (Jer 52,5)

-zwei Jahre bevor Hesekiel sieht, wie sich die Herrlichkeit des Tempels aus Jerusalem zurückzieht (Hes 8 – 11) und im sechsten Jahr der Wegführung Jojakins, was zeitlich in das sechste Jahr der Regierung Zedekias fällt.

[Fußnote 2] Die Einnahme Babylons durch Kores wird der Ausgangspunkt der Befreiung der weggeführten Juden. Zwei Jahre nach seinem Sieg wird Kores allerdings selbst durch den persischen König Darius ersetzt und erfolgt der Befehl an die Juden, nach Jerusalem hinaufzuziehen, um das Haus des HERRN wieder aufzurichten (Esra 1,1–3).