In Matthäus 15 werden uns zwei Herzen vorgestellt: Das Herz des Menschen und das Herz Gottes. Als Antwort auf die Kritik der Pharisäer über seine Jünger, die mit ungewaschenen Händen gegessen hatten, erklärte unser Herr, dass der Mensch nicht durch das verunreinigt wird, was in seinen Mund eingeht, sondern durch das, was aus seinem Mund ausgeht. Die Worte, die von uns ausgehen, sind der Ausdruck dessen, was in unserem Herz ist. Der Herr fährt fort, indem er ein erschreckendes Bild des menschlichen Herzens vorstellt. Gemäß seinem Urteil, das niemals falsch sein kann, ist das Herz eine abscheuliche Quelle der Ungerechtigkeit.

Nun wendet sich der Herr von seinen heuchlerischen Gegnern weg und geht in das Gebiet von Tyrus und Sidon. Kurz zuvor hatte er diese Orte als besonders verhärtet dargestellt (Matthäus 11,21); was könnte der Herr dort erwarten, das seinen bekümmerten Geist erfrischen konnte? Schon sehr bald wandte sich eine kananäische Frau mit der Bitte an ihn, einen Dämon aus ihrer Tochter auszutreiben: „Erbarme dich meiner, Herr, Sohn Davids! Meine Tochter ist schlimm besessen.“ Wie sehr irrte sie sich! Als Angehörige einer verfluchten Rasse, von der, bloß aufgrund der Nachlässigkeit des Volkes Gottes in den Tagen Josuas, ein Überrest in dem Land lebte, konnte sie vom Sohn Davids nichts erwarten als nur Gericht. Zuerst gab der Heiland ihr keine Antwort, aber weil seine Jünger ihn drängten, sagte er: „Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.“ Zu dieser Zeit war das tatsächlich sein Auftrag. Er war „ein Diener der Beschneidung geworden, um die Verheißungen der Väter zu bestätigen“ (Römer 15,8). In diesem Charakter gab es für die Nationen nichts, das sie von ihm hätten beanspruchen können. Der Frau war es jedoch so ernst, dass sie eine Ablehnung nicht akzeptieren würde. Dementsprechend drängt sie ihr Anliegen weiter nach vorne und sagt: „Herr, hilf mir!“ Sie hatte den jüdischen Titel „Sohn Davids“ gebraucht und sehnte sich schlicht nach Gnade. Aber sie hatte sich nicht tief genug gebeugt, weshalb der Herr ihr entgegnete: „Es ist nicht schön, das Brot der Kinder zu nehmen und den Hunden hinzuwerfen.“ Dies war eine erprobende Aussage. Doch sie feuerte nicht zurück und wandte sich nicht wütend ab wie Naaman. Sie erwiderte bescheiden: „Ja, Herr; und doch fressen die Hunde von den Brotkrumen, die von dem Tisch ihrer Herren fallen.“ Ihr Argument war perfekt und überzeugte. Obwohl sie wirklich eine Nichtjüdin war, außerhalb der auserwählten Familie Israels, hatte sie das Vertrauen, das in der Güte des göttlichen Herzens sogar Segen für die Geringsten seiner Geschöpfe vorhanden war. Gewiss würde er, dessen ewige Wohnung der Schoß des Vaters ist, ihr in dieser Sache nicht widersprechen. Sein seltsam erscheinendes Verhalten ihr gegenüber diente dazu, den schönen Ausdruck ihres Glaubens sichtbar zu machen. Die strenge Haltung des Heilands überdeckte ein Herz der Zärtlichkeit, das sich danach sehnte sie in dem Moment zu segnen, wo sie ihre wahre Stellung vor ihm einnahm. Es hat den Anschein, dass er diesen Ort nur ihretwegen aufsucht, denn, nachdem er ihre Tochter durch sein Wort geheilt hat, ging er sogleich zu dem Ort zurück, aus dem er gekommen war. Sein Auge hatte die Sorge der Frau von weitem wahrgenommen, obwohl sie nichts davon wusste.

Das Geheimnis des Segens ist einen niedrigen Platz zu den göttlichen Füßen einzunehmen. Wir sind in einem verderbten Geschlecht geboren und jeder für sich der Sünde schuldig, wir haben keinen Anspruch auf Gottes Errettung vor dem Gericht. Aber derjenige, der demütig seine Ungöttlichkeit und Unvollkommenheit zugibt, wird schnell lernen, dass das Herz Gottes auch zu ihm gerichtet ist. Gott opferte seinen eingeborenen Sohn zu seinem Segen, und durch Seinen versöhnenden Tod wird der Sünden und Ungerechtigkeiten nie mehr gedacht.

[Übersetzt von Benjamin Runkel]