Der Herr Jesus war „arm, aber viele reich machend“ -„nichts habend, aber alles besitzend“. Diese erhabenen und wunderbaren Zustände wurden in Ihm, und zwar in einer Ihm durchaus eigentümlichen Weise, sichtbar. Er nahm die Beisteuer einiger frommer Frauen an, die Ihn mit ihrer Habe unterstützten, und dennoch verfügte Er über die ganze Erde und ihre Fülle, um die Bedürfnisse derer zu stillen, die Ihn umgaben. Er vermochte Tausende in öden Gegenden zu speisen, während Er selbst Hunger litt und auf die Rückkehr Seiner Jünger wartete, die ausgegangen waren, um Speise zu kaufen. Das hieß wahrlich „nichts haben und alles besitzen“.

Aber obwohl der Herr arm, bedürftig und in einer feindlichen Umgebung war, findet man doch nicht das geringste in Ihm, was einer unedlen Gesinnung ähnlich wäre. Nie bat Er um eine Gabe, wiewohl Er keinen Pfennig besaß. Wollte Er einen Denar sehen (nicht zu Seinem eigenen Gebrauch; vgl. Lk 20,20–26), so war Er genötigt, sich einen zeigen zu lassen. Nie floh Er, wenn auch Sein Leben dort, wo Er sich aufhielt, – nach menschlicher Redeweise – in Gefahr war. Er zog Sich zurück oder ging, gleichsam vor den Augen Seiner Feinde verborgen, vorüber. Ich wiederhole daher, obgleich Armut und Gefahren Sein tägliches Los waren, so haftete Ihm doch nichts an, was unedel wäre oder mit der vollkommenen Würde Seiner Person im Widerspruch gestanden hätte. Welch eine bewunderungswürdige Vollkommenheit!

Wer könnte je einen Gegenstand vor unsere Augen stellen, der so vollkommen, so untadelig und von solch ausnehmender, zarter Reinheit in den gewöhnlichsten und geringfügigsten Einzelheiten des menschlichen Lebens wäre! Paulus konnte es nicht. Jesus allein, der Mensch Gottes, vermochte es. Das Hervorstrahlen Seiner außergewöhnlichen Tugenden inmitten der gewöhnlichen Umstände Seines Lebens redet laut zu uns von Seiner Person. Es muß eine besondere Person sein, Gott und Mensch in einer Person, der uns solch außergewöhnliche Erscheinungen in solch gewöhnlichen Umständen darstellen kann.

Wir finden, ich wiederhole es, dergleichen nicht bei Paulus. Er besaß ohne Zweifel viel Würde und sittliche Größe, und wir müssen bekennen, daß Paulus, wenn es je einen Menschen gab, in dem jene Dinge sich vorfanden, dieser Mensch war. Aber sein Verhalten war nicht das Verhalten Jesu. Er befindet sich in Lebensgefahr, und er bedient sich der Beschirmung seines Neffen. Zu einer anderen Zeit lassen ihn seine Freunde an der Stadtmauer herab. Ich sage nicht, daß er jemanden um Geld ansprach; aber er bekennt, solches empfangen zu haben. Ich verweile nicht dabei, wie er vor einer aus Pharisäern und Sadduzäern zusammengesetzten Versammlung sich als einen Pharisäer ausgab, um sich so zu schützen; noch dabei, wie er übel von dem Hohenpriester redete, der über ihn zu Gericht saß. In diesen beiden Fällen war sein Betragen von Schwachheit gekennzeichnet. Ich rede nur von Fällen, die, ohne gerade moralisch verkehrt zu sein, dennoch unter der vollkommenen persönlichen Würde stehen, die den Weg Christi kennzeichnete. Die sogenannte Flucht nach Ägypten macht keine Ausnahme bezüglich des Charakters des Herrn. Denn diese Reise wurde zur Erfüllung der Prophezeiung und auf die Autorität eines göttlichen Ausspruchs hin unternommen.

Alles das ist in der Tat nicht nur moralische Herrlichkeit, nein, es ist ein moralisches Wunder; und es ist erstaunlich, wie eine von Menschenhand geführte Feder solche Schönheiten aufzuzeichnen vermocht hat. Wir können dieses Wunder nur durch die Tatsache erklären, daß es eine Wahrheit, eine lebendige Wirklichkeit ist. Zu diesem gesegneten Schluß sind wir gezwungen. Es gibt keine andere Erklärung.