Das große Anliegen Gottes ist, dass seinem Sohn Ehre und Herrlichkeit zuteilwird. Deshalb stellt man bei näherem Hinsehen fest, dass das Wort Gottes von der ersten bis zur letzten Seite voll ist von Hinweisen auf den Sohn Gottes. Ja, „von Moses und von allen Propheten anfangend“ gibt es Dinge, die Ihn betreffen.

Einige Begebenheiten weisen ganz offensichtlich auf den Herrn Jesus hin, wenn wir z.B. an die Opferung Isaaks in 1. Mose 22 denken. Daneben gibt es auch Personen, die in besonderer Weise entweder in bestimmten Situationen oder über weite Strecken ihres Lebens Vorbilder auf Christus hin sein durften. Die Heilige Schrift selbst berechtigt uns, Vergleiche zu ziehen zwischen Personen des Alten Testaments und dem Herrn Jesus (siehe z.B. Vergleiche zwischen Mose, Aaron oder Melchisedek und dem Herrn Jesus im Hebräerbrief).

Unter allen Glaubensmännern des Alten Testaments gibt es jedoch wenige, die so deutlich und so schön auf Christus hindeuten wie Joseph. Im Folgenden wollen wir versuchen, die wesentlichen Parallelen zwischen Joseph und dem Herrn Jesus herauszustellen.

Von Joseph wird uns meines Wissens nicht eine Sünde berichtet, obwohl er nicht sündlos war und auch Höhen und Tiefen des Glaubens durchlebt hat. Aber bei Gott wird nichts beschönigt. Selbst bei großen Glaubenshelden, wie z.B. David, deckt Gott die Verfehlungen schonungslos auf. Bei Joseph finden wir so etwas nicht, und so darf er besonders auf den hinweisen, der wirklich ohne Sünde war, der keine Sünde tat und keine Sünde kannte. Der Herr Jesus war in Wahrheit der „Abgesonderte unter seinen Brüdern“, wie Joseph zweimal bezeichnet wird. Er war der Heilige, der Vollkommene, der Reine.

Jakob hatte Joseph lieb, weil er seinem Herzen so nahe war. So war auch der Herr Jesus der Sohn der Liebe des Vaters. Schon vor Grundlegung der Welt war Er zur Wonne Gottes, und als Er auf der Erde war, bezeugte der Vater mehrmals, dass dieser sein geliebter Sohn war. Vor allem, weil Er das Herz des Vaters kannte und alle seine Gedanken und Ratschlüsse zur Ausführung bringen wollte, ja vor allem, weil Er sein Leben lassen wollte, liebte Ihn der Vater.

Aber auch das Wohlergehen der Brüder lag Jakob am Herzen, und er sandte Joseph zu ihnen. Gott hat seinen geliebten Sohn nicht nur in die Welt gesandt, sondern auch zu seinen Brüdern, seinem Volk Israel, seinem Weinberg, um nach seinem Wohlergehen zu sehen, um Frucht zu sammeln. Und mit derselben Bereitwilligkeit, in der Joseph seinem Vater antwortete: „Hier bin ich“, sagte auch der Sohn Gottes: „Siehe, ich komme.“

Dann finden wir Joseph auf dem Feld umherirren. Wie sehr erinnert er uns an den Herrn Jesus, der als ein einsamer Fremdling seinen Weg ging. Er suchte seine Brüder, die „verlorenen Schafe des Hauses Israel“. Doch Er musste feststellen, dass sie sich noch weiter von ihrem Vater entfernt hatten. Wie hat der Herr Jesus darunter gelitten, dass sein Geschöpf und gerade die Seinigen sich so weit von Gott entfernt hatten. Das hinderte Ihn jedoch nicht daran, ihnen nachzugehen, bis Er sie fand. Ja, als der gute Hirte geht Er auch heute noch dem verlorenen Schaf nach, bis Er es findet.

Joseph kam mit der Liebe des Vaters zu seinen Brüdern. Aber gerade deshalb hassten sie ihn. Er trat für die Ehre des Vaters ein und zeugte gegen seine Brüder, als diese böse über den Vater sprachen. So erntete auch der Sohn Gottes Hass für seine Liebe. Er zeugte von der Welt, dass ihre Werke böse waren, und das brachte Ihm den Hass der Welt ein. Er litt darunter, dass sein Gott und Vater in der Welt verachtet wurde. „Die Schmähungen derer, die dich schmähen sind auf mich gefallen“, musste Er klagen. Deshalb sehen wir Ihn immer wieder für die Ehre Gottes eintreten, besonders in den letzten Verhören vor der Kreuzigung, wo Er seinen Mund nur auftat, wenn es um Gottes Ehre ging.

Joseph kam aber auch zu seinen Brüdern mit dem Rechtsanspruch, einmal König über sie zu sein. Gott hatte ihm durch Träume klargemacht, dass er einmal über seine Brüder herrschen würde. Seine Brüder reagierten erstens mit Ablehnung („solltest du über uns herrschen?“), zweitens mit Eifersucht und drittens mit Verachtung („Träumer“). Der Herr Jesus kam auch als rechtmäßiger König zu seinem Volk. In seiner Person erfüllten sich große Teile messianischer Prophetie, das war seine Legitimation. Doch auch Er musste – und noch viel deutlicher als Joseph – die Ablehnung seiner Brüder erleben: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche“, „Hinweg mit diesem“, „Wir haben keinen König.“ Auch Eifersucht schlug Ihm entgegen, denn Pilatus wusste, „dass sie ihn aus Neid überliefert hatten“. Die ganze Verachtung über seinen Herrschaftsanspruch kommt zum Ausdruck, als sie Ihm zum Spott die Dornenkrone aufsetzten, den roten Purpurmantel umlegten und in beispielloser Ironie vor Ihm auf die Knie fielen: „Sei gegrüßt, König der Juden.“ Und auch die Inschrift seines Kreuzes muss als Spott und Verachtung seiner Königswürde aufgefasst werden.

Auch der lange Leibrock, den Joseph von seinem Vater bekam und den sonst nur Vornehme trugen, beinhaltet schöne Hinweise auf Christus. Die Kleidung ist im Wort Gottes oft ein Symbol dafür, was man von einem Menschen nach außen hin sieht, also von seinem Bekenntnis oder Zeugnis. So war es auch bei dem Herrn Jesus. Er sprach die Worte und tat die Werke, die Ihm der Vater gegeben hatte und die waren es, die von Ihm zeugten, dass der Vater Ihn gesandt hatte. Sie wiesen Ihn aus als den vom Himmel gekommenen Sohn Gottes. Ja, Er war von Gott an die Menschen erwiesen durch mächtige Taten und Wunder und Zeichen, die Gott durch Ihn in der Mitte der Menschen tat. Später nahmen Josephs Brüder ihm seinen Leibrock weg. So hätten auch die Feinde des Herrn Jesus am liebsten gerade die Taten ungeschehen gemacht, die Ihn als den Sohn Gottes auswiesen. Denken wir zum Beispiel daran, wie die Pharisäer den auferweckten Lazarus wieder umbringen wollten oder wie die Soldaten bestochen wurden, um durch Lügen die Auferstehung zu verheimlichen.

Was für eine Reaktion auf die suchende Liebe Josephs, der ausgezogen war, um nach dem Wohlergehen der Brüder zu sehen. „Sie ersannen gegen ihn den Anschlag, ihn zu töten.“ Sie zogen ihn aus und warfen ihn in eine Grube, um sich dann hinzusetzen und zu essen, obwohl sie seine Seelenangst kannten, wie man in Kapitel 42, Vers 21 liest. Auch der Herr Jesus kam, um „zu suchen und zu erretten, was verloren ist“, aber seine Heilandsliebe traf auf den bitteren Hass der Menschen, die schon von Anfang seines öffentlichen Auftretens an versuchten, Ihn umzubringen. Auch Ihm wurden schließlich die Kleider ausgezogen, und seiner Seele hat man Gruben gegraben. Während der Heiland entblößt in Todesqualen am Kreuz litt, umstand die Menge in beispielloser Gefühllosigkeit und Selbstgerechtigkeit das Kreuz und sah zu, wie die Soldaten um seine Kleidung pokerten. Wie kalt kann das menschliche Herz sein! Geht es uns nicht manchmal ähnlich? Beeindrucken uns die Leiden des Herrn noch? Berührt es noch unser Herz, wenn wir über seine Angst und seine Schmerzen nachdenken? Wie oft ist es uns schon passiert, dass gerade wenn wir zu seinem Gedächtnis zusammenkommen, um an seine Leiden und an seinen Tod zu denken, unsere Gedanken abschweifen und irgendwelchen profanen Dingen nachgehen. Möchten wir nicht zu denen gehören, die sich nicht „grämen über die Wunde Josephs“.

Auf eine kleine Feinheit im Vorbild Josephs möchte ich noch hinweisen, die aber einen großen Unterschied zwischen ihm und dem Herrn Jesus ausmacht. Nachdem die Brüder Joseph in die Grube geworfen hatten, lesen wir den denkwürdigen Nachsatz: „Die Grube aber war leer, es war kein Wasser darin.“ Hier muss das Vorbild Josephs zurückbleiben gegenüber dem, was unseren Herrn getroffen hat, denn die Grube, in die der Herr Jesus von Gott gelegt wurde, war nicht leer. Nein, es befand sich Schlamm darin, der ganze Schlamm unserer Sünden, in den Er versinken musste. Und es war auch Wasser darin, sogar Wassertiefen und eine überströmende Flut. Alle Wogen und Wellen, ja die brausenden Wassergüsse des Gerichts Gottes über die Sünde mussten über Ihn hingehen und Ihn niederdrücken. Für Joseph galt zu jeder Zeit: „Der Herr war mit ihm.“ Aber für den Herrn Jesus, der immer in völliger Übereinstimmung und liebevoller Gemeinschaft mit seinem Vater gelebt hatte und von dem auch mehrmals gesagt wird, dass Gott mit Ihm und der Vater bei Ihm war, kam ein Augenblick, wo Gott sich von Ihm abwandte, um Ihn zu schlagen für deine und meine Sünde. Darin ist Er einzigartig, keiner konnte das tun, und keiner kann Ihm darin folgen. Was die Leiden von der Hand der Menschen angeht, so sind Ihm viele ähnlich geworden, auch Joseph. Aber was die Leiden von der Hand Gottes, die sühnenden Leiden angeht, müssen alle anderen zurückbleiben, die ja selbst dieses Sühnungswerk nötig haben.

In der weiteren Geschichte Josephs finden wir noch einige Hinweise auf den Herrn Jesus, von denen wir wenige kurz streifen möchten. Für 20 Silbersekel wurde er von seinen Brüdern verkauft. Durch das falsche Zeugnis der Frau Potiphars wurde er verurteilt. Er bekam einen Platz im Gefängnis zwischen zwei Übeltätern. Doch er wurde befreit aus dem Gefängnis und erhöht zur Rechten des Pharao. Er wurde Herrscher über das ganze Land, er bekam eine Frau zum Lohn und schließlich kam die ganze Erde unter den Einfluss seines Segens. Wunderbares Vorbild auf unseren Herrn! Verraten von seinem Freund für 30 Silberlinge wurde der Herr Jesus trotz falscher Zeugenaussagen verurteilt und zwischen zwei Übeltätern ans Kreuz genagelt. Auch sein Grab hatte man bei Gesetzlosen bestimmt, doch Gott wachte darüber, dass Er bei einem Reichen war in seinem Tode. Aber Er blieb nicht im Grab, sondern ist auferweckt worden und aufgenommen worden in die Herrlichkeit Gottes. Dort sitzt Er jetzt zur Rechten Gottes. Gott hat ihm einen Namen gegeben, der über jeden Namen ist. Vor diesem Namen wird sich einmal jedes Knie beugen müssen. Doch als Haupt über alles ist Er der Versammlung gegeben, seiner Braut, die mit Ihm Hochzeit feiern und ewig an seiner Seite sein wird. Seine Braut ist Ihm als Frucht für die Mühsal seiner Seele gegeben worden. Der einsame und umherirrende Fremdling wird dann umgeben sein von einer unzählbaren Menge von Erlösten, die Ihm ewig Lob und Anbetung bringen wird. Und die ganze Erde wird unter den segensreichen Einfluss seiner Herrschaft kommen, bis Er alles in Übereinstimmung gebracht hat mit seinem Gott und Vater und Gott schließlich alles in allen sein wird.

Wer nach Ägypten kam, um Brot zu bekommen, bekam von dem Pharao den Befehl: „Gehet zu Joseph; tut was er euch sagt!“ Das gilt auch heute noch. Wer an dem Segen, den der Herr Jesus zu geben hat, teilhaben will, muss zunächst einmal zu Ihm gehen, das heißt, sich bekehren. Dann muss man aber auch tun, was Er sagt. Damals mussten die Ägypter den fünften Teil ihres Ertrags an Joseph abgeben, teilweise mussten sie auch ihr Vieh, ihre Felder und sogar sich selbst verkaufen, um Brot zu bekommen.

Lasst auch uns dem Herrn geben, was Ihm zusteht: unseren Gehorsam, unsere beste Liebe, unseren Besitz, unser Leben, ja sogar uns selbst, und wir werden an der ganzen Fülle seines Segens teilhaben können. Er wird uns die Fenster des Himmels auftun und uns Segen ausgießen bis zum Übermaß.

Und schließlich richtete Joseph noch einen Wunsch an seine Brüder: „Berichtet meinem Vater alle meine Herrlichkeit.“ Und auch das dürfen wir wieder auf uns anwenden. Der Vater sucht Anbeter, und was kann Ihn mehr erfreuen, als wenn wir ihm von den Herrlichkeiten seines Sohnes berichten. Das sind die Schlachtopfer des Lobes und Dankes, an denen Gott sein Wohlgefallen hat, ein duftender Wohlgeruch für Ihn. Von Joseph heißt es, dass er schön war. Aber was ist seine natürliche Schönheit im Vergleich zu dem, der schöner ist als die Menschensöhne, an dem alles lieblich ist. Möchte dieser Artikel und überhaupt die Beschäftigung mit seiner wunderbaren und alles überragenden Person uns wieder neu zur Bewunderung unseres Herrn anspornen, der uns so geliebt hat, dass Er alle diese Leiden auf sich genommen hat und schließlich sich selbst für uns hingegeben hat, um uns zu erretten, um unser Wohlergehen zu suchen und um seinem Vater Kinder und Anbeter zuzuführen.

Damit schließt sich der Kreis. Der Vater liebt den Sohn und möchte, dass ihm Ehre zuteilwird. Deshalb hat Er auch die Geschichte Josephs mit genau diesen Details aufschreiben lassen, um uns ein Vorbild auf seinen Sohn hin zu zeigen. Und der Sohn liebt den Vater und möchte, dass wir dem Vater Anbetung bringen. Wunderbare Gemeinschaft und Liebe, in die wir eingeschlossen sind!