Der nächste Abschnitt enthält Anordnungen, die sich auf eine Magd beziehen, die durch ihren Vater verkauft worden war.

Und wenn jemand seine Tochter zur Magd verkauft, soll sie nicht ausgehen, wie die Knechte ausgehen. Wenn sie ihrem Herrn missfällt, der sie für sich bestimmt hatte, so lasse er sie loskaufen; er soll nicht Macht haben, sie an ein fremdes Volk zu verkaufen, weil er treulos an ihr gehandelt hat. Und wenn er sie für seinen Sohn bestimmt, soll er ihr tun nach dem Recht der Töchter. Wenn er sich eine andere nimmt, soll er ihre Nahrung, ihre Kleidung und ihr eheliches Recht nicht vermindern. Und wenn er ihr diese drei Dinge nicht tut, so soll sie umsonst ausgehen, ohne Geld. (2. Mo 21,7–11)

Obwohl sie „nicht ausgehen soll, wie die Knechte ausgehen“, achtet Gott in seiner Güte doch auf ihre Rechte in der Stellung, die sie einnimmt. Die Neigung ist nur zu oft vorhanden. solche anders zu behandeln, die völlig abhängig und unterworfen sind. Meistens sind sie besonders den Launen anderer ausgesetzt. Dies sollte nicht sein. Wenn ihr Herr seine Meinung änderte und sie ihm missfiel, sollte sie losgekauft werden dürfen. Sie sollte in ihrem Dienst nicht erniedrigt werden, noch durfte sie an ein fremdes Volk verkauft werden. Durch sein treuloses Verhalten verwirkte er seine Rechte, die er im andern Fall besessen hätte. Ob sie nun seinem Sohn versprochen war oder ihm selbst gehören sollte – ihre Rechte wurden sorgfältig gewahrt. Wenn diese allerdings verachtet wurden in dem Fall, dass er sich eine andere Frau nahm, sollte sie frei ausgehen können. Wir sehen hier, wie der Herr in seiner mitfühlende Liebe Gesetze erlässt, um seine schwachen und schutzlosen Geschöpfe zu schützen und um ihnen ein gerechtes und rücksichtsvolles Verhalten zu garantieren.

Als Nächstes werden Straftaten behandelt, die mit der Todesstrafe geahndet werden:

Wer einen Menschen schlägt, dass er stirbt, soll gewiss getötet werden; hat er ihm aber nicht nachgestellt, und Gott hat es seiner Hand begegnen lassen, so werde ich dir einen Ort bestimmen, wohin er fliehen soll. Und wenn jemand gegen seinen Nächsten vermessen handelt, dass er ihn umbringt mit Hinterlist – von meinem Altar sollst du ihn wegnehmen, dass er sterbe. Und wer seinen Vater oder seine Mutter schlägt, soll gewiss getötet werden. Und wer einen Menschen raubt und ihn verkauft, oder er wird in seiner Hand gefunden, der soll gewiss getötet werden. Und wer seinem Vater oder seiner Mutter flucht, soll gewiss getötet werden. (2. Mo 21,12–17)

Der Fall eines Mordes wird zuerst behandelt. Das war keine neue Anordnung. Zu Noah hatte Gott gesagt: „Wer Menschenblut vergießt, durch den Menschen soll sein Blut vergossen werden, denn im Bild Gottes hat er den Menschen gemacht“ (1. Mo 9,6). „Von der Hand eines jeden, seines Bruders, werde ich die Seele des Menschen fordern (1. Mo 9,5). Der Mensch war so gesehen zum Hüter seines Bruders bestellt worden, und Gott schützte ihn, den er in seinem eigenen Bild gemacht hatte durch die ernsteste Strafe, die er fordern konnte, denn das Leben gehört ihm, und deshalb konnte er es nicht dulden, wenn ein anderer dieses Recht untergrub. Als Kain seinen Bruder Abel erschlug, sagte der HERR deswegen zu ihm: „Was hast du getan! Horch! Das Blut deines Bruders schreit zu mir vom Erdboden her“ (1. Mo 4,10). Für absichtlichen Mord gab es keine Erleichterung (Befreiung) von der Strafe, selbst dann nicht, wenn der Mörder am Altar Gottes um Schutz flehen würde (vgl. 1. Kön 2,28–32). Er musste sterben. Es gibt im Wort Gottes keine Billigung der modernen philantropischen Bewegung zur Abschaffung der Todesstrafe. Sie setzt vielmehr menschliche Ideen an den Platz von Gottes ursprünglichen Gesetz. Es erhebt so den Menschen über Gott. Die Anweisungen, die der Herr in der „Bergpredigt“ gab (Mt 5,38–48), betreffen nur die Beziehungen der Jünger untereinander in seinem Königreich und nicht etwa solche, die zwischen den Menschen untereinander bestehen, und heben folglich in keiner Weise den Grundsatz auf, der Noah gegeben wurde.

Doch es gab eine Ausnahme: „Hat er ihm aber nicht nachgestellt, und Gott hat es seiner Hand begegnen lassen, so werde ich dir einen Ort bestimmen, wohin er fliehen soll“ (vgl. 5. Mo 19,4.5, eigentlich das ganze Kapitel). Wenn wir diese Richtlinien auf die Handlungen der jüdischen Nation gegenüber Christus anwenden und uns daran erinnern, wie sie „nachgestellt“ haben und schließlich durch Bestechung und List zum Ziel kamen, d.h. zu seiner Festnahme und Verurteilung, dann scheint es, dass es für sie keinen Ausweg geben könnte. Aber unser Herr selbst hatte gebetet: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! Sie verteilten aber seine Kleider unter sich und warfen Lose darüber“ (Lk 23,34). So wird es Gott in seiner Gnade – ihre Buße vorausgesetzt – möglich sein, ihnen aufgrund dieser Fürsprache Unwissenheit zu unterstellen und ihnen eine Zufluchtsstadt einzurichten, wohin sie entkommen und wo sie in Sicherheit sein können. Daher konnte Petrus in seiner Rede an sie sagen: „Ich weiß, dass ihr in Unwissenheit gehandelt habt, so wie auch eure Obersten“ (Apg 3,17). So findet die Gnade einen Weg, um auf der Basis der Sühnung für die Sünde, die durch das Kreuz Christi bewirkt worden ist, das Strafmaß des Gesetzes zu lindern.

Das Schlagen und Fluchen des Vaters oder der Mutter rief dieselbe Strafe hervor (2. Mo 21,15.17). Gott unterstrich durch diese heiligen Sanktionen seines Gesetzes die elterliche Autorität und verlangte ihre ehrfürchtige Beobachtung durch die Kinder. Der Ungehorsam gegenüber den Eltern ist in 2. Timotheus 3,2 ein Zeichen der schweren Zeiten in den letzten Tagen. Der Wert von der Unterordnung der Kinder gegenüber ihren Eltern in den Augen Gottes wird hier sehr deutlich. Denn tatsächlich ist es Gottes Autorität, die sie darstellen, und sie ist in ihrem Charakter absolut, wenn sie für Gott benutzt wird, und verlangt stillschweigenden und bedingungslosen Gehorsam (vgl. 5. Mo 21,18–21; Eph 6,1; Kol 3,20). Die Schwere der Sünden wird hier also genau angegeben. Wenn schon das Schlagen und Fluchen der Eltern die Todesstrafe nach sich zog, wie viel größer ist die Sünde der öffentlichen Rebellion gegenüber Gott!

Der Raub und Verkauf von Menschen – mit anderen Worten die Sklaverei, die immer noch in vielen Teilen der Welt praktiziert wird – zog ebenfalls die Todesstrafe nach sich (2. Mo 21,16). Obwohl der Mensch ein Sünder sein mag, ist er dennoch (trotz der Ansprüche Gottes an ihn – Ansprüche, denen begegnet werden musste, bevor er befreit werden konnte) von solchem Wert in den Augen Gottes, dass seine Freiheit von seinen Mitmenschen als unverletzlich geachtet werden muss. Wie unfassbar ist es, dass angesichts solch einer Schriftstelle die Sklaverei in ihrer schlimmsten Form (das Rauben, Verkaufen und Halten von Menschen als bloße Gegenstände) durch bekennende Jünger Christi, an die man sich heute noch erinnern kann, aufrechterhalten wurde!

[Übersetzt von Stephan Keune aus einer hervorragenden Auslegung über das zweite Buch Mose von Edward Dennett: Typical Teachings of Exodus. Diese Auslegung ist beim CSV in Hückeswagen erhältlich, http://www.csv-verlag.de]