In den ersten Beiträgen über die kleinen Propheten haben wir bereits gesehen, dass jeder „kleine Prophet“ seinen eigenen Stil hat. Michas Sprache ist kunstvoll, aber dennoch klar und leichtverständlich. Wir müssen keine Sprachkünstler sein, um Gottes Wort weitergeben zu können – im Gegenteil (s. 1. Kor 2,1 ff.). Aber unter den verschiedenen Menschen, die Gott als „Werkzeuge“ benutzt, waren und sind auch solche wie Micha. Gott weiß, wann, wozu und gegenüber wem Er sie einsetzt.

Der Bote und die Botschaft:

Die Botschaft des Propheten Micha richtete sich vor allem an das Südreich Juda während der Regierungszeit der Könige Jotham, Ahas und Hiskia. In weiten Teilen dieses Bibelbuches führt Gott eine Gerichtsverhandlung, in der Er das Volk wegen seiner vielen Sünden verurteilt (Kap. 1, 2, 5 und 6); in manchen Passagen richtet Er seine Anklage speziell an die Führungsschicht des Volkes (Kap. 2 und 3). Aber dann gibt es auch für die Treuen, den sogenannten Überrest, ermunternde Ausblicke in die Zukunft (Kap. 4). Besonders schön ist, dass Micha sich selbst bei seinen Gerichtsbotschaften in der Verantwortung fühlt und dass er für das Volk zu Gott betet (Kap. 7). Dass Gott durch ihn etwas bewirkt hat, kann man in Jeremia 26,18.19 nachlesen.

Wortspiele gegen das Unechte in Gottes Volk (Micha 1, 8–16)

Ein Beispiel für Michas besonderen Sprachstil sind die Verse 8–16 aus Kapitel 1. Dort lässt er durch eine Serie von stilistischen Besonderheiten seine Gedanken besonders eindrücklich hervortreten. Er nennt Städte und Dörfer des judäischen Hügellands und knüpft an ihre Namen mit einem Wortspiel oder einer Anspielung an wie: „In Staubheim wälze ich mich im Staub“ (V. 10, vgl. die Fußn. zu V. 15). Das wirkt vielleicht auf den ersten Blick seltsam oder sogar etwas amüsant. Gott zielt aber tiefer: Wer in Schaphir („Schönstadt“) wohnte und nun etwas von schimpflicher Blöße hörte, fand das sicher kaum lustig. Dazu bestand auch kein Grund: Wenn Juda nicht Buße täte, würde nämlich eine von Gott gesteuerte Armee in das Hügelland einmarschieren. Sein Gericht würde Michas Zuhörer gerade dort treffen, wo sie sich wohl und geborgen fühlten: in ihren eigenen Städten. Aber warum die Anspielungen und Mehrdeutigkeiten? Gott wollte die Leute zum Nachdenken bringen und ihre falsche Sicherheit in Frage stellen, um zu zeigen, was Er wirklich wollte. Ein Beispiel:

„Spanne die Renner an den Wagen, Bewohnerin von Lachis!“ (1,13)

Michas Prophetie über Lachis (1,13) ist kein Wortspiel im eigentlichen Sinn, sondern eine historische Anspielung. Sie beschreibt die schmähliche Flucht der Juden aus dieser Stadt, die unter Josua noch triumphal eingenommen worden war (s. Jos 10). Wie so viele andere hat auch diese Weissagung drei Dimensionen:

Historische Bedeutung: In erster Linie bringt Micha schlicht eine Vorhersage: Die Bewohner werden Lachis einmal verlassen müssen. Das geschah schon kurze Zeit später, zur Zeit Hiskias, als der assyrische König Sanherib die Stadt einnahm. Die Bibel berichtet nur von der Belagerung der Stadt (2. Chr 32,9); über ihre Einnahme hat Sanherib für seinen Palast ein beeindruckendes Wandrelief anfertigen lassen (s. Foto). Michas Weissagung zielt aber noch weiter in die Zukunft: Assyrien wird in der großen Drangsal Palästina einnehmen und damit Gottes Gericht über Juda ausführen.

Geistliche Bedeutung für die Zuhörer (Auslegung): Gott wollte einen geistlichen Prozess bei den Zuhörern anstoßen: Selbsterkenntnis, Buße, Segen. Lachis war unter Josua vollständig eingenommen worden (Jos 10,31.32; siehe auch 10,23 ff.). Aber schon bald zeigte das Volk Schwäche und lebte Seite an Seite mit seinen Feinden (s. z.B. Jos 15,63). Gott beurteilte Kanaan – und damit auch Lachis – so: „Dieses Land ist der Ruhort nicht, um der Verunreinigung willen“ (2,10). Die Konsequenz: Obwohl Lachis in einer guten Tradition der glaubensvollen Kämpfer Gottes stand, war es für Gott wertlos, denn es fehlte die Reinheit, die Gott seinem Volk vorgeschrieben hatte.

Geistliche Bedeutung für uns (Anwendung): Gottes Wort ist lebendig und wirksam (Heb 4,12) – jederzeit. So hat Micha auch mir und dir etwas zu sagen. Lachis steht dafür, dass man da, wo man mit Gott Glaubenssiege errungen hatte, später schmähliche Niederlagen erlebt, wenn Glaubensmut und Konsequenz verloren gehen. Gibt es in meinem geistlichen Leben auch ein Lachis: Verlorenes Terrain, das ich mit Gott erobert hatte, wo ich dann aber nicht standhaft blieb, so dass ich jetzt doch wieder mit leeren Händen dastehe?

„Was gut ist“

„Er hat dir kundgetan, o Mensch, was gut ist; und was fordert der Herr von dir, als Recht zu üben und Güte zu lieben und demütig zu wandeln mit deinem Gott?“ (Micha 6,8).

Micha legt mit seinen Fragen den Finger in manche Wunde. Was tun? So fragte auch Micha selbst: „Womit soll ich vor den Herrn treten, mich beugen vor dem Gott der Höhe?“ (6,6). Gott antwortete mit dem oben zitierten Vers. Das ist ein Vers für jeden und für alle Lebenslagen. Ein paar Denkanstöße dazu:

  • Gott tut dem Menschen etwas kund. Nicht umgekehrt. Gott ist frei, dem Menschen etwas mitzuteilen. Das ist Souveränität. Der Mensch ist verantwortlich zu hören.
  • Er tut ihm kund, was gut ist. Er offenbart seine Gedanken. Das ist Gnade. Und er offenbart den Weg zum Guten, zum Segen (vgl. Jes 48,17). Das ist Güte. Für unseren Fall: Wenn wir Michas Finger in unseren Wunden erkennen, leitet Gott uns an, wie wir diese missliche Lage zum Guten wenden können. Lesen wir weiter:
  • Gott fordert. Das darf Er. Er stellt die Regeln auf, wir müssen sie befolgen. Das ist Autorität. Jeder Mensch untersteht ihr.

Gott fordert drei Dinge:

  • Recht üben: Es führt kein Weg daran vorbei: Wo wir falsch liegen, wo wir sündigen, müssen wir umkehren und auf den richtigen Weg zurückkehren. Alles, was Recht ist, hat Gott in seinem Wort offenbart – für Männer, Frauen, Kinder, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, für Gläubige und Ungläubige, für Ehepartner, Eltern, Großeltern, Kinder, für Lehrer, Hirten, Evangelisten, Diener, für Traurige und Fröhliche, kurz: für jeden in jeder Beziehung.
  • Güte lieben: Das zielt ab auf unsere Beziehungen zu anderen: Gott freut sich, wenn wir anderen gegenüber gütig sind. So können wir Gottes Güte zu uns genießen.
  • Demütig mit meinem Gott wandeln: Er ist mein Gott, selbst wenn ich sündige. Meine Beziehung zu Ihm muss von Demut gekennzeichnet sein. Stimmt diese, dann kann ich meinen Lebensweg (wieder neu) mit Ihm gehen.

[Dieser Artikel ist erschienen in der Zeitschrift „Folge mir nach“. Diese Zeitschrift erscheint alle 6 Wochen und ist zu beziehen bei der Christlichen Schriftenverbreitung, Hückeswagen: www.csv-verlag.de]