Dann stellt Gott sie auf die Probe, oder besser gesagt: Er fordert sie auf, Ihn zu prüfen. Bringt den durch das Gesetz vorgeschriebenen Zehnten dar, damit Speise in meinem Hause ist, und stellt mich dadurch auf die Probe! Ich verpflichte mich, wenn ihr meinem Wort gehorcht, euch die Fenster des Himmels aufzutun und Segnungen über euch auszuschütten bis zum Übermaß. Um euretwillen werde ich den schelten der eure Ernten verzehrt und vernichtet. Euer Zehnter wird euch hundertfältig eintragen (Vers10–11). So war es zur Zeit Nehemias geschehen (Neh 13,10–14). Damals hatten die Vorsteher für den Augenblick gehorcht, sodass die Leviten, denen es an allem fehlte, ihren Dienst wiederaufnehmen konnten. Dieser Zustand war aber nicht von Dauer gewesen.

Man könnte meinen, dass es zur Zeit des Herrn Jesus damit anders bestellt war; denn die Pharisäer bezahlten den Zehnten vom Anis und vom Kümmel und gingen damit noch über die Vorschriften des Gesetzes hinaus. Aber obwohl das so war, hatten sie doch „die wichtigeren Dinge des Gesetzes beiseite gelassen: das Gericht und die Barmherzigkeit und den Glauben“; diese hätten sie tun und jene nicht lassen sollen (Mt 23,23). Dazu erfüllten sie ihre religiösen Pflichten nur mit dem Ziel, die Blicke der Menschen auf sich zu lenken, ohne sich um Den zu kümmern, der den Zustand ihrer Herzen sah und beurteilte.

Das Volk geht hier nicht auf den Vorschlag Gottes ein, Ihn zu prüfen denn es hat überhaupt kein Vertrauen zu Ihm. Ist es heute unter der Herrschaft der Gnade anders? Geben die Menschen etwa gegenwärtige Vorteile im Blick auf zukünftige Segnungen auf? Nein, sie fürchten arm zu werden, wenn sie ihre Almosen nach den Gedanken Gottes gäben.

Aber müssen nicht auch wir bekennen, dass wir diese Gefühle der Welt zuweilen teilen, wenn es sich darum handelt, freigebig für die Knechte Gottes zu spenden, wie jenes Volk damals für die Ernährung der Leviten zu sorgen hatte? Ich rede hier nicht von Opfern, die wir für unsere eigene Sache oder unsere Parteien meinen bringen zu müssen, sondern von unserer Freigebigkeit überall da, wo wir Arbeiter des Herrn im Dienst an Seinem Haus beschäftigt finden. Gott allein kann uns hierin beurteilen. Geben wir Ihm alles, was wir geben sollten? Schon zu Anfang der Geschichte der Kirche wurde in dem Fall von Ananias und Sapphira deutlich, dass dies ein wunder Punkt ist. Ich denke jetzt nicht an die Tatsache, dass sie den Heiligen Geist belogen. Das war eine Sünde zum Tode und brachte das Gericht Gottes über sie. Aber darüber hinaus bewiesen sie dadurch, dass sie einen Teil ihrer Habe auf Seite brachten, ihren Mangel an Vertrauen zu einem Gott, der ihnen hundertfältig erstattet hätte, was sie für Ihn und die Seinigen getan haben würden. Wie viel mehr sollten wir mehr lernen, völlig auf diese Verheißung Gottes zu rechnen: „Ich werde euch die Fenster des Himmels auftun und euch Segen ausgießen bis zum Übermaß!“

Wahrscheinlich lassen sich viele Prüfungen, von denen die Christen heimgesucht werden, auf diesen Mangel an Gottvertrauen zurückführen. Wenn „der Fresser“ für uns nicht „gescholten“ wird, dann deshalb, weil wir nicht verstanden haben, dass Gott uns alles, was Er uns gibt, für Seinen Dienst anvertraut. Lasst uns deshalb diese Wort zuallererst auf uns selbst anwenden, bevor wir andere richten!

Gott allein kennt und beurteilt die Beweggründe unseres Handelns. Die arme Witwe legte mehr als den Zehnten in den Schatz des Tempels; sie opferte ihren ganzen Lebensunterhalt für das Haus Gottes. Die treuen Knechte, denen die Talente anvertraut wurden, verwerteten diese ganz und gar für ihren Herrn. Die ganze Frucht der Siege David kam dem Hause des HERRN zugute; er behielt nichts für sich zurück.

Die Welt rühmt sich ihrer karitativen Bemühungen, die angeblich die Solidarität der gesamten Menschheit beweisen. Wir müssen Gott die Entscheidung überlassen, was dabei für Ihn getan wird. Jeder andere Beweggrund hat keinen Wert in Seinen Augen, denn der Zehnte muss zum Tempel Gottes gebracht werden. Was uns Christen betrifft, so lasst uns darum bemüht sein, uns völlig Gott anzuvertrauen – Er wird es belohnen. Lasst uns das, was tatsächlich doch Ihm schon gehört, auch mit Freigebigkeit für Ihn verwenden. Äußerlich werden wir sicher nichts dabei verdienen. Aber wir können dennoch überzeugt sein, dass ein überreicher Segen nicht ausbleibt, wenn wir unsere Herzen Ihm hingeben. „Der Weinstock auf dem Feld wird euch nicht mehr fehltragen, spricht der HERR der Heerscharen. Und alle Nationen werden euch glücklich preisen, denn ihr werdet ein Land des Wohlgefallens sein, spricht der HERR der Heerscharen“ (Vers11–12).

Der Unglaube des Volkes, seine Gleichgültigkeit und sein Mangel an Gottvertrauen führen es zu einer letzten Behauptung, die noch viel schrecklicher ist als alle vorherigen. „Eure Worte sind trotzig gegen mich gewesen, spricht der HERR. Und ihr sprecht: Was haben wir miteinander wider dich beredet? Ihr sprecht: Vergeblich ist es, Gott zu dienen, und was für Gewinn, dass wir seiner Hut warteten, damit wir in Trauer einher gingen vor dem HERRN der Heerscharen? Und so preisen wir nun die Übermütigen glücklich: nicht nur sind die Täter der Gesetzlosigkeit aufgebaut worden, sondern sie haben auch Gott versucht und sind entronnen“ (Vers 13–15). In gewissem Sinne war das Volk unter Nehemia in der Frage des Zehnten gehorsam gewesen (Neh 13,10–14), und doch waren sie noch arm und in Knechtschaft. Aber anstatt nun einmal in sich zu gehen, empören sie sich gegen Gott. So endet die moralische Geschichte Israels, ebenso die der Welt. Sie sieht, wie der Hochmut Erfolg hat, wie die Gottlosen zu Reichtum und Ehre kommen, und beneidet deshalb nicht allein die Ungerechten (Ps 73), sondern nimmt diese Gelegenheit sogar zum Anlass, um Gott zu leugnen und Ihn zu lästern.

Ehe wir nun zu einem neuen Gegenstand übergehen, wollen wir den sittlichen Zustand des Volkes und des Priestertums, wie er durch die verschiedenen Fragen in diesen Kapiteln gekennzeichnet wird, noch einmal kurz zusammenfassen. Diese Fragen sind neun an der Zahl Sie deuten eine sträfliche Unwissenheit an, und zwar im Blick auf:

1. die Liebe Gottes (1,2);

2. das, was Ihm geziemt (1,6);

3. die Ihm darzubringende Anbetung (1,7);

4. das, was der Reinheit Seines Tisches gebührt (1,12);

5. ihre eigene Treulosigkeit (2,14);

6. die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes (2,17);

7. das, was eine wahre Bekehrung ist (3,7);

8. die Hingabe im Dienst (3,8).

9. All dies endet in offener Empörung gegen Gott, ohne dass das Volk sich derselben überhaupt bewusst ist (3,13)!1)

1) In Wahrheit sind es nur acht Fragen, da Kap.1,12 eigentlich keine Frage darstellt. Der Übersetzer.