Vers 175: Lass meine Seele leben, und sie wird dich loben; und deine Rechte mögen mir helfen!

Die weise gewordene Seele neigt sich und betet an hinsichtlich der göttlichen Pläne. Die Geschichte von Jakob ist davon ein gutes Beispiel. Am Schluss einer langen Pilgerreise, reich an Erfahrungen, sagt er: „Der Gott, der mich geweidet hat, seitdem ich bin bis auf diesen Tag, der Engel, der mich erlöst hat von allem Bösen …“ (1. Mose 48,15). Erinnern wir uns an Hebräer 11,21, wo die gleiche Begebenheit erwähnt wird: „Durch Glauben segnete Jakob sterbend jeden der Söhne Josephs und betete an über der Spitze seines Stabes.“ Vollkommen von allem losgelöst und ohne menschliche Hilfe sah er durch Glauben in Joseph die Thronbesteigung Christi in Herrlichkeit (1. Mose 49,22–26).

Vers 176: Ich bin umherrgeirrt wie ein verlorenes Schaf; suche deinen Knecht, denn ich habe deine Gebote nicht vergessen!

„Ich bin umherrgeirrt.“ – „Wir alle irrten umher wie Schafe“, sagt der Prophet Jesaja (Jesaja 53,6). Unser früherer Zustand, den wir niemals vergessen sollen, wird hier absichtlich erwähnt. Verirrt durch einen grausamen Herrn, das waren wir. „Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, wegen seiner vielen Liebe, womit er uns geliebt hat“ (Epheser 2,4), hat uns gesucht, uns gefunden, uns errettet und uns auf ein unerschütterliches Fundament gestellt: „Denn von ihm und durch ihn und für ihn sind alle Dinge; ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen“ (Römer 11,36).

Unser 8. Kapitel wird eingeleitet durch die Lehre von Paulus über die Inspiration und Nützlichkeit der heiligen Schrift. 2. Timotheus 3,17 endet mit dem Ausdruck „zu jedem guten Werk völlig geschickt“. Der erhabenste Blickwinkel jeden guten Werkes schließt den Psalm, den der Herr uns gegeben hat, um darüber zu sinnen. Es geht um Lob, ein gutes Werk, das in den Versen 164, 171, 175 erwähnt wird, und um die Verkündigung des Wortes in Vers 172. Dieses gute Werk durchläuft den ganzen Psalm, es zieht sich durch ein gottesfürchtiges Leben, dessen Quelle die Gemeinschaft mit dem Herrn ist.

Schluss

Der 119. Psalm ist unter dem alten Bund geschrieben worden, das heißt einer Haushaltung der Dunkelheit und Vorbilder. Dennoch erwähnt der Autor diese Dunkelheiten und Bilder nur in einer impliziten Art durch den Ausdruck „deine Zeugnisse“, seine Gebete waren vollkommen geistlich und rühmten das Wort Gottes in seiner Gesamtheit.

Der Gläubige aus der aktuellen Haushaltung besitzt mehr als das, was der Psalmist je besessen hat. Er hat Christus, er hat den Heiligen Geist, er hat das ganze und vollständige geschriebene Wort. Außerdem ist er zu einem Teil des Leibes Christ gemacht worden. Damit befindet er sich mit seinen Brüdern um den Tisch des Herrn außerhalb des religiösen Lagers, um aufzubauen „zu einer heiligen Priesterschaft, um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlangenehm durch Jesus Christus“ (1. Petrus 2,5).

Könnten wir doch die unerschöpflichen Reichtümer entdecken, die in diesem heiligen Buch versteckt sind, indem wir dieses lebendige Wort als Regel für unser Leben annehmen durch die Kraft des Heiligen Geistes.

Möge unser Gebet das des Psalmisten sein: „Öffne meine Augen, damit ich Wunder schaue in deinem Gesetz“ (V. 18).

(Übersetzt aus dem Französischen von Rebecca Nölle)