„Von euch ist offenbar, dass ihr ein Brief Christi seid, angefertigt durch uns im Dienst, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln des Herzens“ (2. Kor 3,3).

Der Christ ist der Brief Christi an die Menschen; er muss durch sein Verhalten den Menschen gegenüber von der Güte, der Heiligkeit Gottes und der Macht des Heiligen Geistes zeugen. Dieser Brief ist zwar oft verschmiert und fleckig, aber er muss in der Welt gesehen und gelesen werden. Die Welt nimmt die Flecken, die Schuld, sehr genau wahr – und das zu Recht.

Gott hat viele Möglichkeiten, das Herz des Menschen zu testen:

  1. Durch das Verbot, das Er dem unschuldigen Adam gab
    Adam wurde ungehorsam und dadurch kam die Sünde in die Welt.
  2. Durch das Gesetz Moses
    Das Gesetz gab der Sünde einen neuen Charakter. Die Sünde war schon unabhängig von dem Gesetz, bevor es eingeführt wurde, böse – aber das Gesetz hat ihr den besonderen Charakter des Ungehorsams und der Übertretung gegeben.
  3. Durch die Propheten
    Mit deren Ablehnung zeigten Menschen ihren Hass den Wohltaten Gottes gegenüber.
  4. Besonders durch die Gabe Seines Sohnes
    „Vielleicht werden sie sich vor diesem scheuen“, sagt Gott. Aber die Menschen sagten: „Dieser ist der Erbe; [kommt,] lasst uns ihn töten“ (Lk 20,13.14).

Gott sah, dass die Gedanken des Menschen den ganzen Tag nur böse sind, und Er wollte dies den Menschen auch erfahren lassen und ihm damit die Bosheit seines Herzens zeigen. Israel wurde durch Gnade aus Ägypten befreit, durch Gnade vor den zehn Plagen bewahrt, durch das Meer geführt, durch die Wüste geleitet, mit Manna gespeist, mit Wasser aus dem Felsen getränkt; aber anstatt an der Gnade festzuhalten, wollte es sich Gottes Gunst erkaufen durch die Verpflichtung, all die Dinge zu halten, die das Gesetz forderte, und erlebte dabei seine eigene Ohnmacht. Das Volk Israel befand sich mitten unter den anderen Völkern wie auf einem abgesonderten Gebiet in der Wüste. Das ganze Bemühen Gottes diente nur dazu, die Undankbarkeit dieses „Bodens“ zu zeigen.

Wir haben zwar Christus nicht gekreuzigt, aber wir sind auf dem gleichen Terrain wie Israel und wir würden keine anderen Früchte hervorbringen. Israel hatte, was die „geistliche Kultur“ angeht, die günstigsten Bedingungen; es brachte jedoch nichts als Dornen hervor und von Natur aus würden wir nichts anderes hervorbringen.

Wir sind folglich außerstande, zu Gott zu kommen und Ihm etwas mehr zu repräsentieren, als Israels es getan hat – und Gott muss auch uns ablehnen. Sollte Er also das einzige Wesen sein, das verpflichtet wäre, unwürdige Menschen in Seinem Haus zu empfangen, und der Himmel der einzige Ort, wo die Sünde und Befleckung ihren freien Zugang haben?

Alles, was wir sind, sind wir in Jesus, durch den wir allein Zugang zum Vater haben. Er trug unsere Sünde und Urteil und ließ sie in Seinem Grab, um in der Herrlichkeit zur Rechten Gottes zu sitzen. Allein die Tatsache, dass Gott Ihn empfangen hat, ist die Garantie dafür, dass wir durch Ihn angenommen sind. Der Tod Christi spricht von Gottes Gerechtigkeit und der Verurteilung der Sünde. Seine Aufnahme in Herrlichkeit spricht von der Annahme der Kinder des Vaters und der Miterben Christi in Gnade und Herrlichkeit.

Aus dem Vorrecht, Seine Kinder zu sein, entsteht die Pflicht, sich auch wie Kinder zu verhalten: „Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist“ (Mt 5,48). Jedes Vorrecht bringt auch eine Pflicht mit sich. Darum muss der Christ ein lebendiger Brief sein, der zu allen, auch den Gottlosen, davon spricht, was in dem Vater und bei dem Vater ist. Christus ist unser Brief und unser Empfehlungsschreiben bei Gott; wir sind ein Brief Christi, um Seine Interessen in dieser Welt zu vertreten.

Christus hat uns ein Beispiel hinterlassen, dem wir folgen sollen; in Seiner Nachfolge werden wir sehr bald merken, wie weit wir hinter Ihm zurückbleiben, und diese Erfahrung wird uns demütig erhalten.

[Übersetzt von Manuel Thomas aus: Le Messager Évangélique, 1886, S. 13]