Der Evangelist ist durch den Heiligen Geist geleitet, diesen Bericht über die zwei Sabbate einzufügen. Sehr wahrscheinlich trugen sich diese Ereignisse gerade zu diesem Zeitpunkt zu. Wenn dem so ist, dann deshalb, weil die moralische Bedeutung und das Ziel des Geistes in Lukas zusammenfällt mit der historischen Reihenfolge. Diesen Schluss können wir ziehen, wenn wir die Reihenfolge in Markus vergleichen, der sich in der Regel an die Reihenfolge der Ereignisse hält. In Matthäus dagegen werden diese Ereignisse bis zu einem viel späteren Zeitpunkt in seinem Evangelium aufbewahrt (Kap.12). Ein weiterer Umfang von Reden und Wundern werden von Matthäus eingeführt, ehe er von diesen zwei Sabbat-Tagen spricht. Der Grund dafür ist offensichtlich. Matthäus weicht hier, wie des Öfteren, von der Reihenolge der Ereignisse ab, um das lange andauernde und reichliche Zeugnis über Jesus, den Messias, zu zeigen, ehe er zu diesen Ereignissen am Sabbat kommt, welche selbst die Juden als Verachtung ihrer Sabbat-Praxis empfanden und als Missachtung des Gesetzes sahen. Hesekiel spricht vom Sabbat als Zeichen zwischen dem HERRN und Israel (Hes 20,12.20), jetzt aber sollte das verschwinden. Darum sind diese Ereignisse von großer Bedeutung. Sie werden in Matthäus berichtet, wo der Herr die nicht zu vergebende Sünde dieser Generation erklärt, am Ende des Kapitels aber auch die natürlichen Bande vorstellt und von einer neuen geistlichen Beziehung spricht, gegründet auf das Tun des Willens Seines Vaters im Himmel. Danach dann, im folgenden Kapitel, zeigt Er das Reich der Himmel und seinen Verlauf, das im Begriff stand, eingeführt zu werden – wegen des völligen Abfalls Israels und des damit verbundenen Endes jener Haushaltung.

In Markus und Lukas ist das nicht der direkte Gegenstand. Die Ereignisse werden berichtet, wie mir scheint, so wie sie vorkamen und Markus sie miteilen sollte. Trotzdem ist offensichtlich, dass ihre Erwähnung auffällig mit dem Plan in Lukas übereinstimmt. Wie wir im letzten Kapitel (1) sehen, beschreibt er das Wirken göttlicher Gnade, welche nicht Gerechte, sondern Sünder zur Buße ruft. Auch wird das Neue in Christus, dem zweiten Menschen, sich nicht mit dem Alten vermischen. Aber der Mensch bevorzugt das Alte, ganz unverhüllt, weil es seinen eigenen Gewohnheiten und seiner Selbst-Bedeutung entspricht. Gnade erhebt Gott und muss über allem stehn.

In diesem Kapitel lesen wir: „es geschah aber“, nicht am zweiten Sabbat nach dem ersten, sondern „am zweit-ersten Sabbat“ – ein sehr eigenartiger Ausdruck, der Kommentatoren und Kritiker sehr in Verlegenheit brachte. Er kommt an keiner anderen Stelle und bei keinem anderen Schreiber vor. Das Einzige, womit sich das erklären lässt, scheint der Bezug auf jüdische Gewohnheiten und ihre Feste zu sein.

Bei einer dieser Gelegenheiten (3. Mo 23,10–12) sollte die erste geschnittene Garbe vor Gott gewebt werden. Hier gehen jetzt die Jünger durch die Kornfelder. So ist die Bedeutung offensichtlich. Es war der (erste) früheste Sabbat, nachdem die Erstlingsfrüchte dargebracht worden waren. Das unterstreicht den Charakter dieser Unterweisung. Das Passah fand direkt davor statt, wie wir wissen: Das Passahlamm wurde am Vierzehnten des Monats Nisan zwischen den zwei Abenden geschlachtet. Dann folgte direkt der Tag des großen Sabbats und am Tag danach wurde die erste Korngarbe vor dem Herrn gewebt. Das war das Bild der Auferstehung Christi. Das Weizenkorn war in die Erde gefallen und gestorben, aber jetzt wieder auferstanden. So wie das Schlachten des Lammes das Bild von Seinem Tod ist, so ist die Webegarbe das Bild Seiner Auferstehung. Von dem Tag seiner Darbringung wurden sieben volle Wochen (einschließlich der enthaltenen Sabbate) gezählt und dann kam das nächste große Fest, das der Wochen. Der erste dieser Sabbate in diesen sieben Wochen, gezählt vom Tag der Webegarbe, war nicht der große Passah-Sabbat, sondern folgte in der Reihenfolge als nächster danach. Der Sabbat, der das Fest der ungesäuerten Brote nach dem Passahfest war, war der erste und der darauf folgende Sabbat war der „zweit-Erste“. Dieser Sabbat war „der zweite“ in Bezug auf jenen großen Tag, dem Passah-Sabbat, aber „erster“ von den sieben danach, die direkt darauf folgten. Daher war es der erste Sabbat-Tag nach der Webegarbe; kein wahrhaftiger Israelit hätte es gutgeheißen, von dem Korn zu essen, ehe der Herr Sein Teil erhalten hatte [und dieses Teil erhielt er am Sonntag davor].

An jenem Sabbat also, geschah es, „dass er durch die Kornfelder ging; und seine Jünger pflückten die Ähren ab und aßen sie, wobei sie sie mit den Händen zerrieben“. Das war in den östlichen Ländern, die an das Heilige Land grenzen, immer erlaubt – sicher eine verbliebene Spur der alten überlieferten Gewohnheit der Juden. Es war als „gutes Werk“ für die Hungrigen gedacht. Und die, die dem Herrn Jesus nachfolgten, befanden sich in dieser Lage! Welch ein Beweis Seiner Schmach und ihrer Not!