Die folgenden Gedanken gehen auf einen gemeinsamen Austausch unter Geschwistern über den Psalm 139 zurück. Dabei wurden auch verschiedene Betrachtungen, Aufsätze und Hilfsmittel benutzt. (Siehe Bibliographie am Ende)

Der Psalm 139 gehört sicherlich zu den bekanntesten Psalmen überhaupt. Unzählige Post- und Kalenderkarten sind mit seinem Text bedruckt. Dabei wollen allerdings die Verse 19 – 21 so gar nicht zu der vorrausgehenden Harmonie des Psalms passen.

Dieser krasse Wechsel sowie die eigentliche geistliche Entwicklung des Schreibers gehören zu den Schwierigkeiten, die sich dem Leser beim näheren Untersuchen des Psalms stellen. Was bewegte David dazu, nach dem Staunen über die Kostbarkeit der Gedanken Gottes, die sich in der Erschaffung neuen Lebens zeigt, Gott zu bitten, den Gottlosen zu töten? Welche Entwicklung, welche Struktur liegt diesem Psalm zugrunde? Weshalb wird die zu Anfang genannte Tatsache, „Du hast mich erforscht und erkannt“, am Ende noch einmal als Bitte erwähnt? Im Weiteren wollen wir versuchen, Antworten hierauf zu finden.

Einteilung und Einführung

Der Psalm enthält 24 Verse, die in vier mal sechs Verse unterteilt werden können. Ob die Zahlen vier und sechs hierbei eine symbolische Bedeutung haben, wie Grant in der Numerical Bible vermutet, überlassen wir dem Urteil der Leser.
Inhaltlich ergibt sich folgende Einteilung:
V.1–6 Die Allwissenheit Gottes
V.7–12 Die Allgegenwärtigkeit Gottes
V.13 -18 Die Allmacht / Allwirksamkeit Gottes
V.19 -24 Die Heiligkeit Gottes

Es ist nicht bekannt, wann genau David den Psalm 139 geschrieben hat. Beim Lesen erhält man jedoch den Eindruck, dass David ein gewisses Alter erreicht hat und dass er sich seiner Geringfügigkeit gegenüber Gott bewusst geworden ist.

Somit wäre der Psalm eher etwas später im Lebens David anzusiedeln. Andererseits könnte der Psalm auch zur Zeit seiner Verwerfung entstanden sein, da Feinde erwähnt werden, die ihn verfolgen – doch möglicherweise Feinde während seiner Regierungszeit.

Der Psalm kann auch als Antwort auf den letzten Vers des vorrausgegangen Psalm verstanden werden.

Der Psalmist beschreibt in dem Psalm diverse abstrakte Wahrheiten über Gott. Er beschreibt die Allwissenheit, die Allgegenwärtigkeit, die Allmacht und Heiligkeit Gottes. Doch geht es David hier nicht darum, es bei Abstraktionen zu lassen. Stattdessen haben diese Wahrheiten einen direkten Bezug zu seinem Leben, zu seinem Alltag. Wenn Gott alles weiß, dann bedeutet das, ER weiß auch alles über mich. Wenn Gott überall ist, dann ist ER auch immer bei mir.

Wenn Gott allmächtig ist, dann hat Er auch mich gemacht. Wenn Gott heilig ist, dann hat auch das Konsequenzen für mein Leben. Sind wir als Christen, die weit mehr Wahrheiten über Gott wissen als David, genauso in der Lage, diese Wahrheiten unseren Alltag beeinflussen zu lassen, in unserer Praxis Wirklichkeit sein zu lassen?

Wie so oft können und müssen wir auch bei diesem Psalm die verschiedenen möglichen Auslegungsebenen unterscheiden. Neben dem Erfassen der historischen Situation des Schreibers und der Anwendung für uns heute kann eine prophetische Linie des gläubigen jüdischen Überrestes (Anmerkung A) aufgezeigt werden. Darüber hinaus kann auch die geistliche Entwicklung eines Menschen zu Gott (Anmerkung B) gesehen werden. Ebenso kommt auch immer wieder Christus selbst in diesem Psalm zu Wort (Anmerkung C).

Soweit nicht anders angegeben, wird aus der überarbeiteten Elberfelder Übersetzung 2003 zitiert.

Erster Abschnitt V.1 -6

Vers 1: Dem Vorsänger. Von David, ein Psalm. HERR, du hast mich erforscht und erkannt (o. erforscht und kennst mich).

Zu dem Begriff „Vorsänger“ sei hier B. Peters Erklärung zu Ps 4 zitiert:
„Dem Vorsänger, lamnasseah. In 55 Psalmen wird er in der Überschrift erwähnt. (4; ...140) Das Wort menasseah ist ein Partizip piel von nasah „hervorragen, leiten, dirigieren“ (Esra 3, 8; 1. Chr 23, 4) und bedeutet zunächst nur „Leiter; Vorsteher; Aufseher“, und zwar irgendeiner Arbeit (2. Chr 2, 1. 17; 34, 12) dann besonders des Tempelgesangs (1. Chr 15, 21). Der Psalm behandelt eine Erfahrung, die David allein mit seinem Gott machte, aber hier wird die Anweisung gegeben, der Psalm solle im Gottesdienst und in der Versammlung der Gerechten gesungen werden. Das zeigt übrigens, dass Davids Erfahrungen die Erfahrungen aller sind und auch, dass David das wusste. Was er lernte, sollte dem ganzen Volk Gottes zu Stärkung und zu Lehre dienen“ (B.Peters, Das Buch der Palmen, Teil 1, S.58)

Dieser erste Vers kann auch als Überschrift oder Zusammenfassung gesehen werden. David befasst sich mit der großen Tatsache, dass der HERR ihn persönlich vollkommen erforscht und erkannt hat und stellt seine Gedanken zu diesem Thema vor.

Bemerkenswert ist die wechselnde Anrede Gottes in den einzelnen Versen. Vergl.z.B. Vers 17.19.22.

Hier beginnt David damit, sich an den HERRN zu wenden. Darin liegt eine gewisse Vertrautheit, da Gott sich immer dort als HERR (Jahwe) vorstellt, wenn es um Gottes Beziehung zu dem Menschen geht (vergl.1. Mo 2, 4; 2. Mo 3). Hier wendet sich ein Mensch an Gott, der um eine Beziehung zwischen Gott und sich weiß. Zusammen mit der Tatsache, dass David mehrmals in einen Lobpreis verfällt (V.6. 14. 17), kann man daraus sicherlich sehen, dass der Psalm nicht in Angst geschrieben wurde, sondern voll gläubiger Hoffnung. Auch der ständige Wechsel zwischen Du – mich -Du – mein – Du – mein ... zeugt von der Vertrautheit des Schreibers mit seinem Gott. Wenn auch David keine gekannte Befreiung in neutestamentlichem Sinne erfahren hatte, war er doch durch ein tiefes Vertrauen auf Gott gekennzeichnet.

Wenn er schreibt, dass Gott ihn erforscht und erkannt hat, dann meint dieses Erkennen Gottes keine empfindungsloses Zur-Kenntnisnahme. Das hebräische Wort für „erkennen“ ,„Jada“, meint keinen reinen, abstrakten Denkakt, sondern spricht immer auch von einer ganzheitlichem Beteiligung, die die praktische Umsetzung und ein dem Erkennen angemessenes Handeln einschließt.“ (Elberfelder Studienbibel, S.1655). Gott bleibt also nicht unbeteiligt.

Gott hat ein tiefes Interesse an seinen Leuten. Es bewegt ihn, was dem Gläubigen wiederfährt, wo er sich aufhält und was in seinem Inneren los ist. Er kennt jeden ganz individuell.

Nachdem der erste Vers die Tatsache des Erforschens und Erkennens als solches vorgestellt hat, zeigen die weiteren 4 Verse die verschiedenen Facetten des Erkennens auf. Die Schilderung erfolgt in einer poetischen Sprache, die etwas von dem künstlerischen und kreativen Geist Davids erkennen lässt.

V.2 Du kennst mein Sitzen und mein Aufstehen, du verstehst meine Gedanken von fern.
V.3 Du sichtest (d.h. siebst, o. prüfst, o. misst ab.) mein Wandeln und mein Liegen und bist vertraut mit allen meinen Wegen.
V.4 Denn das Wort ist noch nicht auf meiner Zunge, siehe, HERR, du weißt es ganz.

Zunächst wird ein kompletter Tagesablauf beschrieben: Das Sitzen am Morgen – vom Sitzen aufstehen – den Tag über wandeln – am Abend sich hinlegen. Vierundzwanzig Stunden registriert Gott uns. Er registriert, was wir tun, was wir nicht tun, was wir sagen und womit wir uns beschäftigen.

Zu jedem der genannten Verben können sowohl negative als auch positive Beispiele in der Bibel gefunden werden. Vergleiche z.B. Ps 1, 1 für ein negatives Beispiel und 1. Mo 5, 24 für ein positives Beispiel. Eine für alle Eltern, zum Nachdenken anregende Verbindung zwischen unseren Versen und 5. Mose 6,5–7 sei an dieser Stelle noch erwähnt.

Aber nicht nur das, was äußerlich wahrnehmbar ist, registriert Gott. Nein – auch das, was anderen Menschen verborgen bleibt, ist bei Gott aufgedeckt (Heb 4, 13). Auch unser Inneres, unsere Gedanken, das Wort auf unserer Zunge, bevor wir es aussprechen, das alles ist vor Gott nicht verborgen. David erfreut sich offensichtlich an dieser Tatsache. Können wir das auch?

Zu begreifen, Gott weiß alles, aber auch absolut alles in unserem Leben, führt zum einem dazu, dass wir uns demütigen und mit Scham an manche Situation denken, die Gott mit ansehen musste. Es führt dazu, dass uns die Gnade neu groß wird, die uns gewollt hat. Zu begreifen, Gott weiß alles, hat aber auch etwas sehr Befreiendes. Denn wenn Gott sowieso alles weiß, dann muss ich ihm auch nichts vormachen. Dann kann ich tatsächlich so sein, wie ich bin. Das ganze anstrengende Aufrechthalten der Fassade ist unnötig. Denn da ist jemand, der alle Gefühle und Empfindungen kennt. Und selbst dann, wenn ich im Gebet noch mein Wort suche, dann weiß Er es schon.

V.5 Von hinten und von vorne hast du mich eingeengt und deine Hand auf mich gelegt.

Schlachter übersetzt: „Von allen Seiten umschließt du mich und legst auf mich deine Hand.“ David kommt zu der Erkenntnis, dass Gott ihn vollkommen umgibt. Es gibt keinen Ort, keine Situation und keinen Zeitpunkt in seinem Leben, um den Gott nicht weiß. Gott umschließt ihn völlig. Und Gott legt seine Hand auf ihn. Vergleichen wir diese Aussage mit 1. Mose 48, 14, dann begreifen wir sehr gut, warum David in Vers 6 zu solch einem erstaunten Lob Gottes kommt.

V.6 Kenntnis zu wunderbar für mich, zu hoch: Ich vermag sie nicht zu erfassen (Eig. werde ihrer nicht mächtig)!

Der Gedankengang: Gott kennt mich durch und durch und trotzdem legt Er segnend (!) seine Hand auf mich. Dies übersteigt Davids Verstand. Ähnlich ruft Agur in Sprüche 30, 18 aus „ ... die zu wunderbar für mich sind,... die ich nicht erkenne...“, wenn er über den Weg eines Mannes (Christus) mit einer Jungfrau (der Gläubige, oder die irdische Braut) nachdenkt.

Wenn wir an unser Leben und den Heilsplan unseres Gottes denken, stimmen wir da diesen erstaunten Ausrufen nicht voll und ganz zu!? Können wir noch staunen über unseren Gott!?

Anmerkung A: Auch in diesem Psalm können wir den gläubigen Überrest des Volkes Israel in der Zukunft erkennen. In Psalm 138 wird die Anbetung des Überrestes beschrieben sowie das Einführen verschiedener Segnungen. Diese können aber erst kommen, nach dem Herz und Gewissen der Gläubigen erforscht sind, wovon unser Psalm spricht. In dem ersten Abschnitt lernt also auch der Überrest die Allwissenheit des Gottes Israels kennen. Und er versteht die Tatsache: ER will uns segnen.

Anmerkung B: Der natürliche Mensch, der zu Gott kommt, sieht sich mit der Tatsache der Allwissenheit Gottes konfrontiert. Er muss erkennen, dass Gott jeden Winkel seines Lebens und seiner Seele kennt. Für ihn hat das „Eingeengt sein“ durchaus etwas Bededrückendes. Das, was bei dem Gläubigen Zuversicht und Freude auslöst, löst bei dem, der Gott nicht kennt, den Gedanken an Flucht aus (V.7)

Anmerkung C: Der vollkommene Mensch Jesus Christus war sich stets der Beobachtung Gottes bewusst. Das prüfende Auge Gottes konnte aber voll Wohlgefallen auf Ihn blicken. Obwohl Gott auch Ihn durch und durch erkannte, fand Er nichts, was nicht Ihm und Seinen Anforderungen entsprochen hätte, wie in Psalm 17, 3 oder Psalm 119, 111. 112 auch schon prophetisch von dem Herrn Jesus gesagt wird.

Zweiter Abschnitt V. 7 – 12

Nachdem David die Allwissenheit Gottes auf sein Leben angewandt hat, widmet er sich nun der Allgegenwärtigkeit Gottes. Der Gedanke der Allgegenwart schließt sich logischer Weise dem der Allwissenheit an. Denn sollte ein Gott, der alles weiß, nicht auch überall sein?
V.7 Wohin sollte ich fliehen vor deinem Geist und wohin fliehen vor deinem Angesicht?

David stellt hier eine rhetorische, hypothetische Frage. Er weiß, dass es keinen Ort gibt, an dem man sich vor Gott verbergen könnte. Ebenso wie im ersten Abschnitt wird die Tatsache durch eine Reihe poetischer Aussprüche ergänzt bzw. unterstrichen. Bei dem Ausdruck „Geist“ werden wir an 1. Kor 2, 10 erinnert. Der Geist Gottes erforscht alles und ist überall. Der Geist Gottes wirkt im Leben der Menschen (vgl. Ri 3, 10; 1. Sam 11, 26; 1. Kön 1,12; 2. Mo 28,3; Ps 143, 10; Jes 63, 14 u.a.).

Seit Adam (1. Mo 3, 8) haben Menschen versucht, sich vor dem Angesicht Gottes zu verstecken. Selbst ein Jona bildete sich ein, vor Gott weglaufen zu können (Jona 1, 10). Alle Versuche blieben erfolglos. Ein Fliehen vor dem Angesicht Gottes ist nicht möglich. Gott ist immer da und Gott ist überall da. Was möglich ist, ist die bewusste Abkehr des Menschen vom Angesicht Gottes wie Kain dies getan hat (1. Mo 4, 16). Allerdings steht hier der Aspekt der Beziehung im Vordergrund, die Kain verlassen hat, und natürlich nicht, dass Gott etwa Kain nicht mehr gesehen hätte.

V.8 Führe ich auf zum Himmel: Du bist da; und bettet ich mir im Scheol: Siehe, du bist da.
V.9 Nähme ich die Flügel der Morgenröte, ließe ich mich nieder am äußersten Ende des Meeres,
V.10 auch dort würde deine Hand mich leiten und dein Rechte mich fassen.
Egal wohin sich ein Mensch wendet – nach oben (Himmel) nach unten (Scheol), ob nach Osten (Morgenröte) oder nach Westen (Meer) – Gott ist da.

Allein, weil Gott der Schöpfer ist und das Geschöpf sich nur innerhalb dieser Schöpfung bewegen kann, wird es ständig mit dem Schöpfer konfrontiert. Überall begegnet man der Schöpferhand Gottes (Jes 48, 13). Es gibt kein Entkommen. Doch auch hier löst das Nachsinnen Davids über diese Tatsache keinen Schrecken aus. Nein, er spricht von der mächtigen Hand, die ihn leiten wird. Wie oft wird David das erfahren haben. Er kannte ja Situationen, in denen er ganz nah bei Gott war, aber auch Zustände, in denen sein Leben nahe am Scheol war, Momente, wo er vor seinen Verfolgern von Osten nach Westen floh. Doch überall hat er erfahren: Gott ist da. Denken wir hier auch an den dritten Vers aus Psalm 23. Die starke Hand des Schöpfers ist für David die Hand eines Hirten, der ihn führt. Er freut sich an der Rechten, die ihn fassen würde. Dieses Fassen bedeutet für ihn Schutz, Bewahrung und Sicherheit.

Das gilt auch heute für den Gläubigen. Es gibt keine Möglichkeit an einem Ort zu sein, wo Gott nicht bei uns wäre. Niemand wird uns aus der Hand des Herrn Jesus rauben. (Joh 14, 27–29)

V.11 Und spräche ich: „Nur Finsternis möge mich umhüllen, und Nacht werde das Licht um mich her“-
V.12 auch Finsternis würde vor dir nicht verfinstern, und die Nacht würde leuchten wie der Tag, die Finsternis wäre wie das Licht.

David spricht hier nicht nur davon, dass Gott auch im Dunkeln sieht. Es ist viel mehr: für Gott gibt es überhaupt keine Finsternis. Da, wo Gott ist, ist Licht. (1. Joh 1, 5) Für Gott gibt es überhaupt keine Dunkelheit, keine Nacht. Der Mensch meint, dass die Finsternis Dinge verdecken könnte. Aber er irrt. Für Gott ist auch die Finsternis wie Licht, die Nacht wie der Tag.

Für David hat der Gedanke, im Licht Gottes zu stehen, nichts Furchterregendes. Er weiß sich geborgen in Gott.

Wie viel mehr wir, die Gott als Vater kennen. Machen wir uns aber auch immer wieder bewusst, dass Gott mit allem, was Er in sich selbst ist, mit Wohlgefallen auf uns blickt. Nicht nur Gottes Liebe und Gnade kann auf uns ruhen. Auch Seine ganze Heiligkeit und Gerechtigkeit. Gott ist mit allen seinen Eigenschaften für uns! (Röm 8, 31)

Anmerkung A: Die Erfahrung, dass man vor Gott nicht fliehen kann, muss auch der Überrest machen, bzw. teilt diese Erfahrung seiner Väter. Über hunderte von Jahren hat das Volk Israel einen Irrweg, weg vom Angesicht Gottes unternommen und muss doch am Ende erkennen: Er ist da. In alle Richtungen sind sie auseinander verstreut worden. Aus allen Richtungen wird Gott sie wieder zusammenführen (Ps 107, 3).

Anmerkung B: Die Allgegenwärtigkeit Gottes kann auch von dem natürlichen Menschen, wenn er ehrlich ist, nicht geleugnet werden. Römer 1, 20 spricht von der Verantwortung, Gott in dem Gemachten erkennen zu können. Paulus knüpft in seiner Rede auf dem Areopag (Apg 17, 27 ff.) daran an. Dieses Bewusstwerden der Allgegenwärtigkeit Gottes führt zu einem „ins Licht Gottes kommen“ (Joh 1, 9). Der Mensch erkennt, dass er zwar in der Finsternis ist, aber dass Gott Licht ist. (Eph 5, 8) Er wird dahin geführt zu begreifen: Ich muss von neuem geboren werden.

Anmerkung C: Der Herr Jesus genoss als Mensch auf dieser Erde wie kein anderer die Allgegenwart Gottes. Er als Schöpfer konnte in einzigartiger Weise ermessen, wie sehr Gott sich in der Schöpfung geoffenbart hatte. Und Er konnte auch sagen (Joh 8, 29), dass der Vater Ihn nicht allein gelassen hat und in Joh 16, 32 davon sprechen, dass der Vater bei Ihm sei.

Es darf unsere Herzen bewegen, dass Gott Ihn am Kreuz für drei Stunden verlassen musste! Der Herr Jesus kam in eine Situation, die bis dahin noch nie ein Mensch erlebt hatte. Golgatha war ein Ort, ein Moment, wo Gott nicht bei einem Menschen war. Es war der Ort, wo Gott den Herrn Jesus verlassen musste wegen unserer Sünde!

Dritter Abschnitt V.13–18

V.13 Denn du besaßest (O.bildetes (eig.kauftest )) meine Nieren; du wobest mich im Leib meiner Mutter.

Wenn Gott allwissend und allgegenwärtig ist, wird nun die Frage der Allmacht Gottes aufgegriffen. Der Schreiber weist dabei nur auf eine bestimmt Schöpfungstat Gottes hin: das Entstehen eines Kindes im Mutterleib. Indem er nur dieses eine Beispiel aufgreift, bringt er doch damit die ganze Größe, Allmacht und Herrlichkeit Gottes zum Ausdruck. Das Erwecken neuen Lebens an einem dunklen, verborgenen Ort erfordert maximale Kompetenz. Wir könnten auch sagen, wer das kann, kann alles! Das Erwähnen der Niere braucht uns nicht zu verwundern, wird sie doch im alttestamentlichen Sprachgebrauch regelmäßig erwähnt. Dazu aus dem Online Bibel – Lexikon:

Hebr. kilyah. Die Nieren und das Fett, „das an ihnen [...] ist“, wurden oft bei der Darbringung der verschiedenen Opfer auf dem Altar geräuchert (3. Mo 3,4–15; 4,9; 7,4 etc.). Sie stehen aber auch symbolisch für die inneren Gefühle und Zuneigungen (Ps 7,10; 16,7; 26,2; 73,21; 139,13; Spr 23,16; Jer 11,20; 12,2; 17,10; 20,12; Klgl 3,13; Off 2,23)

V.14 Ich preise dich dafür, dass ich auf eine erstaunliche, ausgezeichnete Weise gemacht bin. Wunderbar sind deine Werke, und meine Seele weiß es sehr wohl.

Darüber kommt David zum Preisen der Größe Gottes. Der Schwerpunkt liegt hier wohl eher auf der Art und Weise, wie Gott Leben entstehen lässt, als auf dem Gedanken des tatsächlichen Aussehens Davids. Auch wenn wir wissen, dass Gott jeden Menschen mit seinem äußerem Erscheinungsbild gemacht hat und sich jeder, besonders der Gläubige, so annehmen darf wie er von Gott gestaltet wurde.

V.15 Mein Gebein war nicht vor dir verborgen, als ich gemacht wurde im Geheimen, gewirkt wie ein Stickwerk in den untersten Örtern der Erde.
V.16 Meinen Keim (Eig. Knäuel, o. ungeformte Masse) sahen deine Augen, und in deinem Buch waren (o. wurden) sie alle eingeschrieben, die Tage, die entworfen wurden, als nicht einer von ihnen war. (O. waren sie (d.h. die Gebeine) alle eingeschrieben; während vieler Tage wurden sie gebildet, als noch nicht eins von ihnen war.)

In dem vorherigen Abschnitt wurde die Finsternis beschrieben, die für Gott aber keine ist. In dem Bild der Entstehung eines Kindes im Mutterleib werden die Gedanken der Allwissenheit und der Allgegenwärtigkeit Gottes zusammengeführt und münden in den Gedanken der Allmacht Gottes.

Die Gebärmutter ist ein Ort, der für den normalen Menschen, vor allem damaliger Zeit, absolut uneinsichtig und unerreichbar war. Ein Ort, der vergleichbar ist mit den untersten Örtern der Erde. Aber für einen Gott, der allwissend und allgegenwärtig ist, der also überall sieht und auch überall ist, gilt dies nicht. Er ist allmächtig, denn selbst dort kann er Leben entstehen lassen.

David erwähnt sowohl die inneren Organe (Niere) als auch den Bewegungsapparat (Gebeine) sowie den kompletten kleinen Menschen (Keim). Trotz aller modernen Technik, Ultraschall und anderen bildgebenden Verfahren bleibt die Entstehung eines Kindes ein Wunder Gottes, das der Mensch bis heute nur bestaunen kann und sollte. Das aus der Vereinigung zweier winziger Zellen und deren Information ein einzigartiger, absolut einmaliger Mensch entsteht, lässt etwas von der Größe und Kreativität Gottes erkennen. Doch der Mensch, der eigentlich tiefste Ehrfurcht empfinden sollte, erdreistet sich immer mehr, in die Rechte Gottes einzugreifen. Abtreibung und das Gegenteil, künstliche Befruchtung mit fragwürdigen Methoden und Indikationen sind längst Normalität. Lassen wir uns davor bewahren, diesen tausendfachen Mord als normal zu akzeptieren! Die Gnade und Langmut, die Gott durch sein Schweigen zu diesen Dingen zeigt, ist unbeschreiblich!

Und doch sehen wir auch in diesem Bereich, wie der Herr Jesus Satan mit seinen eigenen Waffen schlägt. Selbstverständlich nimmt dies nichts von der Schuld der Verantwortlichen weg, und selbstverständlich ist der Mensch grundsätzlich dazu geschaffen, um auf dieser Erde zu leben, (Ps 115, 16) aber jedes abgetriebene Kind ist auch ein Kind, das im Himmel weiterlebt. Ein vollständiger Mensch, der niemals in die Hölle kommen wird und auch einen Platz in der himmlischen Herrlichkeit einnimmt.

Lange bevor die Bildung des Menschen überhaupt stattfindet, denkt sein Schöpfer an ihn. In dem Buch Gottes sind alle seine Tage eingeschrieben. Wir müssen dieses Buch von dem Buch des Lebens (Phil 4, 3; Off 21, 17) im NT unterscheiden. Hier geht es um das Buch des natürlichen Lebens, aus dem man auch ausgelöscht werden kann, nämlich dann, wenn man stirbt. (2. Mo 32, 32.33; Ps 69, 28)

V17. Und wie kostbar sind mir deine Gedanken, o Gott (hebr.El) ! Wie gewaltig sind ihre Summen!
V.18 Wollte ich sie zählen, sie sind zahlreicher als der Sand. Ich erwache und bin noch bei dir.

Auch beim Nachsinnen über die Allmacht Gottes kommt David zum Staunen. Gottes Weisheit, die sich in der Art und Weise des Entstehens eines neuen Menschen manifestiert, bewegt ihn zur Anbetung. Er vergleicht die Summe der Gedanken Gottes mit dem Sand des Meeres. Ein im Alten Testament häufig gebrauchtest Bild, um etwas Unzählbares auszudrücken (Ri 7, 12; 2. Sam 17, 11). Bemerkenswert ist noch die Verbindung zu 1. Kön 4, 29, wo die Weisheit Salomons auch mit der Unzählbarkeit der Sandkörner am Meer verglichen wird.

Selbst wenn David über das Zählen der Gedanken Gottes einschlief, wenn er wieder erwachte, wäre er immer noch dabei die Größe Gottes zu erfassen und käme doch nie zum Ende. In der Fußnote der Elberfelder Studienbibel heißt es: „Wäre ich zu Ende gekommen, ich wäre immer noch bei Dir.“ Was die Aussage, die David hier trifft, vielleicht noch etwas besser verdeutlich.

Anhang A: Ebenso wie David von der Allmacht Gottes staunend ergriffen ist, wird es dem Überrest ergehen. Die Allmacht Gottes wird sich darin zeigen, dass er ein zerstreutes Volk wieder sammeln wird. Dieser Prozess wird in der Bibel auch mit einer Geburt verglichen (Mt 24, 9) Ebenso könnte das hier beschriebene Bild auf die nationale Wiedergeburt Israels hinweisen (Jer 31, 33; Hes 36, 25ff). Gleich wie Paulus am Ende von Römer 11 in einen Lobpreis einstimmt, über die Weisheit Gottes in den Wegen mit Israel, staunt hier der Überrest über die Allwissenheit, die Allgegenwärtigkeit und Allmacht Gottes, die sich auch in der Widerherstellung seines irdischen Volkes offenbart. Auch dieses Volk wird einmal erwachen und feststellen: Gott, du bist da!

Anhang B: Wenn ein Mensch mit der Allwissenheit und Allgegenwärtigkeit Gottes in Berührung kommt, wenn er erkannt hat: „Ich kann nicht fliehen vor Gott. Ich befinde mich in der Dunkelheit (V.12) aber selbst da erkennt mich Gott, selbst dort holt er mich ein“, dann begreift er auch die Notwendigkeit der Wiedergeburt. Er braucht neues Leben. Leben aus Gott. Und Gott ist in der Lage, ihm neues Leben zu schenken (1. Pet 1, 3). An einem moralisch dunklen und unerreichbaren Ort (die von Gott entfremdete Erde) lässt Gott neues Leben entstehen. Da, wo der Mensch alles verderbt hat, gibt Gott ihm Leben in einer unvorstellbaren Qualität. Darüber kann der Gläubige nur staunend anbeten und demütig zur Kenntnis nehmen: Seine Gedanken sind zu hoch!

Vergleicht man Vers 18 mit der Zusage, die Abraham in 1. Mose 22, 17 bekommt, sowie mit Gal 3, 8 + 14, dann kann man die Anwendung machen, dass letztlich jeder Gläubige ein Gedanke Gottes ist. An jeden Gläubigen hat Gott bewusst gedacht.

Im Licht des NT können wir in der Aussage von V.16 an die freie Auswahl der Gnade denken, die Gott vor Grundlegung der Welt getroffen hat (Eph 1, 4). Gott hat nicht nur unseren Leib, lange bevor er gebildet wurde, gesehen und erdacht, Er hat uns auch in der Ewigkeit schon in seinem Sohn auserwählt, damit wir einmal diesem Sohn gleichförmig sein sollten (Röm 8, 29). Wenn wir schon an die Gabe des ewigen Lebens gedacht haben, dann ist in V.18 auch noch der Hinweis auf die Art des ewigen Lebens. Es ist das Auferstehungsleben des Herrn Jesus selber.

Anhang C: Auch in diesen Abschnitt kann man die Stimme des Herrn Jesus hören. Wir zitieren hier aus einem Artikel in FMN 2010:

„Ein zweiter Punkt, den ich zu diesem Vers erwähnen möchte, ist, dass diese Stelle auch von Christus spricht. Wir weichen jetzt ein wenig von der Hauptlinie ab, erweitern den Gedanken und wollen ihn ganz bewusst aus der Sicht des Neuen Testamentes betrachten. Hebräer 10,5 spricht, dass Gott den Leib des Herrn bereitet hat. So kann man sich vorstellen, dass es – in aller Ehrfurcht gesagt – keinen Leib gab, der mit größerer Präzision gebildet war als dieser Leib, der Leib des Sohnes der Jungfrau. Dieser Leib des Kindes, von dem geschrieben steht: „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn uns gegeben“ (Jes 9,5). Das war einmalig!

Der Sohn Gottes wurde geboren! Warum? Nur um zu sterben. Das ist der Grund, der in Hebräer 2,14 genannt wird, warum der Herr Fleisch und Blut annahm. Diesen Gedanken greift das Wort Gottes in Hebräer 10 auf, wenn wir von dem Opfer seines Leibes lesen. Stellen wir uns das vor: Dieser wunderbar gebildete Leib wird dann wieder geopfert. Das waren eben die Pläne Gottes, dass Er dieses Kind von Zion kommen ließ, dieses wunderbare Kind, dieses vom Anfang bis zum Ende gehorsame Kind. Es wuchs heran und war das Objekt des Hasses und der Verachtung seiner Zeitgenossen und schließlich auch das Objekt der Schläge seiner Zeitgenossen, der gleichen Kategorie von Menschen, die so wunderbar gemacht waren, wie Psalm 139 das erwähnt. Kleine Menschen wurden „groß“ und entwickelten sich zu Feinden des Herrn. Noch schlimmer: Sie benahmen sich wie Tiere, nicht mehr wie Menschen. Man kann als Säugling noch so schön aussehen, aber das schützt nicht davor, dass man sich wie die Tiere benehmen kann, wie es auch Psalm 22 ganz klar sagt. Dieser kostbare Leib unseres Herrn bedeutete diesen Menschen überhaupt nichts. Vielleicht denken wir auch einmal über Ihn und seinen Leib nach, wenn wir diese Stelle vor uns haben.“ (Sander, K.; 2010 in FMN; Heft 7, S.25)

Vierter Abschnitt V.19 – 24

Dieser vierte Abschnitt wird nun eingeleitet durch den vorerst abrupt erscheinenden Wechsel der Sprache des Psalms.

V. 19 Möchtest du, o Gott (Hebr. Eloah), den Gottlosen töten! Und ihr Blutmenschen weicht von mir!

Was bewegt David dazu, nachdem er sich mit der Allwissenheit, Allgegenwärtigkeit und Allmacht Gottes beschäftigt hat, nun solch einen Wunsch nach Vergeltung zu äußern? Als erstes gilt es sich klar zu machen, dass wir uns hier auf alttestamentlichem Boden befinden. Das heißt, der Wunsch nach Vergeltung und nach Rache war nichts Unübliches oder Ungewöhnliches.

Es scheint genauso wie in V.14 zu sein, wo sich David daran erfreut wie er erschaffen wurde, jedoch nicht um sich selbst zu schmeicheln sondern um Gott die Ehre zu geben. Es geht David hier nicht so sehr darum, dass er gerettet wird, sondern um die Ehre Gottes. Ein Angriff auf David, den Gesalbten der HERRN (2. Sam 22, 51), war ein Angriff auf Gott selbst.

David wird sich der Heiligkeit Gottes bewusst und je mehr er sich mit Gott selbst und seinen Wesenheiten befasst hat, desto mehr hat sich sein Denken und sein Empfinden dem Denken und Empfinden Gottes angeglichen. Die weiteren Verse bestätigen diese Beobachtung.

V. 20 Sie, die dich nennen zum Verbrechen (Eig. Anschlag), die zu Eitlem (O. zur Lüge (vergl.2. Mose 20, 7)) schwören, deine Feinde.
V.21 Hasse ich nicht HERR, die dich hassen, und verabscheue ich nicht (O. sollte ich nicht hassen ... verabscheuen), die gegen dich aufstehen?
V.22 Mit vollkommenem Hass hasse ich sie; sie sind Feinde für mich.

Für jemanden, der sich gegen solch einen wunderbaren Gott, wie er in den Versen 1–17 beschrieben wird, auflehnt, hat David nur Hass übrig.

Wir wissen, dass wir im NT aufgefordert werden, unsere Feinde zu lieben (Mt 5, 44). Die Empfindungen und Wünsche, die David hier hat, können wir so nicht teilen. Was wir aber als Beispiel für uns gelten lassen können, ist der Eifer um die Ehre Gottes und der Abscheu vor der Sünde, den David hier an den Tag legt. Eine weitere Anwendung für unsere heutige Zeit kann vielleicht darin bestehen, dass wir lernen, Sünde beim Namen nennen. Auch bei anderen. Wenn wir dies allerdings tun, dann sollte dies in einer Gesinnung geschehen, die im nächsten Vers geschildert wird.

V. 23 Erforsche mich, Gott (Hebr. El ), und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne meine Gedanken!
V.24 Und sieh, ob ein Weg der Mühsal (Eig. des Schmerzes (d.h., der zum Schmerz führt)) bei mir ist, und leitet mich auf ewigem Weg!

Wenn David sich mit dem Bösen um ihm herum beschäftigt hat, dann ist ihm aber auch sofort klar, dass auch er ein sündiges Herz hat. (Ps 51, 7) Und obwohl er sich zuversichtlich an der Gemeinschaft mit Gott erfreut, hält er es doch für möglich, dass etwas in seinem Leben ist, was einem Weg der Mühsal gleicht. Also etwas, das Gott keine Freude bereitet. Und er bittet Gott, dass, wenn etwas dergleichen bei ihm vorhanden sei, Gott ihm dies doch zeigen möge (vergl. Ps 19, 12).

Wie bereits eingangs erwähnt, ist der Wechsel der Anreden Gottes hier bemerkenswert. Wenn es um die Feinde Gottes geht, spricht David von einem Mächtigen, der Furcht einflößt, ( -> Elohim ), wenn er Gott darum bittet, ihn zu prüfen, wendet er sich an den Starken ( -> El ). Im Gegensatz zu seinen Feinden hat David auch einen starken Gott, aber keinen Gott, vor dem er sich fürchtet (im Sinn von Angst haben).

Auch der Gläubige heute darf hier von David lernen. Wenn David darum bittet, dass Gott ihn erkennen soll, dann tut er das mit einem zusätzlichen Gedanken. Gott soll ihn erkennen mit dem Effekt, dass David sich selbst immer mehr mit den Augen Gottes sieht. Denn so wird Gott ihn auf ewigem Weg, das meint einen Gott gemäßen Lebenswandel, leiten. Das hebräische Wort „derek“ bedeutet im AT „Weg“ (z. B. Ps 50, 23) oder „Wandel“ bzw. „wandeln“ (z. B. Ps 37, 14).

Der ewige Weg steht hier im Kontrast zu dem Weg der Mühsal. Es gibt nur zwei Wege, die wir gehen können. Entweder einen Weg von Gott geleitet, im ständigen Selbstgericht. Oder einen Weg, bei dem wir Sünde in unserem Leben tolerieren. Aber das wird immer ein Weg des Unbehagens, ein Weg der Mühsal sein.

Der Gläubige der Gnadenzeit darf hier auf der Erde einen Lebenswandel führen, dessen Ursprung in dem Herrn Jesus selbst zu finden ist (Kol 3, 3). Er darf ewiges Leben in all seinen Facetten besitzen. Er kann in der Kraft und Qualität dieses Lebens seinen Weg hier auf der Erde gehen. Gott, der Heilige Geist, will ihm dabei Leitung geben.

Der Psalmist David hat sich in dem Psalm 139, durch den Heiligen Geist geleitet, mit der Allwissenheit, der Allgegenwärtigkeit, der Allmacht und der Heiligkeit Gottes beschäftigt. Alle Eigenschaften Gottes sind für ihn dabei keine Theorie geblieben sondern haben direkten Bezug zu seinem alltäglichen Leben. Und am Ende bittet David voller Zuversicht diesen ewigen unfassbaren Gott, dass er ihn erkennen soll, damit David von Gott geleitet einen Lebenswandel führt, der seine Fortsetzung in der Ewigkeit bei Gott findet.

Anhang A: Auch der gläubige Überrest wird sich der Heiligkeit Gottes bewusst. Für ihn wird der Ruf nach Rache völlig mit Gottes Gedanken übereinstimmen. Er hat vieles von Seiten der Feinde Gottes durchleiden müssen. Während dieser Periode wird es viele Menschen geben, die öffentlich gegen Gott aufstehen und buchstäblich Krieg gegen den Messias führen. (V.21; Off 17,4)

Aber auch der Überrest muss einen Weg der Prüfung und des Selbstgerichts gehen, um dann in die Segnungen des Reiches eingeführt zu werden.

Anhang B: Hat der Mensch durch die Güte Gottes neues Leben empfangen, beginnt dieses Leben Früchte zu bringen. Das zeigt sich einmal der Sünde der Umwelt gegenüber. Es ist ein Empfinden da, wie weit sich die Menschheit von Gott entfernt hat und wie der Mensch immer mehr gegen Gott aufbegehrt.

Es ist aber auch ein Verurteilen des eigenen Fleisches. Der Geist begehrt wider das Fleisch (Gal 5, 17). Genauso ist jetzt der Wusch da, sich selbst immer mehr mit den Augen Gottes zu sehen. Kraft des Heiligen Geistes kann jetzt ein Lebenswandel in Gemeinschaft mit Gott geführt werden.

Anhang C: Der Herr Jesus teilte als Mensch vollkommen die Empfindungen Gottes. Wie sehr hasste er das Böse. Wenngleich seine Botschaft eine Botschaft der Gnade war und Gott in Christus die Welt mit sich selbst versöhnend zu den Menschen kam (2. Kor 5, 19), so tolerierte der Herr Jesus doch niemals Sünde oder Gottlosigkeit. Und derselbe Jesus von Nazareth der in Demut vor 2000 Jahren seinen Weg hier über diese Erde gegangen ist wird einmal als Richter wiederkommen. (Joh 5,22; Apg 10,42)

Besonders in den letzten zwei Versen fällt es leicht die Stimmte des Herrn Jesus zu hören, der sich an seinen Gott wendet. Er konnte sich ganz und gar dem prüfenden Auge Gottes stellen und, im Gegensatz zu Hiob (Hiob 23, 10) tatsächlich wie Gold aus der „Prüfung“ hervorgehen. Bei ihm war kein Weg der Mühsal zu finden und sein Wunsch war einzig und allein auf dem ewigen Weg zu wandeln. Dürfen wir bei dieser Formulierung, wenn wir diesen Vers auf Christus beziehen nicht auch daran denken, dass sein Weg in der Ewigkeit bereits beschlossen wurde und er kam um genau diesen Weg des Gehorsames und der Verherrlichung Gottes zu gehen

Bibliographie:

Darby,J.: Praktische Betrachtungen über die Psalmen
Elberfelder Studienbibel
Grant, F.: Numerical Bible Psalms
Groberty, P.: Was sagen uns die Psalmen
Heijkoop, H.L.: Aus dem Wort der Wahrheit; Band 3
Peters, B.: Das Buch der Psalme; Teil 1
Rossier, H.: in Halte Fest 1965
Sander, K.: in FMN 2010