Wir alle glauben, dass das Kreuz von Golgatha die einzige Grundlage der Vergebung der Sünden ist. Dem Sünder, der an den Herrn Jesus glaubt, wird aber niemals gesagt: „Alle deine Sünden wurden vergeben, als das Blut des Herrn am Kreuz vergossen wurde.“ Die göttliche Ordnung ist wohl die, dass Christus die Sünde am Kreuz „hinwegtat“, dass uns aber vergeben wird, wenn wir glauben und nicht bereits vor fast 2000 Jahren. „Jetzt aber ist er einmal in der Vollendung der Zeitalter offenbart worden zur Abschaffung der Sünde durch sein Opfer“ (Heb 9,26). Dem größten Sünder, der in Reue und Buße zu Seinen Füßen liegt, sagt der Herr: „Deine Sünden sind vergeben.“ So wissen wir, dass die Sünde am Kreuz den Ansprüchen der göttlichen Herrlichkeit gemäß hinweggetan wurde. Deswegen vermag der Vater nun dem „verlorenen Sohn“ entgegenzueilen, ihn mit dem Kuss der Versöhnung in die Arme zu schließen, mit dem besten Gewand zu bekleiden und ihn mit dem Ring Seiner ewigen Liebe zu versiegeln.

Andererseits aber müssen wir zurückblicken, wenn wir unsere Sünden hinweggetan sehen wollen. Nirgendwo wird gesagt, dass der Herr sie von unseren Herzen hinwegtut; sie wurden am Kreuz hinweggetan. Diejenigen, welche in ihre Herzen blicken anstatt auf das Kreuz, um ihre Sünden hinweggenommen zu sehen, werden bitter enttäuscht sein. Wir wissen nur, dass unsere Sünden auf dem Kreuz hinweggetan, „abgeschafft“ wurden und dass sie vergeben werden, wenn wir glauben. Das Wort des Herrn ist die einzige Grundlage der vollen Überzeugung des Glaubens. Wie schriftgemäß auch unsere Erfahrung sein mag, wir können auf sie nicht bauen. Gottes Wort ist der einzige Ruheplatz der Seele.

Daher sollten die Gläubigen sicherlich nicht die Gewohnheit haben – auf keinen Fall öffentlich –, Gott um die Vergebung ihrer Sünden zu bitten. Es würde Unglauben ausdrücken, da sie sich ja nicht mehr in der Stellung von Sündern vor Gott befinden, sondern in der von Kindern vor dem Vater. Wenn ein Sünder sich bekehrt – von neuem geboren wird –, wechselt er den Boden. Er verlässt, und zwar für immer, den Boden des natürlichen Menschen und steht fortan auf dem neuen Boden des ewigen Lebens und des Heils. Es würde daher unentschuldbaren Unglauben bedeuten, wollte er zu dem alten Boden zurückkehren und Gottes gnädiges Werk der neuen Geburt missachten.

Der Herr sagt in Johannes 5,24: „Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod in das Leben übergegangen.“ Und der Apostel Paulus schreibt den Galatern in Kapitel 3,26: „Denn ihr alle seid Söhne Gottes durch den Glauben an Jesus Christus.“ Wenn also die Gläubigen nicht als Sünder um Vergebung bitten, so bekennen sie als Kinder, den Gedanken des Herrn entsprechend, ihre Verfehlungen. „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit“ (1. Joh 1,9). Hier wird nicht gesagt, dass Gott gnädig und barmherzig sein will, uns zu vergeben, wenn wir Ihn darum bitten, sondern dass Er treu und gerecht ist, uns die Sünden zu vergeben, wenn wir sie Ihm bekennen. Das heißt, Er ist Christus gegenüber treu und gerecht, der für uns starb, unsere Sünden am Kreuz hinwegtat und Dessen Blut auf den „Gnadenstuhl“ gesprengt ist, um gleichsam immer vor den Augen Gottes zu bleiben. Im Licht dieses Textes können wir unsere Sünden nicht aufrichtig und rückhaltlos genug bekennen. Wir tun dies im tiefen Bewusstsein dessen, was wir angesichts dieses Blutes sind, das zur Tilgung unserer Sünden vergossen wurde, und dass wir für immer Kinder Gottes sind, seiner Heiligkeit entsprechend. Es ist viel herzerforschender für ein Kind, die Einzelheiten seiner Verfehlungen zu bekennen, als nur – vielleicht gedankenlos – um Vergebung zu bitten.

Glücklich der Christ, der zufrieden ist, im Licht dieser Wahrheit zu wandeln, auch wenn er vielleicht missverstanden wird, von dem der Herr aber anerkennend sagen wird: „Du hast mein Wort bewahrt“ (Off 3,8).

[Übersetzt aus „Bible Treasury 1879“]