Wir kommen jetzt zu dem zweiten Teil unseres Themas im ersten Teil des Römerbriefes, nämlich zur Natur des Menschen.

Das Gewissen eines Menschen sagt ihm, dass er etwas Falsches tut, es ist die innere Stimme, die über Richtig und Falsch spricht. Selbst die Heiden haben diese Kerze in sich, deren flackerndes Licht mehr oder weniger deutlich in jeder menschlichen Brust leuchtet. Doch das Gewissen ist kein absoluter Maßstab in Bezug auf Richtig oder Falsch. Es unterscheidet zwar im Inneren zwischen Gut und Böse und deckt unsere Werke auf, aber niemals offenbart es dem Menschen, wie seine Natur beschaffen ist. Dies offenbart allein das Licht des Wortes Gottes. In dem unwandelbaren Licht von Gottes eigener Wahrheit lernen wir, was wir sind und was unsere Natur ist.

Wenn ein Mensch wissen könnte, was er in sich selbst aus der Sicht Gottes ist, ohne die Gnade Gottes zu kennen, würde das in äußerster Verzweiflung enden, denn Gott ist Licht und gar keine Finsternis ist in Ihm (1. Joh 1,5); während der Mensch von Natur von der Nacht und von der Finsternis ist (1. Thes 5,5). Gott verändert sich nicht: „Ich, der Herr, ich verändere mich nicht“ (Mal 3,6). Und der Mensch kann seine Natur nicht verändern: „Kann ein Äthiopier seine Haut wandeln, ein Leopard seine Flecken?“ (Jer 13,23).

Das Evangelium Gottes bietet nicht an, die Natur des Menschen zu entwickeln, zu reformieren oder zu kultivieren; im Gegenteil, Gott betrachtet sie als eine wertlose Sache. Der Gärtner kultiviert nicht den wilden Apfelbaum, sondern pfropft einen süßen Apfeltrieb hinein. Und mit seinem Messer schneidet er den Stamm des alten Baumes zurück. Gott gestattet der alten Natur keinen Platz in seiner Gegenwart, sondern bringt stattdessen Christus, das Leben, hinein.

Das Ergebnis einer Kultivierung unserer alten Natur ist Kummer. Und doch erleben wir manchmal, dass selbst betagte Gläubige versuchen, etwas Reines aus etwas Unreinem hervorzubringen, in dem Bemühen, nach einem langen Leben der religiösen Enttäuschung, sich selbst in einen Zustand zu bringen, der passend ist für die Gegenwart Gottes. Und vielleicht sehen sie in Christus ein Mittel, um dies zu erreichen.

Vor ein paar Jahren hatte eine unerfahrene Hand einen Rosenstamm über ein Vordach wachsen lassen. Die Blätter der Rose waren grün, und sie zeigte ein starkes Wachstum, aber sie hatte keine einzige Blüte. „Wie kommt das?“, fragte der Hausherr einen erfahrenen Gärtner. Der Gärtner antwortete nicht mit Worten, sondern nahm seine Gartenschere und kürzte das üppige Wachstum kurzerhand bis auf den Boden. „Was haben Sie getan?“, rief der Hausherr. „Sehen Sie nicht, Sir“, war die Antwort, „dass Ihr Gärtner den falschen Trieb kultiviert hat?“ Er zeigte auf die veredelte Rose, die sich mühsam 5 cm über dem Boden durchgekämpft hatte und die von dem wilden Trieb total überwuchert war. Wenige Monate später trieb die nun von dem behindernden Wachstum des falschen Triebs befreite Edelrose kraftvoll aus und schmückte das Vordach mit ihrer ganzen Pracht; und da lebt sie nun, ein Gleichnis von himmlischen Dingen.

Keine Kultivierung oder Erziehung dieser Welt konnte aus dem falschen Trieb einen schönen und blühenden Baum machen; genauso wenig werden die Anstrengungen eines ganzen Lebens ausreichen, um unseren alten Menschen Christus gleich zu machen oder fruchtbar für Gott. Gott hat in dem Kreuz Christi unsere Natur verurteilt, Er hat sie richterlich zurückgeschnitten. Und nie wird eine Frucht an ihr wachsen, die Gott entspricht. Die praktische Ermahnung an solche Christen, die versuchen, aus sich selbst heraus Frucht zu bringen, die für Gott annehmbar ist, lautet also: „Kultiviere nicht den falschen Trieb!“

Leider rühmen sich so viele darin, was der Mensch in sich selbst ist, und so wenige glauben daran, was Gott über die Natur des Menschen sagt. Manche glauben in dem flackernden Licht des Gewissens Funken des Lebens zu erkennen, das in den Menschen nach dem Sündenfall verblieben sei. Manche meinen, dass in den Sinnen, mit denen der Mensch die Äußerlichkeiten von Religion genießen kann, der Keim des Lebens läge. Wieder andere argumentieren, dass das Leben im Verstand zu finden sei. Gott sagt, dass nicht nur die Frucht des Baumes verdorben ist, sondern dass der Baum selbst böse ist.

Der letzte Teil von Römer 5 behandelt unsere Natur und dort finden wir fünf göttliche Zeugnisse über den Zustand des Menschen. Dem stellen wir fünf Sichtweisen der Gnade Gottes gegenüber, die dem Menschen in seinem verlorenen Zustand zuströmt, denn „wo die Sünde überströmend geworden ist, ist die Gnade noch überreichlicher geworden“ (Röm 5,20).

Ruin

1. (Röm 5,12) Die Sünde ist in die Welt gebracht und durch die Sünde der Tod: durch einen Menschen – Adam.

2. (Röm 5,15) Viele sind tot oder sind gestorben: durch die Übertretung eines Menschen – Adam.

Gnade

1a. (Röm 5,15b) Die Gnade Gottes wird dem Menschen gebracht: durch einen Menschen – Christus.

2a. (Röm 5,15) Die freie Gabe der Gnade ist zu den Vielen überströmend geworden: durch einen Menschen – Jesus Chrisus.

Sündigkeit

3. (Röm 5,18) Die ehemalige, rechtmäßige Stellung vor Gott – „zur Verdammnis“: durch die eine Übertretung Adams.

4. (Röm 5,19) Viele in die Stellung von Sündern gesetzt: durch den Ungehorsam des einen Menschen – Adam.

Gerechtigkeit

3a. (Röm 5,18) Die neue rechtmäßige Stellung vor Gott – „Rechtfertigung des Lebens“: durch die eine Gerechtigkeit Christi.

4a. (Röm 5,19) Viele in die Stellung von Gerechten gesetzt: durch den Gehorsam des einen Menschen – Christus.

Tod

5. (Röm 5,21) Die Gnade herrschte im Tod: eingeführt durch einen Menschen – Adam.

Leben

5a. (Röm 5,21) Die Gnade herrscht zu ewigem Leben: eingeführt durch einen Menschen – Jesus Christus.