In Psalm 46 werden uns zwei Wahrheiten vorgestellt, die für Gläubige jeder Haushaltung von großer praktischer Bedeutung sind. Erstens: Angesichts der Umwälzungen und Konflikte einer gottlosen Welt werden wir daran erinnert, dass Gott eine Hilfe ist, „reichlich gefunden in Drangsalen“ (V. 2). Zweitens: Wenn wir diese reichlich vorhandene Hilfe Gottes erkennen und in Anspruch nehmen wollen, müssen wir „ablassen“ (o. „ruhig sein“) und erkennen, dass Er Gott ist (V. 11). Nur durch den Glauben haben wir Zugang zu dieser Wahrheit. Das Fleisch stützt sich auf den Arm des Fleisches; doch das Fleisch kann weder Gott vertrauen noch „ablassen“ und Gott das Handeln überlassen.

Vers 2 stellt uns das Hauptthema des Psalms vor: Gott ist unsere Zuflucht, Stärke und reichlich zu findende Hilfe in Drangsalen. Die Verse 3 und 4 beschreiben die Probleme und Wirren der Welt, durch die wir gehen. In den Versen 5 bis 12 finden wir die Mittel, mit denen Gott den Glauben Seines Volkes stärkt, damit sie fähig sind, „ruhig zu sein“ und zu erkennen, dass Gott „eine Hilfe ist, reichlich gefunden in Drangsalen“.

Vers 2: Wir sollten das kleine Wörtchen „uns“ im zweiten Vers beachten. Es ist wahr, dass Gott eine Zuflucht ist, aber die Gläubigen dürfen sagen: „Gott ist unsere Zuflucht.“ Die Welt hat solche, von denen sie in Zeiten der Drangsal Schutz und Leitung erwartet. Die Gläubigen finden in Gott ihre Zuflucht vor den Stürmen und Drangsalen des Lebens. Darüber hinaus ist Gott unsere „Stärke“ in Schwachheit und „eine Hilfe, reichlich gefunden in Drangsalen“.

Damit wir erkennen, dass Gott eine reichlich vorhandene Hilfe ist, muss der Glaube aktiv werden, denn Gottes Hilfe ist nicht immer sofort sichtbar. Manchmal müssen wir darauf warten, dass sich Seine Hilfe offenbart. Unser natürliches Bestreben ist es, uns selbst durch eigene Anstrengungen aus einer Not zu befreien, und Gott lässt uns, zu unserem Segen, vielleicht so lange warten, bis wir gelernt haben, dass wir absolut keine Kraft haben, der Prüfung zu begegnen, und dass uns nichts übrig bleibt, als ruhig zu sein und zu erkennen, dass Er Gott ist.

Handelte der Herr so nicht auch mit Martha und Maria, als ihr Bruder krank war? Sie machten sich große Sorgen und in ihrer Not war der Herr ihre Zuflucht. Sie wandten sich zu Recht an Ihn und schütteten ihre Not vor Ihm aus. Sie sagten: „Der, den du lieb hast, ist krank.“ Die Hilfe des Herrn war wirklich vorhanden, obwohl sie sich nicht sofort zeigte. Nachdem Er die dringende Bitte der Schwestern gehört hatte, lesen wir: „[Er] blieb noch zwei Tage an dem Ort, wo er war“ (Joh 11,3.6). Er tat scheinbar nichts. Er wartete, bis der Tod alle Hoffnung auf menschliche Anstrengungen zunichtegemacht hatte und den beiden Schwestern nichts mehr übrig blieb, als ruhig zu sein und zu erkennen, dass Er Gott ist.

Das war wirklich eine Glaubensprüfung. Marthas Glaube reichte nicht, um „still“ dazusitzen, denn wir lesen: „Martha nun, als sie hörte, dass Jesus komme, ging ihm entgegen. Maria aber saß im Haus“ (V. 20).

Dann sehen wir, wie gnädig sich der Herr Martha als eine reichlich gefundene Hilfe in Drangsalen offenbart. Martha sagt: „Ich weiß, dass er auferstehen wird in der Auferstehung am letzten Tag.“ Der Herr antwortet: „Ich bin die Auferstehung“ (V. 24.25). Dann wandern Marthas Gedanken zu dem zurück, was über den Herrn in vergangenen Zeiten beschlossen war, denn sie sagt: „Ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll“ (V. 27). Sie glaubte an die großen Dinge, die der Herr in kommenden Tagen tun würde; sie glaubte auch an den Herrn in Verbindung mit allen Ratschlüssen Gottes vergangener Zeiten, aber ihr Glaube war nicht stark genug, um still zu sein und an den Herrn als den großen „Ich bin“

- die gegenwärtige Hilfe, reichlich gefunden in Drangsalen – zu glauben.

Müssen wir nicht zugeben, dass das auch allzu oft unser Problem ist? Wir glauben an die Macht Gottes, die Er in vergangenen Zeiten offenbart hat, und dass sich Seine Macht auch in kommenden Tagen offenbaren wird, aber wir können nicht glauben, dass Gott eine so gegenwärtige Hilfe ist, dass wir ruhig sein und warten können, bis sich Seine Hilfe offenbart.

Verse 3 und 4: Der dritte und der vierte Vers beschreiben die Drangsal, die eine „Zuflucht“ nötig macht, „Stärke“ erfordert und „Hilfe“ nötig macht. Die Welt, in der sich der Gottesfürchtige befindet, ist in Aufruhr und im Umbruch. Die Wasser toben und die Berge im Meer erzittern aufgrund des Sturms. In der Schrift werden das Meer und seine Ruhelosigkeit oft als Symbol für die Nationen in einem Zustand des Aufruhrs verwendet (vgl. Jes 5,30). Hören wir nicht auch heute das Toben der Wasser, wenn wir überall in der Welt sehen, wie Nationen sich erheben, rebellieren und sich in Konflikten befinden? Alte Ordnungen und etablierte Regierungsformen, die so fest wie Berge erschienen, werden von einer Welle der Gewalt und der zunehmenden Verdorbenheit des Menschen überrollt. Kein Wunder, dass „die Menschen vergehen vor Furcht und Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen“ (Lk 21,26). Doch der Psalmist sagt: „Darum werden wir uns nicht fürchten“, denn „Gott ist uns Zuflucht und Stärke, eine Hilfe, reichlich gefunden in Drangsalen“.

Worin liegt denn das Geheimnis der Stärke des Volkes Gottes, wodurch sie ohne Furcht durch diese erschreckenden Zustände der Welt gehen können und die sie angesichts von Veränderung und Aufruhr befähigt, ruhig zu sein und zu erkennen, dass Gott eine Hilfe ist, „reichlich gefunden in Drangsalen“?

Verse 5 bis 7: Erstens stärkt Gott den Glauben Seines Volkes, indem Er vor ihnen das Geheimnis Seines Vorsatzes entfaltet. An dieser Stelle wird uns der Vorsatz Gottes in dem Strom und in der Stadt Gottes vorgestellt: „Ein Strom

- seine Bäche erfreuen die Stadt Gottes.“

Durch alle Zeiten hindurch

- mit ihren Veränderungen, Umbrüchen und Konflikten – fließt der Strom des Wohlgefallens Gottes. Keine Macht des Feindes, keine Gewalt und Verdorbenheit des Menschen, kein Versagen der Gläubigen kann Gott davon abhalten, Seine ewigen Ratschlüsse auszuführen. Haushaltungen kommen und gehen; Weltreiche stehen auf und gehen unter; jedes Zeugnis, das Gott der Verantwortlichkeit des Menschen anvertraut hat, wird in den Händen der Menschen ruiniert. Doch über allem steht der Ratschluss Gottes, den Er zur Herrlichkeit Christi und zum irdischen und himmlischen Segen für Sein Volk ausführen wird.

Zweitens vereinigen sich alle Segnungen, die Gott für Christus und für Sein Volk vorgesehen hat, in der Stadt Gottes. Durch Glauben blickt der Psalmist über die Trostlosigkeit des derzeitigen Jerusalems hinaus in die Zukunft und sieht die Stadt gemäß den Ratschlüssen Gottes. Vor seinen Blicken erhebt sich eine Stadt der Freude, ein „Heiligtum“, eine Stadt, die „nicht wanken“ wird und in deren Mitte Gott ist. So lebt auch der Gläubige heute, angesichts all der Unruhen und Wirren in der ihn umgebenden Welt und angesichts der Verdorbenheit der Christenheit, im Licht der himmlischen Stadt. Wir sehen das „neue Jerusalem“

- eine Stadt der Freude, wo alle Tränen abgewischt werden, wo kein Tod und keine Trauer, kein Schreien und kein Schmerz mehr sein werden. Wir sehen auch, dass es eine heilige Stadt ist, in die nie etwas Verunreinigendes eindringen wird. Wir sehen, dass sie nicht wanken wird, weil es eine Stadt ist, die Grundlagen hat. Vor allem sehen wir, dass Gott in ihrer Mitte ist, denn wir lesen, dass der Thron Gottes und des Lammes in ihr sein wird. So wird unser Glaube gestärkt durch den Strom des Wohlgefallens Gottes und durch „die Stadt, die Grundlagen hat, deren Schöpfer und Baumeister Gott ist“ (vgl. Off 21; Heb 11,10).

Drittens sieht der Psalmist, dass Gott der Stadt „helfen [wird] beim Anbruch des Morgens“, auch wenn die Nationen gegen sie toben mögen. Überall auf der Erde sehen wir das Toben der Nationen

- die Wasser toben und schäumen und die Berge erbeben –, aber ebenso, wie der Psalmist sagen konnte: „Er lässt seine Stimme erschallen: Die Erde zerschmilzt“, so warten auch wir auf die Stimme des Herrn, wenn Er uns zurufen wird: „Mach dich auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm!“ (Hld 2,13).

Vers 8: Viertens können wir mit dem Psalmisten inmitten der dunkler werdenden Schatten der Nacht und bis zum Anbruch des Tages sagen: „Der HERR der Heerscharen ist mit uns, eine hohe Festung ist uns der Gott Jakobs.“ Der HERR, dem alle Macht zur Verfügung steht, und der Gott der Gnade, der einen armen, schwachen Mann wie Jakob aufrichten und segnen konnte, ist mit uns und ist unsere Festung. Wenn der Tag anbricht, werden wir bei Christus in der Herrlichkeit jenes Tages sein und zusammen mit Ihm leben. Und weil Er gesagt hat: „Ich will dich nicht versäumen und dich nicht verlassen“, können wir kühn sagen: „Der Herr ist mein Helfer, und ich will mich nicht fürchten; was wird mir ein Mensch tun?“ (Heb 13,5.6).

Verse 9 und 10: Fünftens erkennt der Psalmist, dass Gott selbst zu Seiner Zeit im Gericht mit allem Bösen dieser Welt handeln wird. Und nach den „Verheerungen“ des Gerichts wird Er den Segen der Regierung Christi einführen und die Kriege bis an das Ende der Erde beschwichtigen. Menschen versuchen, durch eigene Anstrengung und Weisheit, durch Bündnisse, Verträge und Konferenzen weltweiten Frieden herbeizuführen und ein tausendjähriges Reich des Wohlstands ohne Gott und ohne Christus einzuführen. Der Christ weiß, dass seine Segnungen mit der Stadt Gottes verbunden sind und dass Gott im Gericht mit allem Bösen dieser Welt handeln wird. Deshalb lehnt er es ab, sich in die vergeblichen Bemühungen des Menschen, die Unruhe der Welt zu beenden, einbinden zu lassen.

Damit wir angesichts so vieler Dinge, die das menschliche Herz ängstigen, von aller Angst befreit sein können, werden wir in dem verborgenen Vorsatz Gottes unterwiesen, der nicht misslingen kann. Wir sehen im Glauben die Stadt Gottes vor uns, in all ihrer strahlenden Herrlichkeit und Schönheit; wir erwarten den Anbruch des Tages; und in der Zwischenzeit haben wir den Herrn bei uns, der uns von aller Angst befreit und der eine Festung vor jedem Sturm ist. Außerdem wissen wir, dass Gott zu Seiner Zeit die Bosheit des Menschen richten und weltweiten Frieden einführen wird.

Verse 11 und 12: Nur wenn wir mit lebendigem Glauben in unseren Herzen an diesen großen Wahrheiten festhalten, werden wir fähig sein, inmitten der Unruhe der Welt ruhig zu sein

- so wie der Herr selbst, der mitten im Sturm schlafen konnte. Wir stehen in der Gefahr, dass wir uns angesichts des zunehmenden Bösen zu sehr mit Ereignissen in dieser Welt beschäftigen, die Stadt Gottes aus dem Blick verlieren und uns dadurch verleiten lassen, uns an den Bemühungen der Menschen zur Bekämpfung des Bösen zu beteiligen. So zu handeln, bedeutet, Gott auszuklammern und zu versuchen, dem Bösen mit menschlicher Weisheit und menschlicher Kraft zu begegnen.

Wenn solche Bemühungen irgendeinen Erfolg hätten, würde das nur dazu führen, dass der Mensch sich erhöht. Unsere Rolle besteht darin, ruhig zu sein und auf Gottes Handeln zu Seiner eigenen Verherrlichung zu warten, denn Er hat gesagt: „Ich werde erhöht werden unter den Nationen, ich werde erhöht werden auf der Erde.“

Nur wenn wir „ablassen“, wird uns weiterhin bewusst sein, dass der Herr mit uns ist, unsere „Zuflucht und Stärke, eine Hilfe, reichlich gefunden in Drangsalen“.