Und am Ende der Tage erhob ich, Nebukadnezar, meine Augen zum Himmel, und mein Verstand kam mir wieder; und ich pries den Höchsten, und ich rühmte ihn und verherrlichte den ewig Lebenden, dessen Herrschaft eine ewige Herrschaft ist und dessen Reich von Geschlecht zu Geschlecht währt. Und alle Bewohner der Erde werden wie nichts geachtet, und nach seinem Willen tut er mit dem Heer des Himmels und mit den Bewohnern der Erde; und da ist niemand, der seiner Hand wehren und zu ihm sagen könnte: Was tust du?“ (Vers 31–32)

Jetzt schildert Nebukadnezar seine Erlebnisse wieder in der Ich-Form, und er schildert drei Dinge:

  • er erhob seine Augen zum Himmel; das war die Verantwortung Nebukadnezars selbst; er nimmt jetzt eine persönliche Beziehung zu Gott wahr (Ps 123,1)

  • sein Verstand kam ihm wieder; das war das Geschenk Gottes an ihn; manchmal muss Gott auch uns demütigen – und dann gibt Er alles wieder zurück; bei Hiob sogar das Doppelte (Hiob 1,3; 42,12)

  • er pries den Höchsten…; das Ziel, das Gott mit ihm erreichen wollte. Nebukadnezar verherrlichte jetzt nicht länger sich selbst und das, was er alles geschafft hatte, sondern er verherrlicht den ewig Lebenden. Er war durch Gott gedemütigt worden, aber Gott war zum Ziel mit ihm gekommen (Ps 119,67.71.75). Er erkennt jetzt, dass er selbst nur eine Person der Zeitgeschichte ist, und dass der Höchste ein ewig lebender Gott ist. Er selbst hatte nur für eine Zeit ein Reich anvertraut bekommen, aber dieser Gott hat ein immerwährendes Reich

Wenn Nebukadnezar hier zweimal sagt, dass ihm sein Verstand wieder kam (Vers 31+33), zeigt uns das, dass er in der Tat wahnsinnig geworden war. Er war nicht buchstäblich zu einem Tier geworden, sondern völlig heruntergekommen und lebte wie ein Tier, weil ihm sein menschlicher Verstand von Gott genommen worden war. Nach Verlauf dieser sieben Jahre konnte er sich seinen Verstand auch nicht selbst wiedergeben, sondern es war das Eingreifen Gottes nötig. Gott geht auch mit den Menschen der Welt Seine Erziehungswege bis sie sich demütigen, ohne dass sie unbedingt eine Glaubensbeziehung zu Ihm haben müssen (1. Kön 21,29). Aber auch bei uns ist es oft nötig, dass Gott uns demütigt, weil wir es selbst nicht tun.

Bruder Wadie Behnam hat aus seinem Leben erzählt, dass er sich mit 20 Jahren vom Herrn abgewandt hatte und nichts von dem wissen wollte, was in seinem gläubigen Elternhaus gelehrt und gelebt wurde. Sein Ziel war es, seine eigenen Wege zu gehen und ein Sportstudium zu machen. Dann geriet er unter eine Straßenbahn und sein rechtes Bein wurde bis zum Knie abgetrennt. Im Alter von 60 Jahren sagte er, dass in den letzten 40 Jahren kein Tag vergangen sei, an dem er dem Herrn nicht gedankt hätte für diese Straßenbahn. Er demütigt uns, aber Er tut es in Treue, damit der Name des Herrn Jesus in unserem Leben verherrlicht wird.

Dass Gott in Seiner Souveränität niemandem Antwort schuldig ist, was Nebukadnezar am Ende von Vers 32 anspricht, wird in vielen weiteren Stellen der Heiligen Schrift bestätigt, z.B. Jes 40,15. Er ist erhabener als ein Mensch, und über all Sein Tun gibt Er keine Antwort (Hiob 33,12+13).

Es sind hier die letzten Worte aus dem Mund Nebukadnezars. Offensichtlich ist Gott in Seiner Langmut und in Seiner Güte mit Seinen Wegen mit diesem mächtigen König noch zu Seinem Ziel gekommen. Er hatte mit diesen sieben Zeiten (Jahren) Sein Ziel mit Nebukadnezar – Lobpreis und Verherrlichung des Höchsten – und Nebukadnezar hat sich von Gott zu diesem Ziel führen lassen. Nebukadnezar spricht hier gar nicht mehr von seinen anderen Göttern, nur noch von seiner Beziehung zu dem alleinigen Gott, dieser Gott allein steht vor seinem Herzen. Er hatte die Lektionen, die Gott ihn schon in den Kapiteln 2 und 3 lehren wollte, jetzt endlich verstanden.

Dass diese Veränderung bei Nebukadnezar auch seine Auswirkung auf die Juden hatte, die bei ihm in der Gefangenschaft lebten, wird aus einem Vergleich von Jer 51,34 mit Jer 52,31–34 deutlich. Dort finden wir zunächst die Schilderung der Grausamkeiten dieses Königs gegen die „Bewohnerin von Zion“. Jeremia 52 zeigt dann das Verhalten seines Sohnes Ewil-Merodak, der gütig zu den Juden redete. Nebukadnezar muss wohl seinen Nachkommen von seinen Erfahrungen mit diesem ewigen Gott weitergegeben haben. Daniel 5 wird dann allerdings zeigen, dass der Enkel Nebukadnezars, Belsazar, gar nichts mehr von diesen Wegen Gottes auf sein eigenes Leben angewandt hatte. Also ist dieses gütige Verhalten nicht charakteristisch für die Könige von Babel. Gerade bei Belsazar sehen wir sogar noch eine weitere Entfaltung der Gottlosigkeit, die eigentlich direkte Gotteslästerung ist.

Zur selben Zeit kam mir mein Verstand wieder, und zur Ehre meines Königtums kamen meine Herrlichkeit und mein Glanz mir wieder; und meine Räte und meine Gewaltigen suchten mich auf, und ich wurde wieder in mein Königtum eingesetzt, und ausnehmende Größe wurde mir hinzugefügt. Nun rühme ich, Nebukadnezar, und erhebe und verherrliche den König des Himmels, dessen Werke allesamt Wahrheit und dessen Wege Recht sind, und der die zu erniedrigen vermag, die in Stolz einhergehen“ (Vers 33–34)

Frage: Können wir eigentlich hier am Ende von Daniel 4 von einer echten Bekehrung Nebukadnezars sprechen?

Diese Verse enthalten gewisse Aussagen, die darauf schließen lassen. In Dan 3,31–33 (diese Verse sind ja eine vorweggenommene Zusammenfassung dessen, was Gott in Daniel 4 mit Nebukadnezar erreicht hat) sagt Nebukadnezar zum ersten Mal, dass der höchste Gott etwas an ihm getan hatte. Hier in Dan 4,31 verherrlicht er den ewig Lebenden; also er macht Gott groß in dem, was Er ist. Und in Vers 34 finden wir die beiden Seiten einer Bekehrung angedeutet:

  • er gibt Gott Recht – „dessen Wege Recht sind“; Gott Recht geben im Blick auf Sein Handeln mit einem selbst

  • er verurteilt sich selbst – „der die zu erniedrigen vermag, die in Stolz einhergehen“; damit meint Nebukadnezar sich selbst, seinen Hochmut und seine Selbstüberhebung

Daraus können wir doch den Schluss ziehen, dass es sich hier wirklich um eine wirkliche Umkehr dieses Königs gehandelt hat, neutestamentlich würden wir sagen, dass er sich bekehrt hat. Er hat Gott in seinen Worten verherrlicht und Ihm dafür Dank dargebracht (vgl. Röm 1,21), dass Er ihn wieder eingesetzt hatte und ihm sogar noch mehr gegeben hatte als er vorher besessen hatte. Bei ihm sind die Reaktionen zu erkennen, die dem ewigen Evangelium entsprechen (Off 14,7), Ihn als Schöpfer-Gott zu erkennen. Nebukadnezar ist ja nicht zum Judentum übergetreten, das bestand ja zu seiner Zeit nur in Gefangenschaft, aber zu dem ewigen Gott scheint er sich doch in aller Aufrichtigkeit gewandt zu haben.

Nebukadnezar gibt hier ein erstaunlich hohes Zeugnis von dem Handeln Gottes ab. Er spricht davon, dass Seine Werke allesamt Wahrheit und Seine Wege Recht sind. Was Gott getan hatte, war in Übereinstimmung mit Seinem Wesen, und Sein regierendes Handeln war auch genau das Richtige in der jeweiligen Situation. Dann spricht er noch von dem Erniedrigen, aber nicht mehr davon, dass Gott ihn danach wieder erhöht hatte. Das anzuerkennen in seinem Leben vermag nur jemand, der das auch wirklich erlebt hat. Der Schlusspunkt seines Lobes ist, dass er die Erniedrigung von Gott angenommen hatte. Vielleicht gibt es auch in unserem Leben Situationen, wo Gott uns erniedrigen oder demütigen muss – wohl uns, wenn wir das dann auch annehmen und uns nicht dagegen auflehnen.

Gott hat in Seinem Wort zwei Frauen benutzt, ähnliche Gedanken über das souveräne Handeln Gottes auszusprechen. Hanna spricht davon, dass Er ein Gott des Wissens ist und von Ihm die Handlungen gewogen werden. „Der Herr macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht auch. Er hebt aus dem Staub empor den Geringen, aus dem Kot erhöht er den Armen“ (1. Sam 2,7+8). Und Maria drückt es so aus: „Er hat die zerstreut, die in der Gesinnung ihres Herzens hochmütig sind. Er hat Mächtige von Thronen hinabgestoßen und Niedrige erhöht“ (Lk 1,51+52).

Dass es bei Nebukadnezar diesmal echt war und nicht wie die vorigen Male nur ein äußeres Bekenntnis, macht auch der Umstand deutlich, wie Gott mit seiner Wiederherstellung verfährt. Er hatte ihm den Verstand genommen, und Er hatte ihm diesen dann wiedergegeben. Damit nicht genug kamen ihm zur Ehre seines Königtums auch seine Ehre und sein Glanz wieder, und ausnehmende Größe wurde ihm hinzugefügt. Prophetisch zeigt uns Zeph 3,8+9, dass in zukünftigen Tagen die Nationen auch durch Gericht dahin gebracht werden, Gott zu erkennen. Durch Gericht kommen sie zur Erkenntnis Gottes und das führt zur Verherrlichung Gottes, und genau das ist auch der Fall hier bei Nebukadnezar. Haben auch wir Lob und Ruhm in unseren Herzen für das, was Gott an uns und für uns getan hat?

In Dan 5,20+21 erinnert Daniel den König Belsazar daran, was sein Vorfahre Nebukadnezar in Kapitel 4 erlebt hatte; und am Ende von Vers 21 kommt dann sein zusammenfassendes Urteil über die Wiederherstellung Nebukadnezars: „bis er erkannte, dass der höchste Gott über das Königtum der Menschen herrscht und darüber bestellt, wen er will“. Der Kern ist also, dass Nebukadnezar Gottes Allmacht und Autorität anerkannte. Weiter geht Daniel dem Belsazar gegenüber nicht, was Nebukadnezar noch mehr erkannt hatte, war offensichtlich nicht für die Ohren Belsazars bestimmt.

In den Zeiten der Nationen wird Gott nicht der Gott der Erde genannt. Nur zweimal in 1. Mo 14,19+22 finden wir diesen Ausdruck. In der jetzigen Zeit ist Jerusalem nicht der Thron Gottes, Er hat den Regenten der Nationen Seine Macht übertragen. Aber der Augenblick wird kommen, wo Er wieder der Gott des Himmels und der Erde genannt werden wird, das zeigen prophetisch die beiden Verse in 1. Mo 14. Das wird im 1000-jährigen Reich so sein. Welch ein herrlicher Augenblick, wenn Gott zu Seinem Ziel gekommen sein wird sowohl im Blick auf Seine Wege mit den Nationen als auch im Blick auf Sein irdisches Volk. Dann wird es Wirklichkeit sein, was wir oft singen: „Erd‘ und Himmel werden spenden Lob und Dank an allen Enden“; dann wird die Erfüllung der Wege Gottes 1000 Jahre auf dieser Erde geschaut werden. In jener Zeit wird die Trennschicht zwischen Himmel und Erde aufgehoben sein. Himmel und Erde werden ein harmonisches Ganzes bilden zu Ehren dessen, der alles erdacht hat – welch ein Ende der Wege Gottes! Auf diesen Augenblick warten wir, und wir geben dem die Ehre, der das alles bewirkt hat.