Bei allem Verständnis für die jüdischen Erwartungen der beiden „Emmaus-Jünger“ dürfen wir doch nicht übersehen, dass der Herr ihren Unverstand und ihre trägen Herzen tadelt: „O ihr unverständigen und trägen Herzens, an alles zu glauben, was die Propheten geredet haben!“ Sie hatten ihre Bibel selektiv gelesen. Die schwierigen Stellen, die Stellen, die nicht ihren Erwartungen entsprachen, hatten sie ausgelassen bzw. als unverständlich abgetan. Die Stellen über den Messias, der die Feinde Israels besiegt, sein Reich errichtet und von Israel aus über die ganze Erde regiert, hatten sie gelesen und verstanden. Die Hinweise des Alten Testaments auf einen leidenden und sterbenden Messias (z.B. Daniel 9,26) hatten sie überlesen oder nicht wahrhaben wollen.

Geht es uns nicht auch schon mal so? Wir lesen unsere Bibel selektiv. Schöne Stellen, die unseren Erwartungen entsprechen, Stellen, die von unseren Vorrechten sprechen, kennen und verstehen wir. Unbequeme Stellen oder Stellen, die unser Gewissen treffen, überlesen wir oder wollen sie nicht wahrhaben.

Und wer die Bibel selektiv liest, hat möglicherweise auch falsche Erwartungen an die Zukunft wie die beiden „Emmaus-Jünger“. Manche glauben, dass sich das Christentum bis zum Wiederkommen des Herrn Jesus immer stärker verbreiten wird. Und dann sehen sie, wie wenig Resonanz das Evangelium findet, und sie sind enttäuscht. Stellen wie 2. Timotheus 3,1 ff. können sie nicht einordnen. Andere meinen, innerhalb der Versammlung Gottes müsse es immer mehr bergauf gehen. Der offensichtliche Niedergang auch unter wahren Christen enttäuscht sie.

Doch der Grund ihrer Enttäuschung liegt nicht bei Gott, sondern bei ihnen. Hätten sie „an alles“ geglaubt, was Gottes Wort sagt, dann wäre ihnen diese Enttäuschung erspart geblieben.

Lasst uns Gottes Wort so lesen, wie er es gegeben hat, und nicht, wie wir es gerne hätten!