Die Befreiung

Doch ist es gerecht, den Arzt zu beschuldigen, weil der Patient eine schlechte Konstitution hat? Sollen wir sagen, wie manche es tun, dass wir mit dem Gesetz nichts mehr zu tun haben, weil es uns nicht heilen kann? Nein, das Gesetz ist „heilig, gerecht und gut“, es ist kein Fehler im Gesetz. Das Gebot war „zum Leben“. Der Fehler liegt beim Ich, nicht beim Arzt und seiner Behandlung.

Das Gesetz kann kein Leben geben. „Wenn ein Gesetz gegeben worden wäre, das lebendig zu machen vermöchte, dann wäre wirklich die Gerechtigkeit aus Gesetz“ (Gal 3,21); das ist nicht sein Fachgebiet. Es fordert Gerechtigkeit. Ebenso wenig kann es am Leben erhalten, denn wo sind alle die, zu denen gesagt wurde: „Tu dies und du wirst leben“? Sind ihre Gräber nicht bei uns?

Doch wenn das Gesetz weder Leben gibt, noch am Leben erhält, befreit es nicht? Nein, das war auch nie der Zweck des Gesetzes. Woher kommt dann die Befreiung? Wie kann der Patient im Krankenhaus, der eine schmerzvolle und unheilbare Krankheit hat, der Behandlung des Arztes und den eigenen Schmerzen entkommen? Es gibt nur einen Weg zur Freiheit für ihn. Solange er im Krankenhaus bleibt, wird er elend bleiben; solange er ist, was er ist, wird er leiden. Das Krankenhaus wird er nicht verlassen, weil er zu krank ist, und von sich selbst aus kann er sich nicht befreien. Wie soll er dann frei werden? Durch den Tod. Es gibt keinen anderen Fluchtweg für ihn. Er kann nicht geheilt werden, weil er unheilbar ist, und je mehr Medizin er einnimmt, umso mehr offenbart sie seinen Zustand.

Der Tod ist die einzige Möglichkeit zur Befreiung

Daher sagt die Schrift von dem, dessen geistliche Schmerzen und Symptome wir betrachtet haben: „Ihr seid dem Gesetz getötet worden durch den Leib des Christus.“ „Dem gesorben, indemwir festgehalten wurden.“ Das Gesetz behält seine Würde, doch das arme, elende Ich ist befreit, indem es mit Christus gekreuzigt worden ist, und indem es dem Gesetz durch den Tod Christi entflieht. Und wenn der Glaube das Ich für gesorben hält, und erkennt, dass das Leben allein in Christus ist, erfährt er Befreiung.

Wir zitieren den kompletten Vers 4 unseres Kapitels: „Also seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz getötet worden durch den Leib des Christus, um eines anderen zu werden, des aus den Toten Auferweckten, damit wir Gott Frucht brächten.“

Hier liegt der Keim der ganzen Frage. Nicht von Natur aus sind wir dem Gesetz gestorben (vgl. 1. Tim 1,8–10), doch die Gnade kam herein, und eine neue Sache ist geschehen: wir sind „getötet“. Das makiert einen Meilenstein in der Geschichte einer Seele; und die Art und Weise wie das vollbracht wurde, ist durch den Leib des Christus, den toten Leib des Christus auf dem Kreuz, das richterliche Ende des Ichs, und die Befreiung vom Gesetz. Wir sind mit Christus gestorben und somit dem gestorben, worin wir festgehalten wurden. Ein Gefangener wird zum Tod verurteilt, doch er stirbt, bevor das Urteil vollstreckt wird und entkommt damit dem Gesetz, das ihn getötet hätte. Sicher würde niemand sagen, dass er durch seinen Tod ein besserer Mensch geworden ist. Und wegen unserer totalen Verdorbenheit starb Christus für uns, und so sind wir durch seinen Tod dem Gesetz entflohen, das vergeblich Gerechtigkeit und Gehorsam von uns verlangte. Das ist Gottes Gnade für die Seinen, die an ihn glauben. Doch wenn ein Mensch Christus nicht haben will und in seiner eigenen Gerechtigkeit weiterlebt, wie er es nennt, und ohne Christus stirbt, dann wird an seiner eigenen Person die ganze Ewigkeit lang die schreckliche Strafe dafür tragen müssen, das Gesetz Gottes gebrochen und den Sohn Gottes abgelehnt zu haben.

Auch der neue Platz, den Christus sich durch die Auferstehung erworben hat, gehört uns; wir sind nicht auf unserem alten Boden, als solche, die in ihrem alten Zustand leben, eines anderen geworden, sondern als solche, die der Jurisdiktion des Gesetzes entflohen sind und jetzt Gott leben, sind wir jetzt mit dem verbunden, der aus den Toten auferstanden ist.

In dieser Position und so mit Christus verbunden, bringen wir Frucht für Gott- geistliche Grucht, an der Gott Wohlgefallen hat. Wenn ein Mensch unter Gesetz ist, versucht er ständig, in eigener Kraft gehorsam zu sein – er versucht aus dem Unkraut seines Gartens schöne Blumen zu machen. Doch wenn er seine Verbindung mit Christus, dem aus den Toten Auferstandenen, kennt, dann dient er in dem Neuen des Geistes und nicht in dem Alten des Buchstabens. Wir sind nicht unter Gesetz, wir sind unter Gnade; nicht unter der Rute des Erziehers, sondern unter der Leitung des Geistes. Altes ist vergangen, alles ist neu geworden, und alle Dinge sind von Gott.