Und dies ist die Schrift, die gezeichnet worden ist: Mene, mene, tekel upharsin. Dies ist die Deutung der Sache: Mene – Gott hat dein Königtum gezählt und macht ihm ein Ende. Tekel – du bist auf der Waage gewogen und zu leicht befunden worden. Peres – dein Königreich wird zerteilt und den Medern und Persern gegeben“ (Daniel 5,25–28).

Gott hatte also diese Hand eines Menschen gesandt, und die Schrift stand jetzt wohl noch immer da an der Wand. Daniel legt jetzt den Nachdruck auf ein Wort nach dem anderen und gibt die Deutung an. Aber Belsazar scheint davon überhaupt nicht berührt zu sein. Belsazar und Nebukadnezar waren von total unterschiedlichem Charakter.

MeneGott hat dein Königtum gezählt und macht ihm ein Ende. „Die Tage gezählt“ bedeutet, dass sie zu Ende gehen. In Jeremia 25,12 finden wir, dass ganz allgemein die Dauer dieses Weltreiches schon mit 70 Jahren angegeben wurde. Aber in dem Ausspruch über Babel in Jesaja 13,16–19 finden wir, was das ganz real für dieses babylonische Weltreich bedeuten würde, die ganze Schrecklichkeit des Gerichtes Gottes über Babel. So macht Gott dem Königtum Babel ein Ende!

Hier wird das Königreich Babylons dem Belsazar zugeschrieben. Das Haupt von Gold zeigt nicht nur den Nebukadnezar persönlich und seine Machtfülle, sondern die ganze babylonische Dynastie. Nebukadnezar und seine Nachkommen werden als eins gesehen, und der Letzte von ihnen ist hier der König Belsazar. Wir stehen hier an dem erschütternden Augenblick, wo das große babylonische Reich – ein Weltreich von ungeahnter Fülle – zugrunde geht! Die einstige Krone der Regierungen wird zu einem öden Landstrich.

Dieser Ausdruck mene wird als einziger der drei Ausdrücke wiederholt. Gott muss nicht zweimal zählen, aber Er macht mit dieser Wiederholung deutlich, dass Er ganz genau abgezählt hat, genau abgemessen hat; die Tage Babylons werden nicht verlängert werden (Jes 13,22). Auch bei dem Traum des Pharao bedeutete die zweimalige Wiederholung des Traums, dass die Sache ist von Seiten Gottes fest beschlossen war und dass Gott eilt, sie zu tun (1. Mo 41,32).

Tekeldu bist auf der Waage gewogen und zu leicht befunden worden. Gott hatte dem Belsazar etwas zu seiner Verantwortung anvertraut, und Belsazar hatte dieser Verantwortung nicht entsprochen. Psalm 62,10 redet von den Waagschalen Gottes; dort werden die Menschen in ihrer vermeintlichen Selbstherrlichkeit gewogen, und sie sind doch alle leichter als ein Hauch. Die Waage des Heiligtums ist göttlich geeicht, sie entspricht göttlich gerechten Maßstäben (vgl. 1. Sam 2,3; Spr 5,21; 16,2; 21,2).

In einem allgemeinen Sinn wird jeder Mensch irgendwann einmal von Gott gewogen. Jedem Menschen hat Gott etwas anvertraut; und jeder Mensch wird einmal dem Urteil unterworfen werden, ob er dem entsprochen hat, was Gott ihm gegeben hatte. Es ist ein sehr ernster Gedanke, dass die Menschen der Welt gewogen werden. Und wenn sie den gerechten Ansprüchen Gottes nicht genügen, wird der Feuersee die ewige Antwort Gottes darauf sein!

Es ist interessant, dass der hebräische Ausdruck für Herrlichkeit eigentlich Gewicht bedeutet. Wenn irgendetwas vor Gott zählt oder wiegt, dann ist das Seine eigene Herrlichkeit. Und diese Herrlichkeit haben wir in dem Herrn Jesus empfangen, so dass wir wissen dürfen, dass wir in diesem Sinn im Blick auf das Erreichen des ewigen Zieles nicht mehr von Gott gewogen werden. Alles hat der Herr Jesus getan, und wir stehen angenehm gemacht in Ihm vor Gott!

Peresdein Königreich wird zerteilt und den Medern und Persern gegeben werden. Der Bereich, der von babylonischen Herrschern regiert wurde, wird zerteilt werden. Damit ist nicht gemeint, dass jetzt ein Teil davon den Medern gegeben würde und ein anderes Teil den Persern, sondern es würde in Stücke zerhauen und nichts davon würde übrigbleiben. Belsazar hatte also durch seine Bosheit und Verderbtheit nicht nur seine eigene Herrschaft verwirkt und nicht nur er als Person kam nun unter das Gericht Gottes, sondern als Folge davon wurde sein gesamter Herrschaftsbereich zerstört. Es würde eine Umkehrung sein wie die Umkehrung Sodoms und Gomorras (Jes 13,19). Es ist ein ernster Gedanke, dass unser Handeln und Tun nicht nur Folgen für uns hat, sondern fast immer auch Auswirkungen auf andere.

Die Schrift an der Wand hatte bei diesem dritten Ausdruck upharsin, während Daniel in seiner Erklärung das Wort peres gebraucht. Wenn Gott diese Schrift gegeben hatte, dann ist auch allein Er in der Lage, sie zu deuten und wie hier sogar geringfügig zu ändern. Das ist auch bei den Gleichnissen im Neuen Testament manchmal so, dass die Deutung über den ursprünglichen Inhalt der Gleichnisse hinausgeht. Eine Erklärung oder Mitteilung oder Bild, die Gott gegeben hat, kann auch nur von Ihm und durch von Ihm geleitete Werkzeuge gedeutet werden. Dafür ist nämlich eine Einsicht Voraussetzung, die über das Sichtbare hinausgeht.

Darauf befahl Belsazar, und man bekleidete Daniel mit Purpur, mit einer goldenen Kette um seinen Hals; und man rief über ihn aus, dass er der dritte Herrscher im Königreich sein solle“ (Daniel 5,29).

Trotz dieser ernsten Gerichtsankündigung erfüllt Belsazar noch sein Versprechen und gibt dem Daniel die verheißene Belohnung. Er zeigt dadurch, dass er nichts von dem angenommen hatte, was Daniel ihm gesagt hatte. Vor seinen Tausenden sah das gut aus, dass er sein Versprechen einhielt, er wahrte damit sein Gesicht vor ihnen. Das ist übrigens auch in unseren Herzen oft eine Tendenz, dass wir unser Gesicht wahren möchten, wo wir uns doch in Demut zu beugen hätten! Das kann uns und andere in große Mühe und Not bringen und zu manchen Problemen auch unter uns Gläubigen führen. In der Bekleidung mit Purpur ist seine öffentliche Würde zu sehen, in der goldenen Kette eine eher persönliche Würde und in der Proklamation seine öffentliche Anerkennung in dieser Stellung.

Belsazar verschenkt hier Würden, die er doch eigentlich schon fast nicht mehr besaß. Was die Welt zu geben vermag, besitzt keinen dauerhaften Bestand! Diese letzte königliche Handlung Belsazars hat wohl auch noch den Gesichtspunkt, dass er nicht gewusst hatte, dass er noch in derselben Nacht umgebracht würde. Er hatte die Botschaft gehört, aber dass sie praktisch auf der Stelle eintreffen würde, hatte er nicht geahnt. Deshalb hatte er sein Wort nicht gebrochen. Es ist aber auch sehr bewegend, dass er nicht wagte, diese Ankündigung Daniels zurückzuweisen. Der Umstand, dass er seine Versprechen einhielt, zeigt, dass er diese Botschaft für wahr hielt; er war davon überzeugt, dass das die Wahrheit sei – eine Regung zum Guten hat es aber in seinem Herzen nicht bewirkt, sein Gewissen wurde nicht getroffen!

In Vers 17 hatte Daniel noch in aller Kühnheit diese Geschenke des Königs verweigert. Jetzt lässt er es dabei bewenden, es ließ ihn kalt. Kapitel 6 zeigt, worauf er wirklich sein Herz gerichtet hatte. Diese Auszeichnungen waren ihm nicht zu Kopf gestiegen.

In derselben Nacht wurde Belsazar, der König der Chaldäer, getötet“ (Daniel 5,30).

Das Ende des babylonischen Weltreiches kann unter zwei Gesichtspunkten gesehen werden. Auf der einen Seite hatten die Herrscher Babylons in ihrer Verantwortung vor Gott versagt und Gott machte deshalb diesem Reich ein Ende (Jer 25,12), es ist die Rache Seines Tempels (Jer 50,28). Diesen Gesichtspunkt finden wir hier. Auf der anderen Seite waren aber diese 70 Jahre die schon vorher von Gott bestimmte Zeit der Gefangenschaft Judas in Babylon, während derer sich das verunreinigte Land erholen und seine Sabbate nachholen sollte (2. Chr 36,20.21; 3. Mo 26,34.35), danach würde Gott sich wieder in Gnade Seinem irdischen Volk zuwenden (Jer 29,10.11). Die zweimalige Erwähnung der 70 Jahre im Propheten Jeremia zeigt also diese beiden Gesichtspunkte: Gottes Gericht an Babylon und Gottes Gnade für Sein Volk. Gott allein kann zwei Ziele gleichzeitig verfolgen und in vollkommener Übereinstimmung erreichen, und wir müssen beide Seiten erkennen und voneinander unterscheiden können.

Gott hatte das Gericht angekündigt und noch in derselben Nacht wurde es vollzogen. Das babylonische Reich wurde zerstört. Die Geschichte berichtet, dass zu der Zeit, als Belsazar dieses Fest feierte, der König Kores schon die Stadt Babel belagert hatte. Er konnte diese befestigte Stadt nicht erobern, deshalb musste er den Euphrat umlenken, damit seine Soldaten in dem freien Flussbett unter der Vergitterung der Stadtmauer in die Stadt hineinkamen und von innen die Tore öffnen konnten (vgl. Jes 44,26 – 45,3). In dieser gleichen Nacht wurde Belsazar getötet.

Dieses Gericht über Belsazar wurde durch Jeremia schon vorher angekündigt, es war von Seiten Gottes längst vorher beschlossen und durch den Mund des Propheten zum Ausdruck gebracht worden (Jer 51,24.28). Das Gericht über Belsazar ist also nicht nur ein Gericht über eine Einzelperson, sondern ein Gericht über das ganze Volk. Und in Vers 28 wird dann sogar Medien genannt als Vollstrecker des Gerichtes. Es ist zutiefst beeindruckend, wie Gottes Wort in Prophetie spricht und sich die Dinge dann ganz genau so erfüllen! Babylonien ist einer Wüste gleich geworden. – Die Wege Gottes sind ernst, aber sie sind auch anbetungswürdig!

Das Gericht über Babel ist ein erschütternder Hinweis auf das, was einmal Babylon in der Offenbarung treffen wird. Dort wird Babylon in einer doppelten Form gesehen: als Frau, die Mutter der Huren, und als Stadt. Und was Belsazar in Daniel 5 widerfuhr und was die Meder und Perser dann taten, finden wir auch in Offenbarung 18,10 auf dieses antichristliche System der letzten Tage gedeutet. Gott wird es richten in Schnelligkeit, das macht die dreifache Beschreibung „in einer Stunde“ deutlich (Vers 10, 17 und 19). Aber es wird nicht nur Gericht ausgeübt werden, sondern dann wird unser gelobter Herr die Herrschaft ergreifen und alles zur ewigen Herrlichkeit Gottes führen!