Die Geschehnisse im Buch Ruth haben zunächst eine tiefe prophetische Bedeutung. Noomi ist ein Bild des Volkes Israel, das aufgrund seiner Untreue und seines Fehlverhaltens alle Anrechte und Ansprüche auf den Segen und das Erbe Gottes verloren hat. Dennoch wird Gott Erbarmen mit seinem irdischen Volk haben, sie in das Land ihres Erbteils zurückbringen, um sie dann im Tausendjährigen Reich zu segnen. Es wird ein Überrest sein, der die von Gott zugesagten Segnungen genießen wird und der vor allen Dingen  – unter großen inneren Übungen – dahin kommt, den Messias selbst zu erkennen. Dieser Überrest wird uns in Ruth vorgestellt. Dabei ist der entscheidende Punkt, dass Gott nicht auf der Grundlage eigener Verdienste gibt, sondern ausschließlich auf der Grundlage bedingungsloser Gnade. Es ist reine Gnade, wenn Gott einmal alle Versprechungen erfüllen und dem Volk überreichen Segen geben wird.

Eine kurze und prägnante Zusammenfassung der prophetischen Bedeutung des Buches Ruth gibt uns Jesaja 54, 1–10. Dort finden wir Noomi, das Volk Israel, in dem Bild der vereinsamten und kinderlosen Witwe wieder, in der Frau, die von Gott wegen ihrer Untreue verstoßen wurde. Aber dann finden wir auch Ruth, den Überrest, von dem Gott sagt: „Denn der dich gemacht hat, ist dein Mann – der HERR der Heerscharen ist sein Name – und der Heilige Israels ist dein Erlöser“ (Vers 5). Diesen (Er)löser sehen wir im Buch Ruth in der Person des Boas. Gott sagt: „Einen kleinen Augenblick habe ich dich verlassen, aber mit großem Erbarmen will ich dich sammeln ... mit ewiger Güte werde ich mich deiner erbarmen, spricht der HERR, dein Erlöser“ (Vers 7–8). Dann darf die Kinderlose, die Unfruchtbare, in Jubel ausbrechen, „denn der Kinder der Vereinsamten sind mehr als der Kinder der Vermählten, spricht der HERR“ (Vers 1). Das sehen wir am Ende des Buches Ruth, wo Boas und Ruth heiraten und dadurch der Noomi ein Sohn geboren wird (Kapitel 4,17). In dem Überrest wird Israel fruchtbar werden, wenn es durch den Messias in den Segen des Tausendjährigen Reich gebracht wird. Dann gehen die Worte aus Psalm 22,31 in Erfüllung: „Sie werden kommen und verkündigen seine Gerechtigkeit einem Volk, welches geboren wird, dass er es getan hat.“

[Auszug aus dem Buch „Auf dem Feld des Boas – Praktische Denkanstöße zu Ruth 2“ von Ernst-August Bremicker, www.csv-verlag.de]