Der Apostel hat den Empfängern bereits vorgestellt, dass sie durch das Blut des Herrn Jesus aus Glauben gerechtfertigt worden sind. Das Ergebnis davon ist, dass sie nun auch vor dem Zorn Gottes gerettet sind. In dem darauf folgenden Vers in Römer 9,10 stellt Paulus eine weitere Tatsache vor: ihre Versöhnung.

Wegen unserer Sündenschuld und der darauf folgenden Verdammnis brauchten wir Rechtfertigung. Doch gleichzeitig hat die Sünde uns von Gott entfremdet (entfernt) und uns von allem abgeschnitten, was ein gottgemäßes Leben ausmacht. Den Kolossern wird geschrieben, dass sie „entfremdet und Feinde waren in der Gesinnung und in den bösen Werken“ (Kol 1,21). Auch die Epheser wurden ermahnt, dass sie nicht mehr wie die Nationen leben sollten, die „entfremdet dem Leben Gottes“ waren (Eph 4,18). Der natürliche Mensch hat kein Verlangen nach Gott noch nach dem Licht und Leben, das seine Gegenwart bringt.

Wir können sagen, dass die Entfremdung von Gott in zweierlei Weise besteht:

  1. Zum einen von den Menschen zu Gott. Der Mensch liebt die Finsternis und hasst das Licht. Warum? Weil seine Werke böse sind und in dem Licht Gottes bloß- und offengelegt werden (vgl. Joh 3,19–21). Das sieht man schon bei Adam und Eva: Nachdem sie das Gebot Gottes, von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen nicht zu essen, übertreten hatten, erkannten sie, dass sie nackt waren. Sie empfanden, dass sie für die Gegenwart Gottes nicht passend waren, und machten sich daher Schurze aus Feigenblättern. Außerdem versteckten sie sich vor Gott. Die ungetrübte Gemeinschaft, die vor dem Sündenfall noch existiert hatte, konnten sie nicht mehr genießen. Wie wir gleich sehen werden, ist Gott Licht. Als der Herr Jesus hier auf der Erde war, hat er diesen Wesenszug Gottes offenbart und alles in das Licht Gottes gestellt. Und was war die Antwort der Menschen? Sie haben ihn gehasst und sich als Feinde Gottes erwiesen.
  2. Zum anderen von Gott zu den Menschen. Gott ist Licht und gar keine Finsternis ist in ihm (1. Joh 1,5). Licht ist, wie Liebe, eine Wesenseigenschaft Gottes. Damit ist gemeint, dass Gott absolut heilig und rein ist, vollkommen abgesondert von der Sünde. Er ist zu rein von Augen, um Böses zu sehen (Hab 1,13). Daher kann Gott mit einem Sünder keine Gemeinschaft haben. Gott kann nichts in seiner Gegenwart dulden, was mit seinem Wesen nicht in Übereinstimmung ist. Sollten jemals Menschen in seine Gegenwart kommen, dann konnte das nur in Übereinstimmung mit seinem Wesen geschehen. Und Dank des Werkes des Herrn Jesus ist das auch möglich.

Doch gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen Menschen und Gott. Der Mensch hat ein Herz voller Hass und Feindschaft Gott gegenüber. Doch Gott hegt keinen Hass gegen den Menschen in seinem Herzen. Wenn das so wäre, dann hätte er den Menschen einfach verdammen und es dabei belassen können. Wenn Gott auch Licht ist und daher keine Gemeinschaft mit Menschen möglich ist, so ist er doch auch Liebe (1. Joh 4,8) und ergreift die Initiative, um den Menschen mit sich selbst zu versöhnen. Und so war „Gott in Christus, die Welt mit sich selbst versöhnend, ihnen ihre Übertretungen nicht zurechnend“ (2. Kor 5,19). Wohlgemerkt: Nicht Gott musste mit den Menschen versöhnt werden, sondern der Mensch mit Gott. Da aber der Mensch nicht dazu fähig war, ging Gott diesen Weg, um uns, die wir Feinde Gottes waren, durch den Tod seines Sohnes mit sich zu versöhnen (Kol 1,22). Nichts anderes konnte uns mit Gott versöhnen. „Den, der Sünde nicht kannte, hat er zur Sünde gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm“ (2. Kor 5,21). Dort am Kreuz hat der Herr Jesus nicht nur die Strafe für unsere Sünden erduldet, sondern wurde selbst zur Sünde gemacht. Gott behandelte ihn so, als ob er der Ursprung, die Quelle der Sünden sei. Wir, die wir fern waren, wurde so nahe zu Gott gebracht, in ein Verhältnis, das völlig dem Wesen Gottes entsprach.

So wie Christus übrigens in die Welt gesandt wurde (Joh 3,16), um uns mit Gott zu versöhnen (2. Kor 5,19), so sind wir nun auch Gesandte für Christus. Gott möchte nun durch uns, die wir bereits Versöhnung erfahren durften, die Menschen ermahnen, sich mit Gott versöhnen zu lassen (2. Kor 5,20).

Weder unsere Sündhaftigkeit noch Feindschaft konnten die Liebe Gottes hindern, für uns tätig zu werden. Nun sind wir gerechtfertigt und versöhnt mit Gott. Wenn Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren, sollte die Liebe Gottes jetzt nicht erst recht für uns tätig werden, da wir in eine so wunderbare Stellung hineingebracht worden sind? Durch den Tod des Herrn Jesus ist die Feindschaft weggetan. Da wir nun versöhnt sind, so werden wir auch „durch sein Leben gerettet“ (Röm 5,10b). Das ist das Ergebnis der Versöhnung, das der Apostel in diesem Vers vorstellt.

Noch immer sind wir hier in der Wüste und müssen so manche Prüfung durchleben. Aber wir tun es als solche, die durch das Werk des Herrn Jesus in eine herrliche Beziehung zu Gott gebracht worden sind. Wir dürfen wissen, dass Gott den Herrn Jesus aus den Toten auferweckt, ihn in dem Himmel aufgenommen und ihm dort den Ehrenplatz zu seiner Rechten gegeben hat (Röm 8,34; Heb 2,9; Eph 1,20; Apg 7,55). Könnte es einen besseren Beweis geben als diesen, dass Gott das Werk des Herrn Jesus angenommen hat und dass so auch unsere Rechtfertigung und Versöhnung sicher ist?

Doch sollte der verherrlichte Herr, der hier auf der Erde für uns sein Leben gegeben hat, uns jetzt ungeschützt und ohne Hilfe durch diese Wüste gehen lassen? Das ist unmöglich. Er verlässt uns nicht, noch versäumt er uns (Heb 13,5). Wir dürfen wissen, dass er immer noch für uns tätig ist und sich für uns als Hoherpriester verwendet (Heb 4,14). Diesen Dienst des Herrn Jesus als Hoherpriester haben wir im Hinblick auf unserer Schwachheiten und Versuchungen auf unserer Wüstenreise nötig. Er selber war ja hier auf der Erde und weiß, wie es ist, versucht zu werden. Er wurde in allem versucht in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde (Heb 4,15). In unseren Versuchungen kommt er uns jetzt zur Hilfe, hat Mitleid mit unseren Schwachheiten und verleiht uns Barmherzigkeit und Gnade zur rechtzeitigen Hilfe (Heb 4,16).

Was für einen Gott dürfen wir doch haben! Das Ende unseres Weges ist seine eigene Herrlichkeit. Aber schon jetzt dürfen wir seine Gemeinschaft genießen und gewiss sein, dass wir durch alle Schwierigkeiten hindurch das Ziel durch seine Hilfe erreichen werden.