Sein Gehorsam, Abhängigkeit und Liebe

Mit der Menschwerdung des Herrn Jesus hat sich etwas Wesentliches verändert. Als Sohn Gottes existiert er von Ewigkeit und war in Rang und Wesen absolut Gott gleich (Joh 1,1.2; 5,18; 10,30; Phil 2,6; 1. Joh 5,20). Als solcher herrscht er über alles. Alle Engel Gottes beten ihn an. Sie sind dienstbare Geister, denen er befiehlt, und sie gehorchen (vgl. Heb 1,6.7.14). Selbst die Elemente müssen ihm gehorchen. Er sprach und diese Schöpfung entstand, und er erhält sie durch ein Wort seiner Macht (Heb 1,3). Er ist der absolute Souverän, dem alles Geschaffene Gehorsam verpflichtet ist.

Doch dann kamen die „Tage seines Fleisches“ (Heb 5,7; vgl. Joh 1,14) – der Sohn Gottes wurde Mensch. Obwohl er immer Gott blieb, wurde er doch etwas, was er zuvor niemals gewesen war. Damit trat er in eine gänzlich neue Stellung ein, in der er „an allem, was er litt, den Gehorsam lernte“ (Heb 5,8). Als Sohn Gottes müssen ihm die Engel gehorchen. Doch nun hat er sich, um sterben zu können, „ein wenig unter die Engel … erniedrigt“ (Heb 2,9) und ist damit als Mensch in eine Stellung des Gehorsams seinem Gott gegenüber eingetreten. Als er in diese Welt kam, sprach er gleichsam: „Siehe, ich komme …, um deinen Willen, o Gott, zu tun“ (Heb 10,7). Sein ganzes Leben hindurch war es seine höchste Priorität, den Willen dessen zu tun, der ihn gesandt hatte, und sein Werk zu vollbringen (vgl. Joh 4,34). Sein ganzes Leben war von Abhängigkeit und Unterwerfung unter den Willen seines Vaters gekennzeichnet. Wenn es heißt, dass er „den Gehorsam lernte“, dann ist damit die Sache selbst, das Prinzip der Unterwerfung des eigenen Willens unter den eines anderen gemeint, nicht aber die Tätigkeit des Gehorchens. Der Herr Jesus musste niemals lernen zu gehorchen, wie es bei uns Menschen der Fall ist, deren Willen gebrochen werden müssen. Wir müssen lernen zu gehorchen, weil wir von Natur aus ungehorsam sind (2. Tim 3,2; Tit 3,3). Der Herr Jesus aber musste als Mensch „den Gehorsam“ lernen, weil er als ewiger Sohn Gottes in einer Stellung ist, in der er keinen Gehorsam kennt, in der alles ihm gehorchen muss. Er musste den Gehorsam lernen „obwohl er Sohn war“ (Heb 8,8a).

Wie groß war dieser Gehorsam bei dem Herrn Jesus! Gott hatte den ersten Menschen in denkbar günstigste Umstände gesetzt, in denen noch alles frei von der Sünde war. Und doch versagte der Mensch, indem er dem einzigen Gebot, das Gott ihm gegeben hatte, ungehorsam war. Auch im kommenden Reich, wenn Satan gebunden sein wird, werden die Menschen darin versagen, Gott den geforderten Gehorsam zu leisten. Doch wenn wir den Herrn Jesus hier auf der Erde sehen, dann unter denkbar ungünstigen Umständen. Denken wir doch an die Versuchungen in der Wüste, als er hungrig und durstig war, als Satan ihn versuchte und ihm die Annehmlichkeiten dieser Erde vorstellte. Doch da, wo der erste Adam gefehlt hatte, da blieb der zweite und letzte Adam gehorsam und abhängig. Diese Abhängigkeit hatte sich vor allem in seinem ausgeprägten Gebetsleben gezeigt. Es verwundert daher nicht, dass wir ihn, kurz vor seinen schwersten Stunden, als Satan wieder versuchend an ihn herantrat, wieder im Gebet sehen. Dieses Mal stellt er ihm nicht die Annehmlichkeiten dieser Erde vor, sondern den ganzen Schrecken, den Golgatha bedeuten würde. Es war immer das Bestreben Satans, den Herr von seinem Weg des Gehorsam und der Abhängigkeit abzubringen.  Doch hören wir den Herrn sagen: „… doch nicht wie ich will, sondern wie du willst …, so geschehe dein Wille“ (Mt 26,39.42). Wie in seinem Leben, so blieb er auch in seinem Tod seinem Gott und Vater gehorsam – selbst dann, wenn es so einen schändlichen und qualvollen Tod wie den am Kreuz bedeuten würde. Doch gerade weil der Herr Jesus diesen Versuchungen Satans nicht nachgab, bedeuteten sie für ihn Leiden (vgl. Heb 2,18; 5,8). Der Herr Jesus hat und konnte den Versuchungen nicht nachgeben, denn er ist der Sündlose. Satan hatte nichts im Inneren des Herrn Jesus, an das er hätte anknüpfen können (vgl. Heb 4,15). Dennoch empfand er in seiner heiligen Seele das Böse. Der Herr wurde versucht und blieb doch gehorsam und litt deshalb. Dieser Gehorsam war aber kein zwanghafter Gehorsam, wie er leider bei uns Menschen zu finden ist, sondern ein Gehorsam aus Liebe. „Aber damit die Welt erkenne, dass ich den Vater liebe und so tue, wie mir der Vater geboten hat“ (Joh 14,31).

Staunend, anbetend und danksagend dürfen wir unseren Herrn so betrachten. Er blieb gehorsam bis in den Tod – einen Tod, den als Lohn unserer eigenen Sünde du und ich hätten erdulden müssen. Denn wir sind von Natur aus ungehorsam, „Söhne des Ungehorsams“ (Eph 2,2), „indem wir den Willen des Fleisches und der Gedanken taten“ (Eph 2,3), und waren so auch „von Natur Kinder des Zorns“, die nichts anderes verdient hatten als Gottes gerechtes Gericht (Röm 2,8). Doch Dank sei dem, der, durch seinen Gehorsam, uns aus der Stellung von Sündern in die Stellung von Gerechten versetzt hat (Röm 5,19).