Der kleine Abschnitt, den wir gelesen haben, stellt eine inhaltliche Abweichung dar. Wenn man nach dem Inhalt geht, hat hier der Apostel Johannes eine Abweichung vom normalen Text, den er hier behandelt. Diese drei Verse sind von ausnehmender Schönheit, und sie sind ein Beweis dafür, dass Abschweifungen in der Bibel oft die höchsten und schönsten Gedanken offenbaren. Wenn wir sagen „eine Abschweifung”, dann wird das manchmal missverstanden, als ob es nicht so wertvoll wäre – ganz im Gegenteil! Der Heilige Geist hat es in manchen Stellen des Neuen Testamentes getan, dass er bei einem Gegenstand stehen bleibt und ihn ein wenig ausmalt, um dann weiterzugehen. So ist es auch mit unseren drei Versen, die wir gelesen haben.

Der Apostel hatte von dem Geboren-Sein gesprochen, lasst uns mal eben den Vers vorher lesen: „...jeder, der die Gerechtigkeit tut, ist aus ihm [das ist aus Gott] geboren”. Er hat also jetzt den Gegenstand vor sich, dass wir, liebe Freunde, aus Gott geboren sind. Er macht sich mit den Gläubigen, an die er schreibt, eins, er sagt immer „wir” und „uns”, und da möchte ich jetzt mal auf eine Besonderheit im Grundtext hinweisen. Bei dem Ausdruck „geboren sein” steht im Grundtext eine Perfektform, die bedeutet, dass etwas in der Vergangenheit geschehen ist, aber gegenwärtige Ergebnisse hat. Wir können es also jetzt ein bisschen freier, aber genauer übersetzen: „Wer aus ihm geboren ist, der hat jetzt dieses neue Leben”. Er ist aus Gott geboren worden, als er sich zu ihm wandte, und jetzt hat er das als Besitz. Mich erfreut immer diese Perfektform – wir werden sie gleich wiederfinden im ersten Vers des dritten Kapitels.

“Seht!” Er knüpft also jetzt an den Gedanken des von-Neuem-geboren-Seins, des aus-Gott-geboren-Seins an, das wird jetzt näher erklärt. Und er beginnt seinen wichtigen Abschnitt mit einem Aufruf, sich doch mal die Sache anzusehen, von der er jetzt sprechen will. Ich finde es beglückend, dass Gott durch seinen Knecht redend, sagt: „Schaut euch jetzt mal die Sache genauer an, die ich euch jetzt vorstellen will. Schaut doch mal!” Ich denke, wir sollten solche Wörter nie als Füllwörter ansehen. „Seht”, das ist kein nebensächliches Füllwort, das wir uns auch sparen könnten, nein, es ist ein Wort, das davon spricht, dass wir uns genauer anschauen, was er sagt.

„Seht” – und er kommt jetzt auf die Liebe des Vaters zu sprechen und auf die Kinder Gottes. Er hatte noch nicht von den Kindern Gottes gesprochen. Das ist sehr interessant, ist euch vielleicht noch nicht aufgefallen. Er hat natürlich von Gläubigen gesprochen, aber er hatte noch nie in seinem Brief bis hierher den Gedanken der Kinder. Er hatte noch nie gesagt, dass das Kinder sind, an die er schreibt.

Er hatte schon mehrfach vom Vater gesprochen, dreimal. Ich will gerade mal schnell die Stellen zeigen. In Kapitel 1 wird von dem ewigen Leben in Vers 2 gesagt: „Welches bei dem Vater war und uns offenbart worden ist”. Das geht also sehr nahe an unseren Text heran.

Und dann in Vers 4 am Ende: „Unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus”. In diesem Brief ist der Vater im Vordergrund, und ich denke deswegen, weil er von der Familie spricht, von der Familie Gottes. Da ist der Vater im Vordergrund. Wir werden auch gleich sehen, dass natürlich der Herr Jesus, der Sohn, auch seine Position hat, ganz klar, aber im Vordergrund steht jetzt der Vater.

Wir haben dann noch Kapitel 2, das dritte Mal: „Wenn wir gesündigt haben, haben wir einen Sachwalter” nicht bei Gott, sondern „bei dem Vater”.

“Welch eine Liebe”. Lasst mich mal, liebe Geschwister, einige Augenblicke bei den einzelnen Worten stehen bleiben. „Welch eine Liebe”. Ich bin absolut der Überzeugung, dass die Wiedergabe in unserer heiligen Schrift zu schwach ist. „Welch eine Liebe” – das ist einfach zu schwach für das, was im Griechischen steht. Im Grundtext steht ein Wort hier, welches meint, von welcher Beschaffenheit die Sache oder die Person ist, wie die Sache beschaffen ist.

Ich schaue jetzt mal eben in die Bibel hinein, wo das auch vorkommt, dieses Wort, das macht uns dann hoffentlich ein bisschen klarer, was hier gemeint ist in unserer Stelle. In Matthäus 8, da ist der Herr Jesus auf dem See mit den Jüngern, in dem Sturm, und er hatte dort geschlafen und die Jünger wecken ihn auf und der Herr steht auch auf, bedroht Wind und Wellen, und dann heißt es in Vers 27: „Die Menschen aber verwunderten sich und sprachen: Was für einer ist dieser, dass auch die Winde und die Wellen ihm gehorchen?” Da steht bei diesem „was für einer” genau dieses Wort, was wir in 1. Johannes 3 haben – „von welcher Art ist diese Person, die in der Lage ist, Wind und Wellen zu befehlen und zu bändigen? Was ist das für einer?”

Dann haben wir nochmal das gleiche Wort – muss ich gerade mal schauen – in 2. Petrus 3. Dort wird der Tag des Herrn im Gericht vorgestellt, und dann heißt es, Kapitel 3: „Welche solltet ihr dann sein?” Wenn die Welt untergeht, welche solltet ihr dann sein? Von welcher Art sollten wir Kinder Gottes sein, wenn wir die Dinge vorgestellt bekommen, die sich einmal hier abspielen werden.

„Welch eine Liebe”. Um es jetzt mal mit meinen Worten zu sagen: Der Ausdruck spricht von der Qualität der Liebe Gottes. Mit aller Hochachtung sag ich das. Es ist die Qualität, von der Johannes hier spricht. „Welch eine Liebe”.

Und dann kommt ein zweiter Punkt hinzu: Ich habe noch nie im Neuen Testament irgendwo gelesen, dass uns diese Liebe des Vaters gegeben ist. Hier steht das aber: „welch eine Liebe”, was für eine Art von Liebe der Vater uns gegeben hat. Das ist die einzige Stelle, die ich kenne, wo von der Liebe Gottes und des Vaters als von einem Geschenk gesprochen wird, als von einer Gabe, die er uns geschenkt hat. Die Liebe des Vaters ist eine Gabe, ein Geschenk.

Und hier steht bei „gegeben” wieder diese Perfektform, wie wir sie im Vers vorher hatten bei „geboren sein”. Diese Gabe ist uns gegeben – wieder diese Perfektform. Das bedeutet, wir haben die Gabe in der Vergangenheit geschenkt bekommen und jetzt haben wir sie.

Macht dich das auch glücklich, sag mal? Die Liebe des Vaters, welch eine Art von Liebe ist das, dass er uns so behandeln kann, dass er uns zu Kindern macht – zu seinen Kindern! Er hätte aus uns etwas anderes machen können, wenn er unbedingt aus Sündern etwas machen wollte. Um mal mit der Sprache des Alten Testamentes zu sprechen: Er hätte uns zu Holzhauern und zu Wasserträgern in seinem Tempel machen können – aber er hat uns zu Kindern gemacht. „Ihr sollt so heißen” – das ist diese besondere Art von Liebe, die uns geschenkt worden ist, dass wir Kinder Gottes heißen sollen.

Und dann kommt der Nachsatz: „Und wir sind es”. Wer noch die ältere Ausgabe hat wie ich, da steht der Satz nicht drin. Warum fehlt bei den meisten Übersetzungen dieser Satz? Ich hab den Eindruck, (es ist bloß eine Meinung jetzt) dass sich bei den Abschreibern, die früher die Bibel abgeschrieben haben – es gab noch keine Druckerei, es wurde noch alles von Hand geschrieben – wenn sie an die Stelle kamen „und wir sind es”, ihre Feder gesträubt hat – das war ihnen zu viel des Guten! Aber dieser Satz „und wir sind es” ist bestens bezeugt von den alten Handschriften, die wir haben. Es ist also offenbar eine Weglassung gewesen, die Menschen sich geleistet haben, aus welchem Grund auch immer, aber es war eine Weglassung. Jetzt steht es da: „Und wir sind es”.

Liebe Geschwister, was wir jetzt hier besprechen, ist eine Segnung für diesen Augenblick, für diese Zeit, in der wir leben. Wir müssen nicht warten, bis wir einmal Kinder Gottes werden, wir müssen nicht warten, bis wir in den Himmel kommen, um dann Kinder zu sein. Liebe Freunde, wir sind es. Macht dich das glücklich? Wir sind Kinder Gottes.

[Nach einem Vortrag]