Die Unterlegenheit Abrahams

Abraham, der Patriarch, der Fürst Gottes, der Träger der Verheißungen, der Vater aller Glaubenden steht vor Melchisedek und wird von ihm, dem „Besseren“ gesegnet. Durch den Zehnten erkannt er die absolute Überlegenheit Melchisedeks an. Die Juden sagten zu dem Herrn Jesus: „Bist du etwa größer als unser Vater Abraham, der gestorben ist? ... Was machst du aus dir selbst?“ Ach, er machte nichts aus sich selbst. „Ehe Abraham wurde, bin ich.“ Abraham wurde, jeder Mensch wurde, aber er nicht. Er war, nein, er ist. Wenn er etwas wurde, dann nur als Mensch. „Das Wort wurde Fleisch.“ Aber das ewige Wort war im Anfang.

Wer rief Abraham denn aus Ur in Chaldäa, wer erschien ihm unter der Terebinthe Mores, wer gebot ihm vom Himmel her Einhalt, als er Isaak schlachten wollte, wer verhieß ihm, dass in seinen Nachkommen alle Enden der Erde gesegnet werden würden? Es war kein anderer als Jahwe-Jesus, von dem Melchisedek hier ein schwaches Bild ist.

Die Unterlegenheit des aaronitischen Priestertums

Doch die scharfsinnige Argumentation des Schreibers des Hebräerbriefes geht weiter. Als Abraham gesegnet und gezehntet wurde, da befand sich Levi sozusagen noch in den Lenden Abrahams. Und so wurde auch Levi und mit ihm das ganze aaronitische Priestertum gesegnet und gezehntet. Abraham erkennt sozusagen, ohne es zu wissen, den Vorrang des Priestertums Melchisedeks (und damit im Bild des Priestertums Christi) vor dem Priestertum Aarons an.

Dieser Vorrang zeigt sich in vielen Punkten. Aaron und alle Priester starben. Christus ist Priester in Ewigkeit kraft seines unauflöslichen Lebens. Aaron musste für die eigenen Sünden Schlachtopfer bringen, Christus ist heilig und unbefleckt. Er hat das Vorbild des aaronitischen Priestertums erfüllt, indem er selbst das Opfer für die Sünde wurde. Und schließlich hat er sich, nachdem er in den Himmel gegangen ist, zur Rechten Gottes gesetzt, während alle Priester „täglich dastanden“, um den Priesterdienst zu verrichten.

Aaron bekam den Zehnten aufgrund der Anordnung im Gesetz. Melchisedek erhielt den Zehnten aufgrund seines persönlichen Vorrangs. Die ganze Würde Aarons leitet sich aus seinem Priestertum ab. Aber bei Christus verleiht seine Person seinem Amt als Priester Würde. Welch eine Person!

Die Unterlegenheit des Gesetzes

Und wenn das unter dem Gesetz eingeführte Priestertum Aarons abgelöst wird durch ein Priestertum nach der Ordnung Melchisedeks, dann musste das die Abschaffung des Gesetzes bedeuten. Genauso wenig wie Melchisedek etwas mit der gesetzlichen Priesterregelung zu tun hatte, hatte Christus etwas damit zu tun. Er hätte, weil er aus dem Stamm Juda kam, nach dem Gesetz gar kein Priester sein können.

Das Gesetz wird also geändert, es wird abgeschafft, weil es nichts zur Vollendung gebracht hat. Die „Nutzlosigkeit“ zeigt sich besonders beim Priestertum. Gott wohnte im Dunkel, der Vorhang war das Kennzeichen des Gottesdienstes, alles sprach von Distanz zu Gott. Aber das Priestertum Christi ist dadurch gekennzeichnet, dass es jetzt solche gibt, die „durch ihn Gott nahen“, die „Freimütigkeit haben zum Eintritt in das Heiligtum, auf dem neuen und lebendigen Weg, den er uns eingeweiht hat durch den Vorhang hin, das ist sein Fleisch.“