„Und als er in dieser Weise mit mir redete, richtete ich mein Angesicht zur Erde und verstummte. Und siehe, einer, den Menschenkindern gleich, berührte meine Lippen; und ich tat meinen Mund auf und redete und sprach zu dem, der vor mir stand: Mein Herr, wegen des Gesichts überfielen mich die Wehen, und ich habe keine Kraft behalten. Und wie vermag ein Knecht dieses meines Herrn mit diesem meinem Herrn zu reden? Und ich – von nun an bleibt keine Kraft mehr in mir, und kein Odem ist in mir übrig.“ (Vers 15–17)

Auch durch diese Worte des Engels wird Daniel sehr gebeugt und verliert seine Kraft und verstummt. Es ist die Güte Gottes, die wieder eine menschliche Gestalt sendet, die ihn stärken will. Daniel sagt ihm dann, dass er wegen des Gesichts aus den Versen 5+6 so schwach geworden war. Der Mensch zerschmilzt wie Eis vor der Sonne in der Gegenwart himmlischer Herrlichkeit, ob sie durch Engel gezeigt wird oder durch Gott selbst. Die eigentliche Botschaft über die Zukunft seines Volkes wird ihm dann erst ab Kapitel 11 gezeigt.

„Da rührte mich wieder einer an, von Aussehen wie ein Mensch, und stärkte mich. Und er sprach: Fürchte dich nicht, du vielgeliebter Mann! Friede dir! Sei stark, ja, sei stark! Und als er mit mir redete, fühlte ich mich gestärkt und sprach: Mein Herr möge reden, denn du hast mich gestärkt.“ (Vers 18–19)

In der Absicht, Daniel Mut und Kraft zu geben, um das gewaltige Gesicht ertragen zu können, rührt ihn ein weiterer Gesandter Gottes an. Insgesamt dreimal wird Daniel in diesem Kapitel 10 angerührt, und jedesmal wird dabei auch ein anderer Grund angegeben: in Vers 10 damit er aus seiner Betäubung herauskommt, in Vers 16 damit er aus seiner Sprachlosigkeit herauskommt, und hier in Vers 18 um aus seiner Kraftlosigkeit herauszukommen. Betäubt – sprachlos – kraftlos; gibt es solche Situationen nicht auch in unserem persönlichen Leben? Es ist ermunternd für uns, dass Gott dafür sorgt, dass wir nicht in einem solchen Zustand bleiben. Es ist sicher gut, wenn wir mal in einen solchen Zustand kommen, wenn wir mal Betäubung empfinden oder Sprachlosigkeit oder unsere eigene Kraftlosigkeit realisieren. Aber Gott möchte uns dann auch immer wieder neue Kraft geben.

Daniel erhält hier eigentlich eine dreifache Botschaft. Als erstes sollte sich Daniel nicht fürchten; die gleichen Worte hörte auch Johannes auf Patmos, als er den Herrn in Seiner richterlichen Herrlichkeit sah. Sie gelten auch uns heute – „die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus“ (1. Joh 4,18). Wie oft lesen wir diese Worte „Fürchte dich nicht“, und wie oft haben sie uns schon ermuntert! Als zweites hört er: „Friede dir“! Daniel wusste, was seinem Volk begegnen würde am Ende der Tage; und doch sagt Gott angesichts einer solchen Botschaft ihm persönlich: „Friede dir“! Wir brauchen diesen Frieden Gottes, und auch den entbietet der Engel hier dem Daniel. Wir haben unter uns traurige und sehr demütigende Entwicklungen, und da braucht jeder einzelne Diener des Herrn Kraft und Frieden! Die Umstände sind ja geeignet, den Frieden total zu zerstören. Und dann als drittes dieser doppelte Aufruf, stark zu sein. Von Josua bis Timotheus haben immer wieder die Gläubigen des Alten Testamentes und des Neuen Testamentes diesen ermutigen Zuruf gehört – aber nur bei Daniel steht es zweimal hintereinander. Wir wollen uns diese Zurufe ganz persönlich zu Herzen nehmen: „Fürchte dich nicht! Friede dir! Sei stark, ja, sei stark“!

Diese beiden Verse können jedem mutlosen und schwachen Diener des Herrn eine besondere Ermutigung sein. Nicht weniger als fünfmal wird hier von der Kraft Gottes geredet und davon, dass Er stärkt. Zuerst stärkte der Engel den Daniel; er kommt von Gott, und das erste, was er macht, ist, dass er Daniel stärkt. Wir leben in sehr ernsten Tagen, auch politisch in diesem Land, die Umstände sind sehr unruhig, und da brauchen wir Kraft, um in unserem Dienst zu bleiben. Wir brauchen unbedingt die Hilfe Gottes und dass Er uns stützt. Zweimal sagt der Engel dann zu Daniel: „Sei stark“. Reichte nicht einmal? Ist es nicht ein besonderer Zuspruch und eine Bestärkung seitens Gottes? Und dann wird in Bezug auf Daniel zweimal von dem Gestärkt-Werden gesprochen. Haben wir es nicht schon vielfach erlebt, dass wir uns gestärkt fühlten, wenn wir in notvollen Umständen das Wort Gottes öffneten und Er mit uns redete? Haben wir dann nicht erlebt, wie Er uns tatsächlich stärkt? Die Umstände sind dieselben wie vorher, aber Er stärkt uns! Wie kaum an einer anderen Stelle wird in diesen beiden Versen der Gedanke des Gestärkt-Werdens betont – was für eine Ermutigung auch für uns!

Diese Verse sind aber auch eine Zubereitung für den Daniel in Bezug auf das, was ihm noch gezeigt werden würde. Er ist jetzt bereit für die Botschaft, die dann in Kapitel 11+12 folgt. Wenn Gott uns etwas mitteilen will oder wenn Er uns für etwas gebrauchen will, dann bereitet Er vorher zu. Es bedarf auch für uns heute eines gewissen inneren Zustandes, um prophetische Botschaften aufnehmen und verstehen zu können. Wir brauchen das Bewusstsein, vor dem Herrn zu stehen, aber auch die Gewissheit, dass Er auf unserer Seite steht. Wir sollen nicht gleichgültig sein, aber wir brauchen auch keine Furcht zu haben. Und wir dürfen auch an der Gewissheit erfreuen, von Ihm geliebt zu sein.

„Da sprach er: Weißt du, warum ich zu dir gekommen bin? Und jetzt werde ich zurückkehren, um mit dem Fürsten von Persien zu kämpfen; aber wenn ich ausziehe, siehe, so wird der Fürst von Griechenland kommen. Doch will ich dir kundtun, was im Buch der Wahrheit verzeichnet ist. Und kein Einziger steht mir gegen jene mutig bei als nur Michael, euer Fürst. Und auch ich stand im ersten Jahr Darius‘, des Meders, ihm bei als Helfer und Schutz“ (Vers 20- Kap 11,1)

Nachdem Daniel gestärkt worden ist, fragt ihn der Engel, ob er wüsste, wozu er zu ihm gekommen sei. Er würde jetzt wieder umkehren und würde mit dem Fürsten von Persien zu streiten haben, und dann würden auch noch andere Fürsten kommen. Außer dem Fürsten von Persien würde er an seinem Ausgangspunkt auch noch den Fürsten von Griechenland antreffen, beide in feindseliger Absicht. Dabei geht es um das zweite und das dritte Weltreich, von denen das dritte Weltreich noch gar nicht existierte sondern erst Hunderte Jahre später auftreten würde. Aber im Himmel fand diese Auseinandersetzung schon statt. Die himmlischen Mächte trugen aber dafür Sorge, dass noch drei Könige in Persien aufstehen konnten. Darius, der Meder, war also der erste dieser Könige, der neben Kores, dem Perser regiert hatte. Und nach ihm kamen drei weitere Könige, von denen zwei relativ feindlich gesinnt waren. Aber die auf der Erde lebenden Völker und ihre Führer waren sich dieser im Himmel stattfindenden Auseinandersetzungen überhaupt nicht bewusst (vgl. Jes 10,7). Das, was hier auf der Erde geschieht, hat sein Gegenspiel im Himmel.

Aber der Engel wollte ihm kundtun, was im Buch der Wahrheit verzeichnet ist. Diesen Satz verstehen wir besser, wenn wir das Wörtchen vorher einfügen: „Doch will ich dir vorher kundtun, was im Buch der Wahrheit verzeichnet ist“. Also er geht zurück an seinen Ausgangsort in den Himmel und weiß, dass ihm dort Feindschaft begegnen würde; aber vorher würde er dem Daniel noch die Wahrheit offenbaren. Es würde also nicht wieder passieren, dass Daniel drei Wochen warten muss, sondern der Engel lässt jetzt die Angelegenheit im Himmel erstmal so stehen und tut vorher dem Daniel das Gesicht kund. Und das beginnt dann in Kapitel 11 ab Vers 2.

Das ist doch sehr bewegend! Gott war es jetzt erstmal wichtig, dass Daniel nach den 21 Tagen des Wartens ermutigt wird und diese Mitteilung bekommt. Was für eine Wertschätzung Gottes für diesen vielgeliebten Mann!

Wieder wird der Erzengel Michael erwähnt, der schon in Vers 13 dem anderen Engel geholfen hatte, um den Sieg gegen den Fürsten von Persien zu erringen. Das scheint nur ein Etappensieg gewesen zu sein, denn der grundsätzliche Kampf würde noch weitergehen. Satan muss bei seinem Fall eine Unmenge von Engeln mit sich gezogen haben, und hier steht der Engel, der bei Daniel war, allein mit Michael gegen eine ganze Menge von feindlichen Engeln. Und deren Ziel ist immer gegen Christus und gegen das Volk Gottes. Diese Zielrichtung steht hinter jeder kriegerischen Auseinandersetzung hier auf der Erde.

Hier ist es nun der Engel, der zu Daniel spricht, der dann dem Michael als Helfer und Schutz beisteht, und zwar im ersten Jahr Darius, des Meders. Dan 6,1 zeigt uns diesen Zeitpunkt; in dieser Zeit hatten die Feinde Daniels nur Böses gegen ihn im Sinn und wollten ihn zu Tode bringen. Dass aber dieser Darius andere Gedanken über Daniel bekam, dass er ihn in einer seltenen Weise wertgeschätzt hat, das hat sicher auch im Himmel seine Vorgeschichte gehabt. Dort werden Einflüsse genommen auf die Personen und Umstände hier auf der Erde. Die Fürsten hatten dagegen gearbeitet, aber der Einfluss des Himmels bewirkte, dass Darius Wohlgefallen hatte an Daniel.

Gott tut die Dinge vorher kund, bevor sie geschehen (vgl. Joh 13,19; 14,29; 2. Pet 3,17; Jes 46,9+10). Gott steht mit der ganzen Größe und Majestät Seiner eigenen Person hinter dem, was geschehen wird. Und für uns ist es eine Sache des Glaubens, die prophetischen Wahrheiten anzunehmen bevor sie sich ereignen.