Dieser jetzt folgende letzte Abschnitt von Daniel 12 kann in drei Teile eingeteilt werden:

  • Vers 5–7:               eine erste Frage: Wie lange wird das Ende dieser wunderbaren Dinge dauern?

die Antwort: 3 ½ Jahre, und auch der Zeitpunkt dafür wird angegeben

  • Vers 8–12:            eine zweite Frage: Was wird das Ende davon sein?

die Antwort ist zweigeteilt: eine moralische Auswirkung und auch Glückseligkeit

  • Vers 13:                ein ganz persönliches Wort an Daniel

„Und ich, Daniel, sah: Und siehe, zwei andere standen da, einer hier am Ufer des Stromes und einer dort am Ufer des Stromes. Und einer sprach zu dem in Leinen gekleideten Mann, der oben über dem Wasser des Stromes war: Wie lange wird das Ende dieser wunderbaren Dinge dauern? Und ich hörte den in Leinen gekleideten Mann, der oben über dem Wasser des Stromes war, und er erhob seine Rechte und seine Linke zum Himmel und schwor bei dem, der ewig lebt: Eine Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit. Und wenn die Zerschmetterung der Kraft des heiligen Volkes vollbracht sein wird, dann werden alle diese Dinge vollendet sein.“ (Vers 5–7)

Daniel sieht jetzt drei Männer: den in Leinen gekleideten Mann über dem Wasser des Stromes. Das ist der Herr Jesus in der damals offenbarten Form, wie wir Ihn in Dan 10,4+5 am Anfang dieses Gesichtes gesehen haben. Und auf der einen Seite des Stromes und auf der anderen Seites des Stromes stehen zwei andere Männer.

Einer dieser beiden Männer stellt dem Herrn Jesus die ersten dieser beiden Fragen: „Wie lange wird das Ende dieser wunderbaren Dinge dauern“? Diese ganze Szene wird wunderbar genannt; das meint aber nicht so wie wir das oft verstehen, dass es um schöne und angenehme Dinge geht, sondern es geht um die große Drangsal, um Gerichtsszenen, um die Zerschmetterung der Kraft des heiligen Volkes. Das würden wir normalerweise nicht als wunderbar bezeichnen. Aber Gott offenbart hier etwas von sich – und das ist immer wunderbar, auch im Gericht! Gott verherrlicht sich auch im Gericht, nicht nur in Gnade.

Der Herr hebt beide Arme zu Himmel, was für ein feierlicher Ernst, und schwört bei Gott, der ewig lebt. Gott hat bei keinem Größeren zu schwören, als bei sich selbst (Heb 6,13), und das ist das Ende jeden Widerspruchs. Dagegen gibt es nichts mehr vorzubringen. Eine ähnliche Szene haben wir in Off 10,1–7.

Die Antwort des in Leinen gekleideten Mannes haben wir jetzt schon einige Male in verschiedenen Ausdrucksweisen gehört; es sind die 3 ½ Jahre der zweiten Hälfte der letzten Jahrwoche Daniels (Dan 7,25; 9,27), die auch mit 42 Monaten oder 1260 Tagen beschrieben werden (Off 12,6; 13,5). In dieser Zeit werden die schlimmsten Dinge auf dieser Erde geschehen in Verbindung mit dem Haupt des römischen Reiches und dem Antichristen (Off 13) und Babylon (Off 17). Das wird die entscheidende Phase ein, in der sich das Bild der Welt in Gottes Augen völlig entfalten wird und an deren Ende sie ihr gerechtes und direktes Urteil durch das Erscheinen des Herrn selbst empfangen wird.

Der Ausdruck die Zerschmetterung der Kraft des heiligen Volkes beschreibt auf sehr ernste Weise die Drangsal Jakobs, diese Gerichtszeit, die einmal auch zu Ende gehen wird. Am Ende dieser Drangsalszeit wird dem Volk keine Kraft mehr übrigbleiben, Schwachheit wird den Überrest kennzeichnen. Und gerade in dem Augenblick, wo alle Widersacher dieses Volkes meinen, gesiegt zu haben, kommt der Herr und rettet Sein Volk. Der der zerschmettert hat, der wird Sein Volk auch heilen bevor das herrliche Friedensreich beginnt. Es wird hier als das heilige Volk bezeichnet, nicht weil sie in der Praxis sich als so heilig erwiesen hatten, sondern weil sie das Volk waren, das Gott gehörte. Das ist immer die Grundbedeutung von heilig: es gehört Gott.

„Und ich hörte es, aber ich verstand es nicht; und ich sprach: Mein Herr, was wird das Ende davon sein? Und er sprach: Geh hin, Daniel; denn die Worte sollen verschlossen und versiegelt sein bis zur Zeit des Endes. Viele werden sich reinigen und weiß machen und läutern, aber die Gottlosen werden gottlos handeln; und alle Gottlosen werden es nicht verstehen, die Verständigen aber werden es verstehen.“ (Vers 8–10)

Daniel hörte die Antwort dieses Mannes, aber er verstand sie nicht. Und er gestand es auch ein, dass ihm das volle Verständnis über das, was er gehört und gesehen hatte, noch fehlte. Grundsätzlich hatte er die Sache und das Gesicht schon verstanden (Dan 10,1), aber wohl nicht in allen Einzelheiten. Er hatte dieses lebhafte Interesse an dem, was er gesehen und gehört hatte, und er besaß auch die Freimütigkeit, jetzt diese Frage zu stellen. Als der Herr Jesus mit Seinen Jüngern geredet hatte, wird einmal gesagt, dass sie ihn nicht verstanden und nicht wagten, Ihn zu fragen (Mk 9,32). Vielleicht haben auch wir nicht alles verstanden aus dieser Betrachtung. Bitten wir den Herrn dann, dass Er uns beim Durchforschen hilft und Verständnis gibt? Eine solche Forschungsarbeit wird sich immer lohnen!

Als Antwort bekommt Daniel fast eine Wiederholung von dem, was ihm in Vers 4 gesagt wurde. Entsprechend den Regierungswegen Gottes sollten die Worte dieser Weissagung für die Allgemeinheit verschlossen sein.

Dann werden zwei gegensätzliche Gruppen von Menschen vorgestellt. Auf der einen Seite die Gottlosen, die es zu allen Zeiten gab, die grundsätzlich keinen Einblick in die Dinge Gottes haben. So wird es immer sein, solange es Gottlose gibt. Aber es wird andererseits auch viele geben, die sich reinigen und die dadurch verständig werden. Wir hatten schon gesehen, dass in der Offenbarung die Dinge nicht verschlossen werden sollten, aber auch da folgt in dem anschließenden Vers eine solche Gegenüberstellung von zwei Gruppen, wie hier in Daniel 12 (Off 22,10+11). Jede dieser beiden Gruppen bleibt bei dem, was ihr Zustand sowieso ist, er ändert sich nicht mehr. Es gibt bei Gott einen Zeitpunkt, wo Er die Zustände versiegelt, wo die Würfel gefallen sind! Dann ist der, der sich für die Gottlosigkeit entschieden hat, auf einem Weg, wo er davon nie wieder umkehren kann.

Wie schön, dass diejenigen, die sich reinigen, viele sind, mehr, als man vielleicht vermuten würde. Das Reinigen scheint eine Konsequenz zu sein aus dem, was das Gesicht in sich schloss. Sie mögen diese Worte durchforschen aber nicht verstehen, und doch ist ein reinigender Effekt da. Sie bekennen die Schuld des Volkes, auch die persönliche Schuld, und dadurch reinigen sie sich. Ist das nicht großartig! Die gläubigen Juden werden die Dinge erst am Ende der Tage verstehen; aber der Umstand, dass sie warten müssen, lässt sie sich reinigen und läutern. Sie laufen dem Regierungshandeln Gottes nicht davon sondern stellen sich darunter und werden dadurch geläutert. In Dan 11,35 wird von den Makkabäern gesagt, dass dieser Prozess des Reinigens und Läuterns und Weiß-Machens mit ihnen geschieht, hier aber ist es ihre persönliche Haltung, die sie einnehmen.

Von den Verständigen wird nicht gesagt, dass sie es erst am Ende der Tage verstehen werden. Es scheint für sie eine gewisse Vorerfüllung zu bedeuten. Im absoluten Sinn beziehen sich diese Worte hier auf die Zeit des Endes, in der wir eben noch nicht leben. Aber im übertragenen Sinn sieht Gott uns doch in den letzten Tagen, als solche, die Teilhaber der letzten Zeit sind. Und unser Teil ist, dass wir durch die Salbung von dem Heiligen alles wissen (1. Joh 2,20). Wir dürfen die Schriften durchforschen, und der Herr gibt uns Licht und Erkenntnis darüber.

Und von der Zeit an, da das beständige Opfer abgeschafft wird, und zwar um den verwüstenden Gräuel aufzustellen, sind 1290 Tage. Glückselig der, der ausharrt und 1335 Tage erreicht!“ (Vers 11–12)

Die 1260 Tage, also die 3 ½ Jahre der Drangsalszeit als Abschluss der 70.Jahrwoche Daniels, sind die Zeitdauer der Not und des Kampfes für das Volk. Aber jetzt werden noch zwei weitere Zeiträume genannt, zum einen 30 weitere Tage, und zum anderen noch einmal 45 weitere Tage. Es sind also Zeiträume, die etwas hinausgehen über die 3 ½ Jahre. Es scheint so, als will Gott damit andeuten, dass zur Wiederherstellung aller Dinge doch noch einiges gehören wird. Gott wird dazu noch einige Tage mehr ‚brauchen‘, bis alles in völliger Ruhe in die Bahnen gekommen ist, die Sein Ratschluss vorgesehen hat.

Mit Sicherheit beweisen, was diese zusätzlichen Zeiträume bedeuten, können wir nicht. Das ganze Wort Gott gibt uns keine weiteren Hinweise darauf. Es ist eine der Stellen in Gottes Wort, wo wir bis heute keine abschließende Antwort finden können. Deshalb wollen wir uns mit dem Gedanken bescheiden, dass, wie der Himmel höher ist als die Erde, die Wege Gottes höher sind als unsere Wege, und Seine Gedanken höher als unsere Gedanken (Jes 55,9)! Wir haben hier einen Einblick in Gottes Wege, die sich vielleicht schon in ganz kurzer Zeit erfüllen werden; aber damit wollen wir nicht nur unsere Kenntnis vermehren, sondern wir sollen in unseren Herzen die Schlussfolgerung ziehen, dass der Herr bald kommt. Das sollte die nachdrückliche Lektion für uns aus dieser Betrachtung sein! Leben wir jeden Tag in der Erwartung des Kommens des Herrn?

„Du aber geh hin bis zum Ende; und du wirst ruhen und wirst auferstehen zu deinem Los am Ende der Tage.“ (Vers 13)

Dieser Vers ist ein wunderbarer Abschluss des ganzen Buches. Nach allem, was Daniel zu sehen bekommen hatte, was ihn erschreckt oder auch beglückt haben mochte, bekommt er jetzt noch eine persönliche Ermunterung. Er sollte hingehen bis zu seinem Ende. Was auch sich entwickeln mag inmitten der Christenheit, lasst auch uns jeder persönlich unseren Weg mit dem Herrn gehen bis zum Ende unserer Tage, lasst uns treu bleiben und Ihm nachfolgen.

Dann folgt noch diese ganz persönliche Verheißung, dass Daniel auferstehen wird am Ende der Tage. Aus 1. Thes 5,16+17 wissen wir, dass er auferstehen wird, wenn der Herr Jesus zur Entrückung Seiner Versammlung wiederkommen wird. Er wird teilhaben an der Herrschaft im 1000-jährigen Reich und wird als Gerechter leuchten in dem Reich des Vaters (Mt 13,43).

Wollen wir uns am Ende der Betrachtung dieses Buches auch ermuntern lassen, auf diesem Weg der Treue zu bleiben, Ihm nachzuahmen, bis zu unserem Ende, wie es auch kommen mag – ob wir durch den Tod zu gehen haben oder lebendig entrückt werden bei Seiner Wiederkehr!