Nicht selten finden wir in der Heiligen Schrift einzelne Verse, die mit wenigen Worten ganze Bereiche von unermeßlicher Tragweite umschreiben. Ein solcher Vers begegnet uns zum Beispiel im ersten Korintherbrief am Ende des ersten Kapitels, und wir können sagen, dass er in äußerst knapper Form das wiedergibt, was ein Christ ist:

„Aus ihm aber seid ihr in Christus Jesus, der uns geworden ist Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung“ (1. Kor 1,30).

Unsere Stellung und deren Ursprung

Dass dieser Vers in völligem Gegensatz zu den Anmaßungen des menschlichen Geistes und zu der falschen Gerechtigkeit der Juden unter dem Gesetz steht, sei mehr am Rande bemerkt.

Doch mit diesen Grundsätzen hatte sich der Apostel im ersten Kapitel beschäftigt und der Weisheit der Welt die Torheit des Kreuzes Christi entgegengesetzt. Nein, wir Christen verdanken unsere Stellung in keiner Weise der Weisheit der Welt oder dem Gesetz. Nicht durch Vernunftschlüsse, nicht durch unser Nachdenken über Gott haben wir sie erreicht.

Wir sind vielmehr „aus ihm in Christus Jesus“, das heißt aus Gott.

Der Ursprung alles dessen, was wir als Christen sind, liegt in Ihm. Gott selbst ist die Quelle all der Gnade, die uns in Christus Jesus erreicht hat.

Wir haben in 1. Johannes 4 eine ähnlich klingende Stelle, die aber eine weitergehende Bedeutung hat: „Ihr seid aus Gott, Kinder“ (Vers 4).

Auch hier wird der Ausdruck „aus Gott“ benutzt und damit Gott als Ursprung vorgestellt. Aber die Betonung liegt darauf, dass wir unser Leben, unsere Natur als Kinder Gottes von Gott selbst als dem Ursprung dieses Lebens empfangen haben.

Das ist ja auch das eigentliche Thema von Johannes – die Natur Gottes.

In 1. Korinther l dagegen geht es wohl kaum um diesen Gedanken. Hier wird vielmehr gezeigt, dass im Blick auf unsere Errettung nichts von den Menschen, sondern alles von Gott ausgeht. Unsere Stellung als „in Christus Jesus“ hat ebenfalls ihren Ursprung allein in Gott. Aus Ihm sind wir in Christus Jesus.Gesegnetes Vorrecht! Es ist das Teil jedes wahren Kindes Gottes. Wir sind ganz in Christus eingeschlossen, so dass, wenn Gott auf uns blickt, Er nur Christus sieht.

Unsere Existenz, unser Stand ist in Christus. Gott hat uns in Seiner Gnade dorthin gebracht, und dort sind und bleiben wir. Halten wir das fest trotz aller Anfechtungen Satans!

Wenn Paulus einen wahren Christen beschreiben will, dann nennt er ihn einen Menschen in Christus: „Ich kenne einen Menschen in Christus“ (2. Kor 12,2).

Wir wissen, dass er an dieser Stelle von sich selbst und seiner besonderen Erfahrung, der Entrückung in den dritten Himmel und in das Paradies, redet. Aber um anzudeuten, dass es sich bei dem Vorgang um etwas handelte, was dem Grundsatz nach allen Gläubigen gehört, verwendet er diesen Ausdruck Mensch in Christus.

Es war nicht etwas, was für ihn als Apostel typisch war. Wie schön ist das! Und im fünften Kapitel desselben Briefes erfahren wir noch etwas Wesentliches über die, die „in Christus“ sind: Sie sind eine neue Schöpfung. „Daher, wenn jemand in Christus ist, da ist eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden“ (2. Kor 5,17)).

Weisheit von Gott

Nun nennt der Apostel vier Stücke, die uns in Christus Jesus von Gott geworden, die uns in Ihm zugeflossen sind. Sie beschreiben noch eingehender, was wir in dem Herrn Jesus tatsächlich besitzen.

Das erste ist Weisheit. Wir mögen uns fragen, warum gerade Weisheit als erstes genannt wird. Die Antwort mag darin liegen, dass es ja in diesem Kapitel besonders um die Wertlosigkeit der menschlichen Weisheit und darum geht, dass diese Weisheit durch das Kreuz Christi zunichte gemacht werden mußte.

Aber Gott hat auch Seine Weisheit, wenn wir das einmal so ausdrücken dürfen; und diese Weisheit Gottes ist in Christus Jesus zusammengefasst oder zum Ausdruck gekommen, besonders in Ihm als gekreuzigt.

Alle Gedanken Gottes finden in dem Herrn Jesus, unserem Heiland, ihren Mittelpunkt, ihren Inhalt und ihr Ziel. Sie laufen alle auf Ihn und Seine Verherrlichung hinaus. Und wenn wir Christus haben, sind wir im Besitz der Weisheit Gottes. Christus ist Gottes Kraft und Gottes Weisheit (1. Kor 1,24).

Wir brauchten übrigens diese Weisheit Gottes. Das ist uns vielleicht nicht immer bewusst, aber es ist so. Denn von Natur aus waren wir wie die übrigen Menschen am Verstand verfinstert, waren in Unwissenheit über uns selbst und über Gott (Eph 4,18). Wir waren nicht nur in der Finsternis (Apg 26,18), sondern waren selbst Finsternis (Eph 5,8).

Von uns aus konnten wir nicht zu Gott finden. Aber durch Seine Gnade sind wir jetzt Licht in dem Herrn, wir befinden uns in dem Licht der Offenbarung Gottes.

Wenn wir nun den Herrn Jesus anschauen, sehen wir die Weisheit Gottes in Person, und das nicht allein im Blick auf den Weg der Errettung, sondern in jeder Hinsicht. Der Heilige Geist bringt uns durch das Wort diese Person der Ratschlüsse Gottes vor das Herz – Christus. Und je mehr wir uns mit dem beschäftigen, was uns die Schrift über Ihn mitteilt, desto klarer wird unser Blick in bezug auf alles, was um uns her geschieht.

Desto deutlicher erkennen wir auch, was die Gedanken Gottes für die Zukunft sind. Es sind Gedanken, die weit bis in die Ewigkeit reichen und in deren Licht wir alles zu beurteilen vermögen. Aber der Schlüssel zu allem Verständnis göttlicher Dinge ist Christus. Sind wir nicht reich beschenkt, wenn wir Christus besitzen und damit die Weisheit Gottes? Christus ist unsere Weisheit, und das von Gott. Menschliche Hochschulen können sie nicht vermitteln.Gerechtigkeit

Aber wir bedurften nicht nur der Weisheit Gottes, sondern auch Seiner Gerechtigkeit. Sie kommt nun als nächstes Stück vor uns. Christus ist uns auch zur Gerechtigkeit geworden. Wir selbst hatten keine Gerechtigkeit, die vor Gott Bestand gehabt hätte.

All unsere vermeintlichen Gerechtigkeiten waren vor ihm nur wie ein unflätiges Kleid (Jes 64,6). Wir waren Sklaven der Sünde und als solche „Freie von der Gerechtigkeit“, so wird das fast ein wenig ironisch im Römerbrief ausgedrückt (Kap. 6,20). „Freie von der Gerechtigkeit“ – das bedeutet, wir besaßen keine.

Gerechtigkeit ist nicht Rechtfertigung. Rechtfertigung ist das Ergebnis des Handelns Gottes mit denen, die an das Werk Seines Sohnes glauben. Weil Gott durch dieses Werk am Kreuz vollkommen verherrlicht worden ist (was Er dadurch deutlich gemacht hat, daß Er Christus aus den Toten auferweckte), kann Er nun den rechtfertigen, der des Glaubens an Jesus ist (Röm 3,26).

Gerechtigkeit dagegen ist ein Wesenszug Gottes, sie zeichnet Ihn aus. Darum wird in Römer l von Gottes Gerechtigkeit gesprochen und gesagt, daß sie in dem Evangelium offenbart worden sei (Verse 16.17).

Das ist ein wunderbarer Gedanke. Bedenken wir, dass Gottes Gerechtigkeit alles Böse verurteilen und richten muss. Sie musste auch uns verdammen und uns für ewig in den Feuersee werfen. Da nun aber der Herr Jesus gestorben und auferweckt worden ist, offenbart sich die Gerechtigkeit Gottes für den Glaubenden nicht mehr darin, daß sie ihn verdammt, sondern darin, daß sie ihn rechtfertigt. So ist nun Christus unsere Gerechtigkeit, wir haben Ihn angezogen (Gal 3,27). Können wir Gott für dieses Teil je dankbar genug sein?

Heiligkeit

Christus ist uns auch zur Heiligkeit geworden. Auch das war ein dringendes Bedürfnis für solche, die in ihren Gedanken und Wegen nur unrein waren. Das griechische Wort für Heiligkeit bedeutet ein praktisches Geheiligtsein, wie zum Beispiel auch in 1. Thessalonicher 4, Vers 7: „Denn Gott hat uns nicht zur Unreinigkeit berufen, sondern in Heiligkeit“ (s. a. Vers 4).

Die Schrift kennt auch eine absolute, eine stellungsmäßige Heiligkeit. Wenn sie beispielsweise von den Gläubigen als von Heiligen spricht oder aber sagt: „Aber ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt, aber ihr seid gerechtfertigt worden in dem Namen des Herrn Jesus und durch den Geist unseres Gottes“ (1. Kor 6,11), so liegt diese Seite vor.

In der letzten Stelle wird das dadurch deutlich, dass die Heiligung vor der Rechtfertigung genannt wird. Es ist die grundsätzliche Absonderung derer, die durch den Tod des Herrn aus dem gegenwärtigen, bösen Zeitlauf herausgenommen worden sind (Gal 1,4), um ganz für Gott zu sein. Doch in unserer Stelle geht es um die praktische Heiligung des Christen, die nicht absolut, sondern fortschreitend ist. Und dafür ist Christus der Maßstab und das Mittel. Auch das ist eine gesegnete Wahrheit, die wir tief ins Herz fassen möchten.

Wenn wir wissen wollen, was praktisches Geheiligtsein bedeutet, müssen wir Christus anschauen. Nur in Ihm, dem Menschen Jesus Christus, können wir vollkommene Heiligkeit sehen.

Gott gibt uns damit einen absoluten Maßstab, den wir praktisch zwar nie erreichen werden (denn Christus hatte keine Sünde in sich), der uns aber trotzdem nicht entmutigen wird. Warum nicht? Weil es Christus ist, den wir anschauen, und das kann uns nur glücklich machen. Jeder andere unerreichbare Maßstab würde uns in Resignation und Verzweiflung stürzen.

Damit sind wir bereits bei dem zweiten Gedanken: Christus ist auch – mit aller Ehrerbietung sei dies gesagt – das Mittel oder Werkzeug für unsere Heiligung.

Wodurch kann es dem Heiligen Geist gelingen, uns in praktischer Weise von allem Bösen um uns abzusondern und die Kraft des Bösen in uns niederzuhalten? Allein dadurch, daß Er uns Christus vor das Herz stellt. Das ist der einzige Weg, um in Reinheit vorangehen zu können. Mit dem Herrn Jesus vor Augen sündigen wir nicht.

„Ich heilige mich selbst für sie“, hatte Er zu Seinem Vater gesagt (Joh 17,19), „auf daß auch sie Geheiligte seien durch Wahrheit.“ Er hat sich durch Seinen Weggang zum Vater von der Welt abgesondert, geheiligt, und nun ist Er in der Herrlichkeit beim Vater der Anziehungspunkt für unsere Seele. Auf diese Weise werden auch wir geheiligt. Er ist droben für uns wie ein Magnet, der unsere Herzen zu sich emporzieht. Und wenn wir so die Herrlichkeit des Herrn mit aufgedecktem Angesicht anschauen, werden wir sittlicherweise „verwandelt nach demselben Bilde von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den Herrn, den Geist“ (2. Kor 3,18). Diese praktische Heiligung ist keine erzwungene, kaum zu ertragende oder zu bewerkstelligende Sache, sondern vielmehr das sich wie von selbst einstellende Ergebnis davon, daß man mit dem Herrn Jesus beschäftigt ist.Erlösung

Es mag uns verwundern, daß die Erlösung erst als letztes der vier Stücke genannt wird, die für uns durch den Herrn Jesus zur Wirklichkeit geworden sind. Der Grund dafür liegt darin, daß sie offenbar mehr umfaßt als allein die Errettung der Seele, die der Gläubige schon jetzt als das Ziel seines Glaubens davonträgt (1. Pet 1,9).

In unserem Vers wird die Erlösung in ihrem absoluten Ergebnis dargestellt, das erst in der Herrlichkeit erreicht werden wird. An manchen Stellen wird mit Erlösung oder Errettung lediglich die Vergebung der Sünden gemeint.

Das ist außer in der bereits genannten Stelle aus 1. Petrus l auch in Epheser l, Vers 7, und Kolosser l, Vers 14, der Fall. Aber an manchen anderen Stellen umschreibt Erlösung nicht nur die Befreiung von der Schuld und der Macht der Sünde, sondern auch die Befreiung von der Gegenwart der Sünde.

Dieses letzte Ergebnis der Erlösung wird uns erst dann geschenkt werden, wenn auch unser Körper bei der Entrückung der Gläubigen von der alles verwandelnden Auferstehungsmacht unseres Erlösers erfaßt werden wird (1. Thes 4,15–17; 1. Kor 15,51.52; Phil 3,20.21).

Das ist der „Tag der Erlösung“, auf den wir versiegelt worden sind (Eph 4,30; vgl. a. Kap. 1,14), und das nennt die Heilige Schrift in Römer 8 „die Sohnschaft“ – die Erlösung des Leibes.

Welch ein Triumph der Gnade wird es sein, wenn der Herr Jesus Sein Siegen krönen und uns zu sich nehmen wird in Seine Herrlichkeit! Wir können mit unserem beschränkten Fassungsvermögen kaum ermessen, was diese Segnung tatsächlich umfaßt: Christus ist uns Erlösung geworden.

Aber wir wissen, daaa Er es weiß, und das verleiht uns Glück und Frieden und lässt uns in Anbetung niederfallen vor Dem, in dem wir das alles erlangt haben – Weisheit von Gott, Gerechtigkeit, Heiligkeit und Erlösung.

[Aus der Monatszeitschrift „Ermunterung und Ermahnung“. Zu beziehen bei der Christlichen Schriftenverbreitung.]