Der Herr Jesus lehrte am See Genezareth die Volksmenge, zunächst vom Ufer und anschließend vom Schiff des Simon Petrus aus. Nachdem Er seine Belehrungen vollendet hatte, wirkte Er ein Wunder: Petrus und seine Genossen durften einen gewaltigen Fischfang machen. Petrus folgte daraufhin dem Herrn Jesus nach und ließ alles hinter sich zurück. Aber darin war Petrus nicht allein. Die „Parallelberichte“ in Matthäus und Markus zeigen, dass auch Andreas, der Bruder von Petrus, sowie Jakobus und Johannes alles verließen, um dem Herrn ganz zu dienen (Mt 4,18–22; Mk 1,16–20).

Lukas konzentriert sich in seinem Bericht jedoch auf Petrus – wobei es ihm nicht darum geht, dessen Bekehrung zu schildern. Denn Simon Petrus kannte den Herrn bereits und hatte von ihm einen neuen Namen empfangen (Joh 1,42). Und ist es nicht auffallend, dass Simon in unserem Abschnitt gerade dann „Petrus“ genannt wird, als er seinen sündigen Zustand bekennt (Lk 5,8)? Es war das Bekenntnis eines Mannes, der schon von neuem geboren war. Dazu passt, dass Simon Petrus dem Herrn willig das Schiff zur Verfügung stellte und seinem Meister aufs Wort gehorchte, auch wenn sein Befehl Petrus zunächst befremdete.

Es geht hier in Lukas 5 also nicht um Bekehrung, sondern um Berufung zur Nachfolge und zum Dienst. Kurze Zeit später wurde Petrus zu einem der zwölf Apostel vom Herrn gewählt (Lk 6,12–16).

Die Predigt des Wortes

Der Herr Jesus stand am Ufer des Sees Genezareth und predigte das Wort Gottes (Lk 5,1). Darin ist Er uns ein Vorbild, denn auch für Christen heute gilt: „Predige das Wort“ (2. Tim 4,2).

In der Nähe lagen zwei Schiffe am Ufer des Sees (Lk 5,2). Eins dieser Schiffe gehörte Simon Petrus und seinem Bruder Andreas, das andere Schiff war Eigentum der Brüder Jakobus und Johannes. Die Fischer standen neben ihren Schiffen und gingen einer frustrierenden Tätigkeit nach: Sie wuschen ihre Netze, mit denen sie in der vergangenen Nacht keinen einzigen Fisch gefangen hatten.

Weil die Zuhörer den Herrn umdrängten, stieg Er in das Schiff, das Simon gehörte. Er bat Simon, ein wenig vom Ufer abzusetzen, um vom Schiff aus zu predigen (Lk 5,3). Die Volksmengen konnten Ihn so besser verstehen, und außerdem bekam der Herr Gelegenheit, sich zu setzen. Aber nicht nur das: Simon Petrus, der eben noch an den Netzen arbeitete, musste sich nun ganz auf das Wort Gottes konzentrieren.

Der Herr möchte, dass auch wir aufmerksam sind, wenn Er uns etwas zu sagen hat. Um das zu erreichen, werden wir manchmal gezwungen – zum Beispiel durch Krankheit –, die Arbeit beiseitezulegen. Unsere Hände sollen ruhen und unsere Ohren für sein Wort geöffnet sein.

Petrus folgte der Bitte des Herrn, mit dem Schiff hinauszufahren, ohne ein Wort zu erwidern (Lk 5,3). Petrus war klar: Wenn ich dem Herrn gehöre, dann gehört dem Herrn auch mein ganzer Besitz!

Fahre hinaus!  

Nachdem der Herr seine Belehrungen vollendet hatte, sagte Er Simon, er solle in tiefere Gewässer fahren und dort die Netze herablassen (Lk 5,4). Diese Mühe würde nicht vergeblich sein, denn der Meister versprach einen  „Fang“.

Was der Herr sagte, klang – menschlich betrachtet – wenig vielversprechend. Warum sollten sie jetzt auf die Tiefe hinausfahren? Wie sollten sie denn dort mit ihren einfachen Netzen Fische fangen, die im Tageslicht weit unten schwammen? Außerdem hatten sich mehrere erfahrene Fischer die ganze Nacht erfolglos bemüht. Petrus spricht seine Bedenken offen aus [FN 1], beeilt sich aber hinzuzufügen: „Aber auf dein Wort will ich die Netze hinablassen“ (Lk 5,5).

Petrus stützte sich nicht auf seine Gefühle, seine Erfahrung und seinen Verstand. Sonst hätte er vielleicht gesagt: „Ich bin zu müde, ich habe die ganze Nacht gearbeitet, es geht nicht mehr.“ Oder: „Am Tag an tiefen Stellen zu fischen ist erfahrungsgemäß aussichtlos.“ Oder: „Beim Fischen kann man nicht dem Rat eines Zimmermanns folgen.“ Nein, so redete Petrus nicht. Bei ihm war Glaube tätig, der sich auf Gottes Wort stützt. Er vertraute auf den Herrn mit seinem ganzen Herzen (Spr 3,5); und darum gehorchte der übernächtigte und ausgelaugte Simon seinem Meister [FN 2] und ließ, zusammen mit anderen, die frisch gewaschenen Netze wieder ins Wasser hinab.

Auch wir stehen zuweilen mit hängendem Kopf an unseren „leeren Netzen“ und denken, dass die Arbeit im Evangelium keinen Zweck mehr habe. Alle Mühe scheint umsonst. Aber wenn Er uns an die Arbeit schickt, vielleicht an einem ungewöhnlichen Ort, wollen wir es dann nicht doch „wagen“? Und wir wissen alle: Das, was wir mit Ihm tun, kann nicht vergeblich sein.

Der großartige Fang

Dem Sohn des Menschen gehorchten die Tiere und sie schwammen scharenweise in die Netze der gehorsamen Fischer (Lk 5,6). Die Menge der Fische brachte die Netze zum Reißen und veranlasste Petrus, seine Genossen in dem anderen Schiff zur Hilfe zu holen (Lk 5,7). In beide Schiffe wurde so viel Fisch verfrachtet, dass sie zu sinken drohten.

Die eingerissenen Netze und die unter der wertvollen Last schwankenden Boote machen deutlich: Gottes Segen ist so gewaltig, dass er von uns nicht erfasst werden kann. Sein Segen wird nur durch die Anzahl und Größe unserer „Gefäße“ beschränkt (vgl. mit 2. Kön 4,6).

Dieses Fischfang-Wunder hatte Jesus Christus in seiner Macht gewirkt. Aber Er verknüpfte das Wunder mit den ausgeworfenen Netzen der Jünger. Die Fische kamen nicht an Land geschwommen und sie sprangen auch nicht ins Boot. Das zeigt ein wichtiges Prinzip: Wenn auch alles von Christus und seinem Wirken abhängt, so nimmt das nichts von unserer Verantwortung weg. Der Herr möchte gerne seinen Segen auf unsere Bemühungen legen. Wenn wir aber nicht arbeiten, wird auch „nichts zu holen sein“.

Petrus lernte hier auch, dass der Herr sich nichts schenken lässt. Er, der Jesus sein Boot geliehen hatte, durfte einen großen Fang machen. Simon Petrus erlebte die Wahrheit der Worte: „Gebt, und euch wird gegeben werden: Ein gutes, gedrücktes, gerütteltes und überlaufenden Maß wird man in euren Schoß geben“ (Lk 6,38).

Petrus erkennt seine Sündhaftigkeit  

Petrus kümmerte sich aber nicht um den großartigen Fang  oder um sein Schiff. Denn er war gefesselt und erschrocken über die gewaltige Macht, die sein Meister demonstriert hatte! Seinen Genossen erging es genauso (Lk 5,9). Auch die Menschen in Kapernaum waren einige Zeit vorher entsetzt gewesen, als Christus einen Dämon ausgetrieben hatte (Lk 4,36). Doch nur Petrus fiel vor dem Herrn nieder [FN 3] und sagte: „Geh von mir hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch.“

Was Petrus tat, erscheint fast widersprüchlich: Er fiel direkt vor Jesus nieder, suchte also seine Nähe, und bat gleichzeitig, dass Er weggehen möge. Sicher wollte er nicht von Jesus getrennt werden, aber er spricht offen seine Empfindungen aus: „Ich, der sündige Mensch, passe nicht in die Gegenwart des Heiligen.“ Er fühlte sich unwürdig, mit dem Sohn Gottes in einem Boot zu sein.

Aber, so könnte man fragen, warum wurde ihm gerade jetzt seine Sündhaftigkeit so stark bewusst? Weil er die Herrlichkeit des Meisters in dem Wunder sah – und das machte ihm klar, wie wenig er dieser Herrlichkeit entsprach.

Beachten wir, dass es Petrus nicht um das geht, was er tat, sondern um das, was er ist. Er sprach nicht von seinen Taten, sondern von seinem Zustand. So sagte auch „der verlorene Sohn“ nicht nur: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir“, sondern fügte hinzu: „Ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen.“ Er fühlte sich als Person unpassend für das Haus seines guten Vaters.

Ähnlich wie Petrus war es auch Hiob ergangen. Als er von Gott hörte, brach er nicht zusammen, aber als sein Auge Ihn „sah“, verabscheute er sich (Hiob 42,5.6). Und als Jesaja den Herrn sah, rief er aus: „Wehe mir! Denn ich bin verloren; denn ich bin ein Mann mit unreinen Lippen, und inmitten eines Volkes mit unreinen Lippen wohne ich; denn meine Augen haben den König, den Herrn der Heerscharen, gesehen“ (Jes 6,5). Direkt nach diesen Worten, in denen Jesaja seinen sündigen Zustand eingeräumt hatte, wurde er ausgesandt zum Dienst (Jes 6,9).

Es ist gut, wenn man die Verderbtheit der sündigen Natur durch das Licht der Herrlichkeit Gottes begreifen lernt. Man kann diese Lektion auch auf andere Art erteilt bekommen: durch eigenes Versagen. Später würde Petrus diesen schmerzhaften Weg beschreiten. So oder so: Wir müssen es uns einprägen, dass das Fleisch nichts nützt, ansonsten kann uns der Herr nicht in seinem Dienst gebrauchen.

Petrus wird zum Menschenfischer berufen

Petrus, der sich zerknirscht vor dem Herrn hingeworfen hatte, empfing ein herrliches Wort der Ermutigung und Berufung: „Fürchte dich nicht; von nun an wirst du Menschen fangen“ (Lk 5,10). Petrus musste sich nicht fürchten. Der Herr kannte ihn durch und durch. In seiner Liebe wollte Er ihn für eine große Aufgabe gebrauchen: Menschen fischen. Petrus sollte diese Arbeit in Abhängigkeit tun, in Demut und im Vertrauen auf die Macht seines Meisters. Der Segen würde nicht ausbleiben, wie es der wunderbare Fischzug gelehrt hatte.

Wenn der Herr vom „Menschenfang“ spricht, knüpft Er an dem Beruf von Simon an. Und Simon wusste, dass er Fische mit zwei Methoden fangen konnte: mit der Angel den einzelnen Fisch, wie in Matthäus 17,27, oder mit dem Netz viele Fische. In dem übertragenen Sinn gebrauchte Petrus die Angel in Apostelgeschichte 10, als er sich um Kornelius mühte. Das Netz verwendete er in Apostelgeschichte 2, als er öffentlich predigte und sich 3000 Menschen bekehrten. Bei der „Angelarbeit“ ist besonders Geduld und Ausharren gefragt, während bei der „Netzarbeit“ Energie und Fleiß im Vordergrund steht. Ein großer Unterschied zwischen dem Fische-Fischen und dem Menschen-Fischen besteht darin, dass die Fische vom Leben zum Tod kommen, während die Menschen vom Tod zum Leben geführt werden.

Obwohl die Netze gerissen und die Boote tief ins Wasser eingetaucht waren, konnte der Fang sichergestellt werden (Lk 5,11). Doch die vier Jünger Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes überließen den wahrscheinlich besten Fang ihres Lebens anderen. Gerade nach diesem Erfolg verließen sie alles und bewiesen damit große Hingabe an den Herrn, dem sie folgten. [FN 4]

Wir lesen bei Lukas nicht, dass der Herr sie zur Nachfolge aufforderte (vgl. mit Mk 1,18–20). Lukas betont mit seiner Schilderung der Dinge, dass Nachfolge die logische Konsequenz war, nachdem sie den Herrn so erlebt hatten. Für diesen Meister muss man alles stehen und liegen lassen!

Müssen wir auch alles verlassen, um den Herrn dienen zu können? Buchstäblich wird dies wahrscheinlich kaum nötig sein. Oft genügt es, wenn wir Dinge in unserem Herzen „verlassen“. Aber wir müssen gewiss alles aufgeben, was uns ein Hindernis auf dem Weg der Nachfolge ist.

Zusammenfassung

Wir lernen aus dieser Begebenheit, dass wir im Glaubensgehorsam auf „Menschenfang“ gehen und dabei mit dem Segen des Meisters rechnen dürfen. Außerdem erkennen wir, dass der Herr uns zu einer tieferen Gotteserkenntnis bringen möchte, die uns auch zur rechten Selbsterkenntnis führen wird. Das ist eine wichtige Voraussetzung für den Dienst. Vor allem sollte der Herr groß in seiner Herrlichkeit vor unseren Augen stehen. Das gibt uns Kraft, für Ihn etwas aufzugeben, Ihm nachzufolgen und unseren Dienst mutig nach seinen Gedanken zu versehen.


[1] Auch Ananias, der den auf den ersten Blick unverständigen Auftrag bekam, zu Saulus von Tarsus zu gehen, redete mit dem Herrn offen über seine Zweifel – und ging dann doch (Apg 9,11–17).

[2] Petrus akzeptierte Christus nicht nur als Lehrer, sondern sprach Ihn als Meister an. Ein Meister ist der, der das Sagen hat und der weiß, wie es geht. Der Ausdruck „Meister“ kommt insgesamt sieben Mal in der Bibel vor, davon sechs Mal im Lukasevangelium (Mt 23,10; Lk 8,24.45; 9,33.49; 17,13).

[3] Er fiel zu den Knien Jesu nieder und nicht zu seinen Füßen, wie wir das bei vielen Gelegenheiten finden. Womöglich geschah das deshalb, weil der Boden des Schiffes mit Fischen bedeckt war.

[4] Es ist die Weise des Herrn, fleißige und gute Arbeiter in sein Werk zu stellen. Mose und David wurden berufen, als sie Schafe hüteten, und Elisa wurde der Prophetenmantel umgehängt, als er mit zwölf Joch Rindern vor sich her pflügte (1. Kön 19,19).