„Entfremdet bin ich meinen Brüdern, und ein Fremder geworden den Söhnen meiner Mutter. Denn der Eifer um dein Haus hat mich verzehrt“ (Ps 69,9.10).

Aus dieser Stelle kann man auf keinen Fall ableiten, dass natürliche Beziehungen abzulehnen sind. „Ohne natürliche Liebe“ zu sein, gehört zu den Merkmalen der „schweren Zeiten“ (2. Tim 3). Aber hier haben wir etwas ganz anderes. Vor Beginn des öffentlichen Dienstes unseres Herrn lesen wir, dass er Joseph und Maria „untertan“ war. In dieser Beziehung, wie auch in jeder anderen, war er vollkommen und damit ein herrliches Vorbild für uns.

Aber als er nach seiner Taufe und Salbung seinen Dienst als der begann, der gekommen war, um den Willen Gottes zu tun, hatte er als der wahre Nasir „die Weihe seines Gottes auf seinem Haupt“. Daher weihte er sich, bis sein Werk vollbracht war, einzig und allein der Herrlichkeit Gottes. Die Ansprüche Gottes nahmen ihn von nun an in Beschlag, der Eifer um das Haus des Vaters verzehrte ihn; und so wurde er seinen Brüdern entfremdet und den Söhnen seiner Mutter ein Fremdling.

Als ihn jemand bei einer Gelegenheit unterbrach und sagte: „Siehe, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und suchen dich zu sprechen“, antwortete er: „Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder?“ Und als bei der Hochzeit zu Kana in Galiläa seine Mutter mit einem Vorschlag bezüglich des Weins zu ihm kam, entgegnete er: „Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“

Aber als sein Werk endete und nur noch eine einzige Sache zu erfüllen war, befahl er Maria in der unendlichen Zartheit seiner vollkommenen Liebe in der Beziehung zu seiner Mutter der Fürsorge des Jüngers an, den er liebte, bevor er dann sein Haupt neigte und den Geist übergab.

Die Anwendung auf uns ist offensichtlich. Wir sollten jede Beziehung, in die wir gestellt sind, fleißig beobachten (vgl. Eph 5,22; Eph 6,1–9; Kol 3,18; 4,1). Wenn der Herr jedoch zu einem speziellen Dienst beruft, dann sind seine Rechte vorrangig, und nicht nur das, sondern auch ausschließlich. Als er zu einem sagte: „Folge mir nach”, und der antwortete: „Herr, erlaube mir, zuvor hinzugehen und meinen Vater zu begraben“, sagte der Herr Jesus daher: „Lass die Toten ihre Toten begraben, du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes.“ Und auch Levi verließ auf das Wort Christi alles, stand auf und folgte ihm nach (Lk 5,28; vgl. 5. Mo 33,8.9).

Es ist wahr, dass heute jeder Gläubiger ein Nasir ist, ein Nasir von Geburt (der neuen Geburt); aber es ist nicht jeder ein Nasir gemäß 4. Mose 6, jemand, der in der Kraft des Geistes hingegeben lebt, wie Paulus beispielsweise voll und ganz dem Herrn und seinen Ansprüchen hingegeben war. Dieses Vorrecht erreichen nur wenige, obwohl es vielen angeboten wird. Wenn wir uns allerdings an dem Herrn ergötzen, wird er uns die Bitten unserer Herzen geben.

[Leicht überarbeitete Übersetzung aus dem Englischen]