Das Thema „Ehescheidung und Wiederheirat“ ist unter Christen ein heißes Eisen. Die Meinungen gehen weit auseinander. Manche sagen, dass Scheidung und/oder Wiederheirat unter bestimmten Bedingungen und in Ausnahmefällen legitim seien, andere lehnen beides ab und betrachten es in jedem Fall als verwerflich. Wieder andere haben kaum Schwierigkeiten mit häufigen Trennungen und mehrfachen Eheschließungen. Einigkeit besteht oft aber noch darin, dass die lebenslange Verbindung zwischen Mann und Frau das verbindliche Ideal Gottes ist, das wir hochhalten, ehren und umsetzen wollen.

Sehen wir uns Bibelstellen, die dazu etwas sagen, nacheinander an. Wir beginnen dabei im Alten Testament. Es sollte uns hier bewusst sein, dass die Vorschriften des Gesetzes sich an den „Menschen im Fleisch“, an den „ersten Menschen“ richten. Wir Christen aber haben die volle Offenbarung der Gedanken Gottes durch den Herrn Jesus und gehören ihm, dem „zweiten Menschen“, an. Darum können wir das, was das Gesetz sagt, nicht einfach auf uns übertragen und für gültig erklären, obgleich wir wichtige Prinzipien lernen und Gottes Weisheit, Güte und Gerechtigkeit in den Anordnungen des Gesetzes erkennen.

5. Mose 24

„Wenn ein Mann eine Frau nimmt und sie heiratet, und es geschieht, wenn sie keine Gnade in seinen Augen findet, weil er etwas Anstößiges an ihr gefunden hat, dass er ihr einen Scheidebrief schreibt und ihn in ihre Hand gibt und sie aus seinem Haus entlässt; und sie geht aus seinem Haus und geht hin und wird die Frau eines anderen Mannes; und der andere Mann hasst sie und schreibt ihr einen Scheidebrief und gibt ihn in ihre Hand und entlässt sie aus seinem Haus; oder wenn der andere Mann stirbt, der sie sich zur Frau genommen hat: So kann ihr erster Mann, der sie entlassen hat, sie nicht wieder nehmen, dass sie seine Frau sei, nachdem sie verunreinigt worden ist. Denn das ist ein Gräuel vor dem Herrn; und du sollst das Land nicht in Sünde bringen, das der Herr, dein Gott, dir als Erbteil gibt“ (5. Mo 24,1–4).

Das Gesetz Moses geht hier auf das Thema Scheidung und Wiederheirat ein. Einige Punkte schälen sich heraus:

  • Die Scheidung wird nicht angeordnet oder empfohlen, es wird lediglich festgestellt, dass es Entlassung gibt.
  • Der Grund für die Entlassung nach 5. Mose 24 konnte nur sein, dass der Mann etwas Anstößiges bei der Frau fand, das sie in Missgunst brachte und bei dem Mann Hass hervorrief. Eine Ehe durfte nicht nach Gutdünken geschieden werden.
  • Mose spricht von einer mehrfachen Wiederheirat. Der Scheidebrief war dazu da, die Auflösung der Ehe zu bestätigen, um eine legale Wiederheirat möglich zu machen.
  • Die entlassene Frau durfte, nach 5. Mose 24, nicht wieder zu ihrem ersten Ehemann zurückkehren, wenn sie einen anderen Mann geheiratet hatte. Dabei spielte es keine Rolle, ob dieser neue Mann sie entlassen hatte oder gestorben war.

Wir sehen, dass unter Gesetz eine Entlassung und Wiederheirat innerhalb des Volkes Gottes unter bestimmten Umständen möglich war, wenn es auch nicht empfohlen wird. Bei Mischehen war eine Scheidung jedoch geboten (Esra 9 und 10). Ausgeschlossen war die Scheidung dann, wenn der Mann einer Frau ihre Jungfräulichkeit böswillig in Abrede gestellt oder sie vergewaltigt hatte (5. Mo 22,19.29).

Bei Ehebruch sah das Gesetz nicht die Scheidung vor, sondern grundsätzlich die Todesstrafe (3. Mo 20,10; 5. Mo 22,22). Die Todesstrafe wurde ausdrücklich nur angeordnet, wenn zwei miteinander Geschlechtsverkehr hatten, die jeweils mit einer anderen Person verheiratet waren. Wenn ein Verheirateter mit einer unverheirateten Person intim zusammen war, galt dies anscheinend nicht, was auf dem Hintergrund der praktizierten Vielweiberei auch verständlich ist. Ferner muss man bedenken, dass die Sünde der Hurerei nur schwer nachweisbar ist, was die Vorschrift mit dem Wasser der Eifersucht unterstreicht (4. Mo 5,11–31). So ist es denkbar, dass in manchen Fällen von einem Prozess vor Gericht (und der Todesstrafe) Abstand genommen und vielmehr eine Entlassung erwirkt wurde. Joseph jedenfalls wollte seine Frau heimlich entlassen (Mt 1,19), nachdem er bemerkt hatte, dass Maria nicht von ihm schwanger geworden war – obwohl das natürlich in vielfacher Hinsicht ein Sonderfall war.

Bevor wir uns jetzt den Stellen im Neuen Testament zuwenden, sollte noch erwähnt werden, dass Gott Israel einen Scheidebrief wegen Hurerei gegeben hatte. „Und ihre treulose Schwester Juda sah es; und ich sah, dass trotz all dem, dass ich die abtrünnige Israel, weil sie die Ehe gebrochen, entlassen und ihr einen Scheidebrief gegeben hatte, doch die treulose Juda, ihre Schwester, sich nicht fürchtete, sondern hinging und selbst auch hurte“ (Jer 3,7.8). Natürlich geht es hier nicht um eine buchstäbliche Ehe, so dass man mit einer Übertragung vorsichtig sein muss. Jedenfalls wird deutlich, dass Hurerei eine sehr ernste Sache ist und eine Beziehung zerstören kann.

Matthäus 5

„Es ist aber gesagt: Wer irgend seine Frau entlässt, gebe ihr einen Scheidebrief. Ich aber sage euch: Jeder, der seine Frau entlässt, außer aufgrund von Hurerei, bewirkt, dass sie Ehebruch begeht; und wer irgend eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch“ (Mt 5,32).

In 5. Mose 24 wird der Fall erwähnt, dass ein Mann eine Frau mit einem Scheidungsbrief entlässt, weil er etwas „Anstößiges“ bei ihr gefunden hatte. Viele Schriftgelehrten waren großzügig darin, was unter diesem „Anstößigem“ verstanden werden kann. Der bekannte und liberale Rabbi Hillel lehrte beispielsweise, dass ein missratenes Essen ein Scheidungsgrund sei. Doch Mose hatte die Anordnung, die eine Rückkehr zum geschiedenen Ehepartner ausschloss, wenn ein Scheidebrief geschrieben worden war, gegeben, um die soziale Ordnung aufrechtzuerhalten, und nicht, um die Ehe zu etwas Unverbindlichem zu machen. Und es war lange noch nicht alles in Ordnung, wenn man einen Scheidebrief ausfertigte und sich dabei darauf berief, das Gesetz Moses erfüllt zu haben.

Der Herr Jesus bringt nun die vollen Gedanken Gottes über diese Angelegenheit ans Licht. Er wendet sich nicht direkt gegen den Scheidebrief, sondern zeigt seinen eigenen Maßstab im Blick auf eine Entlassung:

  • Wer seine Frau entlässt, ist dafür verantwortlich, dass sie Ehebruch begeht. Denn sie wird sich (sehr wahrscheinlich) mit einem anderen Mann verbinden. Und weil die ursprüngliche Ehe, moralisch gesehen, nicht aufgelöst wurde, ist das Ehebruch.
  • Doch wenn die Frau Hurerei getrieben hat, wird kein Ehebruch durch den Mann bewirkt, der sie entlässt. Denn die Frau hat den Ehebruch selbst schon begangen. Damit hat sie die Voraussetzung für eine legitime Entlassung durch den Mann gelegt.
  • Wer auch immer eine entlassene Frau heiratet, begeht Ehebruch.

Der Ausleger William Kelly schreibt zu Matthäus 5 (Bible Treasury, Band 3):

„Der Herr deutet an, dass, obwohl ernsteste Schwierigkeiten vorhanden sein mögen, dieses menschliche Verhältnis auf das Deutlichste durch Ihn anerkannt wird. Obwohl es eine irdische Beziehung ist, wird das Licht des Himmels darauf geworfen; die Heiligkeit der Ehe aufrechtzuerhalten und die Möglichkeit, etwas zuzulassen, das diese Heiligkeit antasten könnte, wird durch Christus abgewiesen. Die einzige Ausnahme besteht darin, dass etwas vorhanden ist, das die Ehe in den Augen Gottes schon zerstört hat[1]. In diesem Fall ist die Scheidung nur eine öffentliche Bestätigung der Tatsache, dass die Ehe in Gottes Augen durch die Sünde schon gebrochen war.“

Und ferner (auch Bible Treasury):

„Aber es können wirkliche Gründe vorhanden sein [nämlich Hurerei], und in diesem Fall ist für Gott das Eheband zerrissen. Wenn jemand die richtige Einsicht in das hat, was vor dem Herrn erlaubt ist, denke ich, dass niemand heiraten wird, solange der schuldige Partner noch lebt. Aber wenn es getan wird, sehe ich nicht ein, mit welchem Recht die Versammlung sich damit befassen sollte.“

H.A. Ironside vermerkt (in Notes of Matthew):

„Wenn wir diese Verse mit Matthäus 19,9 vergleichen, sehen wir, dass die Ehe, die durch Gott für das ganze Leben bestimmt war, durch die ernste Sünde der Hurerei, die durch den Mann oder die Frau begangen wurde, zerbrochen wurde. Das gibt der unschuldigen Partei die Freiheit, wieder zu heiraten, aber nach 1. Korinther 7 ‚in dem Herrn‘. Es ist Torheit, zu behaupten, wie es einige getan haben, dass das nur anwendbar ist auf unmoralisches Betragen vor der Ehe, das erst hinterher ans Licht gekommen ist (so wie in 5. Mose 24,1), aber nicht anwendbar ist, wenn dieselbe Sünde in der Ehe begangen wird. Das würde bedeuten, dass das Missachten des Treuegelöbnisses eine geringere Sünde ist als die sexuellen Sünden, die im ledigen Zustand begangen werden. Die Bedeutung dieses Abschnittes ist vollkommen deutlich. Der ehebrüchige Mann oder die Frau zerreißen das Band. Die offizielle Scheidung vor dem Gericht legalisiert die Trennung und der Unschuldige ist genau so frei vor Gott, als wenn eine Ehe noch nie stattgefunden hätte.“

Matthäus 19

In Matthäus 19,8–9 lesen wir: „Er spricht zu ihnen: Mose hat euch wegen eurer Herzenshärte gestattet, eure Frauen zu entlassen; von Anfang an aber ist es nicht so gewesen. Ich sage euch aber: Wer irgend seine Frau entlässt, nicht wegen Hurerei, und eine andere heiratet, begeht Ehebruch; und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch.“

Hier wird der Mann, der sich im Eigenwillen scheiden lässt, als Ehebrecher bezeichnet und nicht, wie in Matthäus 5, als derjenige gesehen, der dafür sorgt, dass die Frau eine Ehebrecherin wird. Es ist aus dem Zusammenhang auch ganz deutlich, dass es nicht um Verlobte geht, die auseinander gehen, was tatsächlich manchmal behauptet wird (vgl. Mt 19,5).

Sehen wir uns Matthäus 19 etwas genauer an:

  • Die im Gesetz erwähnte Entlassung war ein Zugeständnis an die harten Männerherzen. Es entsprach nicht den ursprünglichen Gedanken Gottes, die eine lebenslange Einheit der Ehepartner vorsehen, wovon Moses auch ganz am Anfang geschrieben hat.
  • Wer seine Frau entlässt und eine andere Frau heiratet, begeht Ehebruch. Nur wenn seine Frau Hurerei getrieben hat, gilt das nicht. Dann kann der Mann (bzw. im umgekehrten Fall auch die Frau) sich scheiden lassen und auch heiraten, ohne Ehebruch zu begehen.
  • „Wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch.“ – Eine entlassene Frau, die nach den vorher genannten Bedingungen geschieden wurde (also nicht wegen Hurerei) darf nicht geheiratet werden. Wenn eine Ehe nicht wegen Hurerei beendet wird und der Mann und die Frau sich neue Ehepartner nehmen, dann begehen beide Ehebruch.

Unzucht erschüttert die Ehe in ihren Fundamenten – und nur in diesem Fall macht der Ehepartner sich nicht schuldig, wenn er eine Ehescheidung vornimmt. Dass ein Christ vielmehr vergeben und dem Partner die Chance zu einem Neuanfang geben soll, ist klar und sollte unbedingt beachtet werden. „Ein Christ“, schreibt der Bibelausleger Rudolf Brockhaus, „handelt nicht im Geist der Gnade, wenn er die Scheidung einreicht.“ Der Prophet Hosea wurde sogar direkt von Gott aufgefordert, seine ehebrecherische Frau zu lieben (Hos 3,1).

Und doch räumt der Herr dem Betrogenen die Möglichkeit einer Scheidung ein, weil es manchmal als zu schwer empfunden werden kann, einen Zustand der Hurerei und Unversöhnlichkeit dauerhaft zu ertragen. Die Scheidung ist dabei keine Empfehlung, sondern lediglich eine Möglichkeit, die sozusagen in einem Nebensatz erwähnt wird. Es ist eine „Notordnung“ für völlig verfahrene Situationen. Das Schöne, was vor dem Sündenfall gegeben wurde (1. Mo 2,24), kann leider nach dem Sündenfall nicht immer aufrechterhalten werden.

Gerne zitiere ich an dieser Stelle nochmals eine Bemerkung von William Kelly (Bible Treasury, Band 4):

„Hier fügt der Herr etwas hinzu, was nicht im Gesetz gefunden wird, und Er stellt Gottes Gedanken über dieses Verhältnis in das volle Licht. Es gibt nur einen gültigen Grund, eine Ehe aufzulösen: Die Ehe muss sittlich bereits aufgelöst sein, um sie tatsächlich beenden zu können. Im Fall von Hurerei ist das Band vor Gott bereits gelöst[2] Eine eheliche Verbindung ist unvereinbar mit dieser Sünde; das Verstoßen einer Frau offenbart anderen, was in den Augen des Herrn bereits stattgefunden hat. Alles wird vollkommen deutlich gemacht … Es war schon so sehr zur Gewohnheit geworden, eine Frau aus allerlei fadenscheinigen Gründen zu verstoßen, dass selbst die Jünger schockiert waren, vom Herrn etwas über die Unauflöslichkeit der Ehe zu hören.“

Auch in Markus 10,11.12 und in Lukas 16,18 finden wir Aussagen unseres Herrn zur Frage der Entlassung. Dort wird die Ausnahme („nicht wegen Hurerei“) nicht erwähnt. Das ist verständlich, denn Markus und Lukas erwähnen auch die Frage der Pharisäer nicht, ob man eine Frau aus jeder Ursache entlassen kann (siehe Mt 19,3). In Markus und Lukas wird schlicht der große Grundsatz vorstellt: Die Ehe ist für die Lebenszeit. Und diesen Grundsatz sollte man sich fest einprägen und nicht aus einer Ausnahme eine Regel machen.

1. Korinther 7

„Den Verheirateten aber gebiete nicht ich, sondern der Herr, dass eine Frau nicht vom Mann geschieden werde (wenn sie aber auch geschieden ist, so bleibe sie unverheiratet oder versöhne sich mit dem Mann) und dass ein Mann seine Frau nicht entlasse(1. Kor 7,10).

Der Grundsatz lautet: Eine Ehe ist auf Lebensdauer. Scheidung und Entlassung sind nicht vorgesehen. Und wer doch geschieden ist, soll entweder unverheiratet bleiben oder sich wieder versöhnen und die Ehe wiederherstellen. Paulus berührt hier (und auch an anderen Stellen, wie z.B. Römer 7) nicht die Ausnahme, dass es eine legitime Scheidung aufgrund von Hurerei geben kann. Es geht ihm offenbar überhaupt nicht um Scheidung aufgrund von Hurerei. Denn sonst hätte er nicht nur von „versöhnen“ gesprochen, sondern auch von Buße und Bekenntnis. Außerdem hatte er in dem Abschnitt vorher deutlich gezeigt, wie man Hurerei vermeiden kann (1. Kor 7,2.5).

Wenn eine Ausnahme an einer Stelle nicht erwähnt wird, bedeutet das nicht, dass es keine Ausnahme gibt. Ein Beispiel dafür ist Römer 14: Dort sagt Paulus, dass der Christ alles essen darf, weil alles rein ist (Röm 14,14). Er erwähnt nicht, dass Blut und Ersticktes verboten ist (vgl. Apg 15). Er will diese Ausnahmen hier nicht behandeln, sondern den Grundsatz zeigen: Ein Christ darf, im Gegensatz zum Juden, alles essen. Oder denken wir an 1. Korinther 7,2: „Aber um der Hurerei willen habe ein jeder seine eigene Frau, und eine jede habe ihren eigenen Mann.“ Wenn man das für sich allein nimmt, könnte man denken, dass alle heiraten müssen. Aber das ist natürlich nicht der Fall.

Es wird durch 1. Korinther 7,10 klargemacht: Wenn man geschieden ist aufgrund einer anderen Sache als Hurerei, muss man unverheiratet bleiben. Wenn man wegen eigener Hurerei geschieden ist, dann muss das erst recht gelten. Wer durch Hurerei den Grund für die Scheidung der Ehe liefert, kann unmöglich mit einer neuen Ehe „belohnt“ werden. Sonst müsste man nur huren, um das Band der Ehe loszuwerden! Wer aufgrund eigener Hurerei geschieden wurde oder wer geschieden ist, obwohl die Ehepartner keine neue Beziehung eingegangen sind, muss unverheiratet bleiben.

Paulus schreibt in 1. Korinther 7,12: „Wenn ein Bruder eine ungläubige Frau hat, und diese willigt ein, bei ihm zu wohnen, so entlasse er sie nicht.“ Paulus zeigt hier, dass im Christentum im Gegensatz zum Judentum eine Ehe nicht deshalb geschieden werden soll, weil einer zum Volk Gottes gehört und ein anderer nicht. Und doch wird durch diese Worte auch deutlich, dass es unter bestimmten Bedingungen eine Entlassung geben kann (nämlich wenn der ungläubige Partner nicht einwilligt, bei dem Partner wohnen zu bleiben, der zum lebendigen Glauben an Christus gefunden hat).

Paulus schreibt weiter: „Wenn aber der Ungläubige sich trennt, so trenne er sich. Der Bruder oder die Schwester ist in solchen Fällen nicht gebunden“ (1. Kor 7,15). Wenn eine Trennung (auch Ehescheidung) von der ungläubigen Seite „durchgeboxt“ wird, dann muss der Gläubige nicht verzweifelt an der alten Verbindung festhalten wollen. Sie kann, darf und sollte diese Trennung als Faktum akzeptieren. Aber dieses „Nicht-gebunden-Sein“ geht vielleicht noch weiter und könnte auch die Freiheit zu einer neuen Heirat mit einschließen (vgl. auch Römer 7,3). Zu beachten ist, dass es hier nur um den Fall geht, wenn zwei ungläubige Menschen heiraten und einer davon später zum Glauben kommt und der Ungläubige die Ehe nicht aufrechterhalten will.

Nun zu 1. Korinther 7,27.28: „Bist du an eine Frau gebunden, so suche nicht frei zu werden; bist du frei von einer Frau, so suche keine Frau. Wenn du aber auch heiratest, so hast du nicht gesündigt; und wenn die Jungfrau heiratet, so hat sie nicht gesündigt; solche werden aber Trübsal im Fleisch haben; ich aber schone euch.Sprechen diese Verse nicht auch von der Wiederverheiratung? Denn frei sein könnte bedeuten, dass eine Bindung nicht mehr besteht. (Wörtlich steht hier gelöst; es wird als Zeitform Perfekt verwendet, was eine in der Vergangenheit geschehene Handlung beschreibt). Dann würde sich das „bist du frei von einer Frau“ auf jemand beziehen, der einmal verheiratet war. Wenn so jemand heiratet, sündigt er nicht (wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind). Und direkt danach wird die „Jungfrau“ zusätzlich erwähnt: Das sind die, die noch nie verheiratet waren. Auch diese sündigen (grundsätzlich) nicht, wenn sie diesen Schritt in die Ehe tun. Man kann aber auch daran denken, dass Paulus in diesen Versen Männer und Frauen getrennt anspricht.

In 1. Korinther 7,39 ist zu lesen: „Eine Frau ist gebunden, solange ihr Mann lebt; wenn aber der Mann entschlafen ist, so ist sie frei, sich zu verheiraten, mit wem sie will, nur im Herrn.Die Ausnahme der Hurerei wird auch hier nicht behandelt. Es war offenbar nicht das, was die Korinther bewegte; außerdem hatte der Herr Jesus dazu ja schon Belehrungen gegeben.

Vorläufiges Resümee

Nun, wenn es eine legale Scheidung geben kann, dann muss es meines Erachtens auch eine legale Wiederheirat für den geben können, der nicht verantwortlich dafür ist, dass die Ehe in die Brüche ging. Wenn jemand dennoch wartet, dass die Ehe wieder in Ordnung kommt und unverheiratet bleibt, mag das angemessen und lobenswert sein. Dass die Heirat eines Geschiedenen einen anderen Charakter hat als die Heirat einer Jungfrau, zeigen Stellen wie 3. Mose 21,7.14 und Hesekiel 44,22, woraus man auch als Christ gewisse Belehrungen ziehen kann.

Nun wollen wir noch einige bestimmte Fragen anschauen, die in diesem Zusammenhang immer wieder erörtert werden.

Für immer ein Fleisch?

Es gibt manche Christen, die sagen, dass eine Ehescheidung nicht nur falsch, sondern auch nicht möglich sei. Dieser Lehre zufolge bleiben Mann und Frau, solange sie auf der Erde leben, ein Fleisch. Auch eine Scheidung und eine neue eheliche Verbindung ändern daran angeblich nichts. Doch hier verwechselt man das, was nicht sein soll, mit dem, was sein kann.

Wenn zwei Personen immer ein Fleisch bleiben, hätte die unter Gesetz entlassene Frau unbedingt zu ihrem ersten Mann zurückkehren müssen. Das aber war durchaus nicht erlaubt, wie wir das in 5. Mose 24 gesehen haben. Und auch Jeremia 3,1 sagt das ganz klar.

Außerdem müsste man im Fall einer Scheidung und Wiederheirat danach streben, die alte Verbindung wiederherzustellen und damit die neue Ehe zu zerstören. Undenkbar, dass das nach Gottes Gedanken ist!

In Johannes 4,17.18 sagt der Herr zu der Frau am Jakobsbrunnen: „Du hast recht gesagt: Ich habe keinen Mann, denn fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann.“ Der Herr sagt, dass sie fünf Männer gehabt hat, während sie jetzt eine „wilde Ehe“ führte. Der Herr sagt nicht, dass sie nur einen Ehemann gehabt hätte. Das aber wäre zwingend gewesen, wenn man auf immer „ein Fleisch“ mit einer Person bleibt, die man geheiratet hat. Es ist deutlich: Wenn zwei Menschen sich das „Ja-Wort“ geben, fügt Gott sie in der Ehe zusammen und sie sind ein Fleisch (Mt 19,6) – auch wenn es unter Umständen geschieht, die Gott missbilligt.

Es gibt ein bemerkenswertes Beispiel aus der Schrift, wo eine bestehende Ehe zerstört wurde, um eine ursprüngliche Ehe wiederherzustellen: David heiratete Michal, die Tochter Sauls (1. Sam 18,20.27). Michal liebte David und rettete ihn vor ihrem Vater (1. Sam 19). Als David auf der Flucht war, wurde Michal aber einem anderen Mann gegeben (1. Sam 25,43.44). Dann wurde David König – und ließ seine ehemalige Frau wieder zurückholen (2. Sam 3,14–16). Was war die Folge? Paltiel, der neue Mann Michals, weinte bitterlich. Und die Beziehung zwischen Michal und David war überhaupt nicht wie früher. Michal liebte David nicht mehr, sondern sie verachtete und spottete über ihn (2. Sam 6,16.20). Ihre Ehe blieb bezeichnenderweise kinderlos (2. Sam 6,23). Kurz: Das alles stand nicht unter dem Segen Gottes. Und wenn heute so etwas geschehen würde, würde der Segen gewiss auch fehlen.

Zusammengefügt von Gott?

Manchmal will man eine Trennung wie folgt begründen: „Meine Heirat war nicht nach den Gedanken Gottes, denn ich habe als Gläubiger eine Ungläubige geheiratet. Ich habe eigenwillig geheiratet. Die Ehe war nicht von Gott zusammengefügt – und darum kann sie jetzt aufgelöst oder annulliert werden.“ Doch so eine Argumentation geht ins Leere. Denn die Ehe ist eine von Gott eingesetzte Institution, und wer davon Gebrauch macht, ist von Gott zusammengefügt. Wenn ein Mann Vater und Mutter verlässt und seiner Frau anhängt – dann werden die zwei ein Fleisch sein (Mk 10,8). Das hat der Schöpfer so bestimmt. Wer heiratet, ist von Gott zusammengefügt. Ob die Eheleute von Gott zusammengeführt wurden, steht auf einem anderen Blatt und hat damit nichts zu tun.

Ohne Trauschein?

Es gibt heutzutage leider oft den Fall, dass zwei Menschen ohne Trauschein jahrelang zusammen leben und oft auch Kinder bekommen[3]. Nehmen wir an, der Mann würde nach einigen Jahren sagen: „Wir waren nie verheiratet, also ist Trennung auch kein Problem. Ich lasse mich ja nicht scheiden.“ Und so verlässt er unbekümmert die Partnerin (und die Kinder).

Ich denke, so einfach geht es nicht, denn die drei Punkte aus 1. Mose 2,24 waren weitgehend erfüllt: Vater und Mutter wurden verlassen, der Frau wurde angehangen und die zwei wurden ein Fleisch. Auch wenn die dazu gehörende Heirat (in Deutschland vor dem Standesbeamten) fehlte, so kann auch so eine enge Beziehung nicht einfach ohne weiteres aufgegeben werden. Es ist hier nicht so eindeutig, wie wenn eine Ehe vorliegen würde, aber wenn zwei Menschen wie ein Ehepaar leben (obwohl man es andererseits schlicht als Hurerei bezeichnen muss), dann kann man dies nicht einfach ignorieren, insbesondere dann, wenn Kinder in dieser Beziehung leben.

Lebenslanger Ehebruch?

Es wird gesagt: „Einen Geschiedenen zu heiraten, ist Ehebruch. Wer in so einer Verbindung lebt, lebt im ständigen Ehebruch. Demgemäß ist Gemeindezucht (Ausschluss aus der Gemeinschaft) vorzunehmen und ein entsprechendes abweisendes Verhalten an den Tag zu legen. Und das, solange die Ehe besteht.“

Doch da gibt es ein Problem: Wenn die Heirat ständiger Ehebruch ist, aber die Scheidung der neuen Verbindung auch eine große Sünde ist – dann kann die betreffende Person nie mehr aus dem Zustand des Sündigens herauskommen. Das ist doch undenkbar! Was ist zu tun? Es muss aufrichtig Buße getan werden über die Sünden der Vergangenheit, und man sollte fortan „nicht mehr sündigen“ (Joh 8,11). Es darf eine Aufhebung der Zucht und eine echte Wiederherstellung geben. Dabei ist nicht zu leugnen, dass Unordnung im Ehe- und Familienleben eine gewisse Zurückhaltung in der Ausübung geistlicher Tätigkeiten auferlegt (in Anlehnung an 1. Tim 3,2).

Zwei alte Briefe

Zum Schluss möchte ich noch zwei alte Briefe von J.N. Darby zu diesem Thema anführen. J.N. Darby war ein herausragender Bibellehrer, dessen Meinung ruhig etwas zählen darf, auch wenn sie natürlich nicht verbindlich ist oder etwa an die Meinung eines Paulus heranreicht. Doch sehen wir uns die Briefe einmal an.

Zum Hintergrund des ersten Briefes zunächst noch ein Wort: Eine unbekehrte Frau, die ein Kind hat, wird von ihrem unbekehrten Mann verlassen, und der Mann heiratet eine andere. Auch die Frau heiratet einen Mann und ist glücklich mit ihm. Sie kommt zum Glauben und will am Brotbrechen teilnehmen. Wie ist der Fall nun zu beurteilen?

Darby schreibt (Letters, Bd 1., S. 347):

„Ich meine, dass die Versammlung sie so akzeptieren muss, wie sie sie bei ihrer Bekehrung antrifft. Ich denke, dass ich einen Heiden, der verheiratet und geschieden war, der allerlei erlebt hat und wieder verheiratet ist und sich danach bekehrte und getauft wurde, sicher so aufnehmen würde, wie ich ihn antreffe. Ich betrachte die Handlungsweise des Mannes als Auflösen des Ehebandes (Mt 19,9) und denke, dass die Versammlung die Person so annehmen muss, wie sie sie bei der Bekehrung antrifft. Die einzige Frage in diesem Zusammenhang ist der Zustand ihres Gewissens, als sie das letzte Mal heiratete. Betrachtete sie sich selbst als frei oder als wenn sie eine Sünde beging? Das kann Einfluss auf den jetzigen Zustand ihres Gewissens haben. Aber ich betrachte sie für die Versammlung als mit ihrem gegenwärtigen Ehepartner verheiratet. Allerdings geziemt es sich für sie, in angemessener Demut ihren weiteren Weg zu gehen.“

Dann noch ein anderer Brief, der tiefer in die Thematik eingreift (J.N. Darby: Letters, Bd. 2, S. 130):

„Wenn ich gesagt habe, dass das Band zerrissen war, dann meinte ich damit, dass Gott den Christen nicht erlaubte, das Band zu zerreißen; doch wenn Ehebruch begangen worden war, hatte der Ehebrecher das Band zerrissen, und der Herr gestand der anderen Seite zu, es als zerrissen zu betrachten und danach durch eine formelle Scheidung zu handeln. Er forderte das nicht, aber Er erlaubte es. Diese Legalisierung ist Unterordnung gegenüber den Obrigkeiten, die für die allgemeine Ordnung zuständig sind, genau wie das bei der Scheidung nach dem jüdischen Gesetz der Fall war.

In vielen Teilen der Vereinigten Staaten, wie z.B. in Illinois, herrscht eine so lockere Moral, dass Christen sehr eng sein müssen. Dass jemand weggelaufen ist und eine Zeit abwesend war, reicht für eine Scheidung nicht aus, da er zurückkommen kann und das Band nicht zerrissen ist. Die Gerichte in England würden niemand, der wieder heiratet, wegen Bigamie für schuldig sprechen, wenn der Partner mehr als sieben Jahre weggeblieben ist.

Auf der anderen Seite kann ich nach 1. Korinther 7 nicht daran zweifeln, dass Christen, die offensichtlich durch den ungläubigen Partner verlassen wurden, in jeder Hinsicht frei waren, das heißt, frei zum Heiraten; aber das unterstellt ein absichtliches Im-Stich-Lassen durch den, der wegging. Der Christ durfte das nie tun. Wenn er aber genötigt war, den Partner zu verlassen, sollte er unverheiratet bleiben oder zurückkehren. Römer 7,3 hat damit nichts zu tun, denke ich. Da geht es um die Zugehörigkeit zu einem anderen Mann (nicht darum, mit ihm verheiratet zu sein), während das Eheband besteht. Dann ist die Frau des Ehebruchs schuldig, nicht aber, wenn der Ehepartner gestorben ist. Hier ist von offizieller Scheidung keine Rede, sondern von sündigen Taten, während die Ehe noch besteht. Das ist deutlich. Markus 10 macht Matthäus 19 nicht kraftlos; das Wegsenden der Frau durch den Mann wird als eigenwillige Tat angesehen. Wenn er sie verstößt, hat er durch Eigenwillen ein Band zerrissen, das durch Gott geschaffen war. Heiratet er wieder, begeht er Ehebruch. Durch diese sündige Tat wird das Band zerrissen, und eine gesetzliche Scheidung ist erlaubt. Wenn das alles vor der Bekehrung stattgefunden hat, würde ich den Fall akzeptieren, wie ich ihn antreffe. Aber wenn nur von Weglaufen die Rede ist, würde ich, wenn die Person, die wieder geheiratet hat, ein Christ ist, diese Ehe schwerlich als im Herrn geschlossen betrachten können. Gibt es Beweise von Untreue? Wenn das der Fall ist, lasst sie sich um eine offizielle Scheidung bemühen. Danach sind sie frei, wieder zu heiraten.

Aber wenn das nicht geschieht, kann ich es nicht akzeptieren, dass sie ebenso wie Ungläubige ihren eigenen Willen tun. Eine solche Ehe ist dann nicht in dem Herrn. Selbst von Witwen wird gesagt: ,allein in dem Herrn'.

Für mich ist Matthäus 5 ebenso deutlich wie Matthäus 19, aber ich meine, dass die Person offiziell geschieden sein muss, sonst bleibt sie nach dem Gesetz verheiratet, und eine neue Verbindung ist ein Konkubinat. In allen Fällen ist Vergebung erlaubt.“

Schlussgedanken

Die Ehe gilt für Lebenszeit. Das ist der große Grundsatz der Heiligen Schrift. Die Ehe zwischen Mann und Frau ist ein Bild von der unverbrüchlichen Verbindung zwischen Christus und seiner Versammlung (Eph 5). Ein leichtfertiger Umgang mit der Verbindlichkeit der Ehe ist weder aus dem Alten Testament noch aus dem Neuen Testament zu erkennen. Der Herr Jesus erlaubt die Scheidung nur, wenn Hurerei (Unzucht) vorliegt. Der Christ aber ist zum Frieden und zur Versöhnung berufen.

Wenn eine Ehe aufgrund von Ehebruch geschieden wurde, dann ergibt sich nach meinem Dafürhalten für den „unschuldige“ Partner die Möglichkeit, eine neue eheliche Verbindung eingehen zu können. Dem Partner, der sich des Ehebruchs schuldig gemacht hat, eröffnet sich diese Möglichkeit natürlich nicht.

Wer, auch unter den kompliziertesten Umständen, Scheidung und Wiederheirat kategorisch ablehnt und in diesen Fällen stets Gemeindezucht fordert, sollte sich daran erinnern, dass die Ehe für den Menschen zum Segen gegeben wurde. Im Blick auf den Sabbat sagte der Herr, dass der Sabbat um des Menschen willen gemacht wurde und nicht der Mensch um des Sabbats willen (Mk 2,27). Und so wurde doch auch die Ehe um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um der Ehe willen. Das sollte berücksichtigt werden, wenn man es mit schwierigen Fällen zu tun hat. Wir sollten aufpassen, dass wir nicht den Einzelnen aus dem Auge verlieren sowie auf Prinzipien und Praktiken beharren, die wir nicht aufs i-Tüpfelchen mit der Bibel begründen können.

Es bleibt aber auch wahr, dass Scheidung und Wiederheirat nur in begründeten Ausnahmefällen möglich ist. Das wird auch dadurch deutlich, dass die Bibel, wenn sie über dieses Thema spricht, Scheidung und erst recht Wiederheirat gar nicht in Betracht zieht. Gerade in unserer Zeit ist es wichtig zu betonen: Die Ehe ist auf Lebenszeit.


Fußnoten:

  1. Die Formulierung, dass die Ehe durch Hurerei zerstört wurde, ist sicher nicht sehr glücklich. Denn das würde ja bedeuten, dass man sich scheiden lassen muss. Das ist nicht im Sinn der Schrift und entspricht auch nicht den Gedanken der hier zitierten Ausleger. Der deutsche Ausdruck „Ehebruch“ verleitet zu dem Gedanken, dass die Ehe zerbrochen sei, das ist aber tatsächlich nicht der Fall. Es geht um Unzucht, die die Ehe erschüttert und in einer Ehescheidung münden kann.
  2. Siehe dazu die vorige Fußnote.
  3. Es ist klar, dass das ein Zustand ist, der nicht so bleiben darf, sondern durch eine rechtmäßige Eheschließung vor dem Standesbeamten rasch beendet werden sollte.