Die Zeit, in der Amram und Jokebed Mose bekamen, konnte ungünstiger nicht sein. Einst war Jakob mit seinen Familien nach Ägypten gekommen und wohnte im Land Gosen. Damals standen sie in der Gunst des Pharaos. Doch nun hatte sich das Blatt gewendet. Joseph war gestorben und das Volk war gewachsen und zahlreich geworden und der neue Pharao, der Joseph nicht kannte, sah in ihnen eine Gefahr für sein Volk (2. Mo 1,6–10). Mit List und Härte machte er dem Volk Israel das Leben bitter und zwang sie zu schwerer Arbeit. Doch alle Härte nützte nichts – das Volk vermehrte sich noch mehr (1. Mo 1,12.13). Dann begann der Pharao, sich nach den Kindern auszustrecken: Gebar eine Frau eine Tochter, so durfte sie leben. War es aber ein Sohn, so musste er sterben.

„In dieser Zeit“, so beginnt Stephanus seinen Bericht, „wurde Mose geboren“ (Apg 7,20). Es mag sicherlich viele rationale Gründe gegeben haben, gerade in dieser Zeit kein Kind „in die Welt zu setzen“. Wenn auch diese Gefahren nicht zu jeder Zeit im gleichen Maß und in der gleichen Art bestehen, so ist es doch immer derselbe Glaube an denselben Gott, der diese Gefahren überwinden und in Gott Mut und Kraft schöpfen darf. Die Eltern Moses sahen, dass das Kind schön war (Heb 11,23), „schön für Gott“ (Apg 7,20). Daher fürchteten sie das Gebot des Königs nicht. Schon in Amram und Jokebed sehen wir den wunderbaren Glauben, der sich später auch in dem Leben Moses zeigen sollte. Der Glaube, der einen über das Sichtbare schauen lässt und einen in unsichtbare, geistliche Realitäten vertrauen lässt.

Amram und Jokebed sahen, dass das Kind schön war und verbargen es für drei Monate (2. Mo 2,2). Stephanus sagt zu dieser Zeit, dass Mose im Haus des Vaters aufgezogen wurde (Apg 7,20). Als das schließlich nicht mehr möglich war, geht der Glaube der Eltern einen Schritt weiter und setzt Mose in einem Schilfkörbchen auf dem Nil aus. Ihr Glaube wird belohnt, und Gott in seiner Güte führt alles so, dass die Eltern erneut ihr Kind für eine Zeit bekommen. Doch dann kam schließlich die Zeit, in der Mose aus dem Haus gegeben werden musste, um in den Palast der Tochter des Pharaos zu kommen (2. Mo 2,10) und in aller Weisheit der Ägypter unterwiesen zu werden (Apg 7,22).

Wir lernen daraus, dass es eine „Zeit des Verbergens“, eine Zeit im Haus gibt. In dieser Zeit dürfen wir die uns von Gott gegebenen Kinder aufziehen. Doch es gibt auch eine „Zeit des Loslassens“, eine Zeit, in der wir keinen oder wenig Einfluss auf die Entwicklung unserer Kinder haben, sie dennoch Gott anvertrauen dürfen.

Die ersten Jahre Moses waren von Seiten Amrams und Jokebeds von zwei Tätigkeiten bestimmt: verbergen und erziehen. Im Grunde beschreibt das treffend die Tätigkeiten, die Gott in unsere Verantwortung als Eltern gelegt hat. Wir Eltern sind „Hirten der Herzen“ unserer Kinder. Weder erziehen wir Dressurpferde noch pawlowsche Hunde, sondern Kinder mit einem Herz. Wie sich unsere Kinder einmal verhalten, wie sie sich im Leben entscheiden, wird von ihrem Herzen abhängen (Sp 4,23; Mk 7,21). Amram und Jokebed verbargen Mose vor dem Pharao, der den Tod ihres Sohnes wollte. In gleicher Weise will Satan, der Fürst dieser Welt, den geistlich-moralischen Tod unserer Kinder. Unsere Kinder brauchen hier geistliche und gottesfürchtige Eltern, die ihre Kinder vor den weltlichen Einflüssen „verbergen“.

Weiterhin wurde Mose im Haus seines Vaters aufgezogen. „Verbergen“ und „erziehen“ gehören unbedingt zusammen. Einmal schützen wir das Herz unserer Kinder, und dann dürfen wir es aber auch füllen. Wie viel Zeit Mose im Haus seiner Eltern insgesamt verbracht hat, können wir nicht genau sagen. Nach drei Monaten musste Jokebed das Kind aussetzen. Von der Tochter des Pharaos beauftragt, das Kind zu stillen, konnte Mose durch die Güte Gottes noch weiter im Haus seiner Eltern bleiben, bis er „groß wurde“ und seine Mutter ihn zur Tochter des Pharaos brachte (2. Mo 2,10). Da Kinder damals länger als heute gestillt wurden, müssen wir davon ausgehen, dass Mose kein Säugling mehr war, sondern eher ein Kleinkind.

Auch wie genau die Eltern diese Zeit genutzt haben, wissen wir nicht. Schauen wir aber in das Leben Moses hinein, so kommen wir doch nicht umhin, den Samen dafür genau in dieser Zeit im Haus seiner Eltern zu sehen.

Mose kam also an den Palast, wo er der Tochter des Pharaos „zum Sohn“ wurde. Damit änderte sich sein Leben radikal. Gehörte er einst zu diesem verhassten Volk, gehörte er nun zu den Privilegiertesten des Landes. Eine wunderbare und herrliche Zukunft lag vor ihm. In aller Weisheit der Ägypter unterwiesen, wurde Mose bald mächtig in Worten und Werken (Apg 7,22). Trotz allen Luxus, aller Zerstreuung und aller Beschäftigung kam aber doch etwas in seinem Herzen auf, was ihn zu Glaubenstaten brachte.

Auf der einen Seite war die privilegierte Stellung als Sohn der Tochter des Pharaos und all die Schätze Ägyptens, auf der anderen Seite ein verachtetes und angefeindetes Volkes Israel. Auf der einen Seite Ruhm, Ehre und Luxus, auf der anderen Verachtung, Entbehrung und Feindschaft. So mag das Auge des Unglaubens die Dinge gesehen und bewertet haben. Doch der Glaube Moses bringt ihn dazu, die Dinge in ihrem wahren Licht zu sehen und entsprechend zu handeln. Der Glaube Moses überwindet das Zeitliche, Sichtbare und Vergängliche und lässt ihn auf das Ewige, Unsichtbare und Bleibende schauen. Durch den Glauben verstand Mose, dass dieses Volk Gottes Volk war, dem Gottes Verheißungen galten. Nicht Ägypten, sondern Israel gehörte die Zukunft. Mose wollte lieber eine Zeit mit diesem Volk Gottes Ungemacht leiden, als sich an dem zeitlichen Genuss der Sünde zu ergötzen.

Als Kind verbargen die Eltern Moses ihn vor dem feindlichen System Ägyptens, solange sie konnten. Doch nun wendet der erwachsene Mose sich selbst von diesem System mit allen Konsequenzen ab. Und dürfen wir in Bezug auf die Wahl Moses für das Volk Gottes nicht auch den Samen in der Erziehung im Elternhaus sehen?

Wenn Gott uns Kinder anvertraut hat, dann haben wir die Verantwortung, unsere Kinder zu verbergen und zu erziehen. Wir wollen sie einerseits schützen und andererseits Christus ihnen großmachen. Es gibt eine „Zeit des Verbergens“. Es ist beachtenswert, dass Mose erst dann ausgesetzt wurde, als es nicht mehr anders ging (vgl. 2. Mo 2,3). Da in Deutschland die allgemeine Schulpflicht gilt, ist dieser Punkt spätestens mit dem 6. Lebensjahr gekommen. Auch wenn es heute ganz normal und vernünftig erscheint, seine Kinder schon früher in fremde Obhut zu geben, wollen wir als gottesfürchtige Eltern die uns von Gott gegebene Verantwortung wahrnehmen und nicht delegieren. Was unsere Verantwortung als Eltern angeht, so wollen wir alles daransetzen, in den Herzen unser Kinder einen Samen zu pflanzen, der einmal dahingehend aufgeht, dass unsere Kinder, trotz aller Annehmlichkeiten, die diese Welt zu bieten hat, sich weigern, mit ihr in irgendeiner Weise verbunden zu sein. Mögen sie einmal glaubensvoll wählen, jetzt in dieser Welt die Schmach des Christus zu tragen, um schließlich einmal mit Ihm verherrlicht zu erscheinen. Von Gott haben wir unsere Kinder bekommen – für Ihn wollen wir sie erziehen.