Frage: Wenn es um biblische Prophetie geht, höre ich immer wieder, dass von vier Weltreichen gesprochen wird. Aber es gab doch in der Geschichte mehr als vier Weltreiche?

Antwort: Diese Frage ist berechtigt. Zunächst seien die vier Weltreichen genannt, die in der biblischen Prophetie eine wichtige Rolle spielen (vgl. Dan 2 und 7; Sach 6,1–8; Off 13,2):

1.) Das Babylonische Reich (ca. 609–539 v. Chr.)

2.) Das Medo-Persische Reich (ca. 539–330 v. Chr.)

3.) Das Griechische Reich (ca. 330–146 v. Chr.)

4.) Das Römische Reich (ca. 146 v. Chr.–476 n. Chr.)

Bevor das Babylonische Weltreich zur dominierenden Macht wurde, existierte bereits das Assyrische Reich. Dieses Reich wird in Geschichtsbüchern manchmal als Weltreich bezeichnet und war auch ähnlich umfangreich wie das Babylonische Reich. Das Assyrische Reich wird dennoch im Buch Daniel nicht als Weltreich bezeichnet, weil es einen wichtigen Unterschied gab: Die Babylonier waren es, die Jerusalem zerstörten und dafür sorgten, dass die von Gott eingesetzte Königsherrschaft in Israel ihr Ende fand. Gott legte in seinen Regierungswegen dem babylonischen König Nebukadnezar die ganze Herrschaft in die Hände. Damit begann die „Zeit der Nationen“ (vgl. Lk 21,24). Israel war von diesem Zeitpunkt an, wie es Hosea 1 ausdrückt, „Lo-Ruchama“ (Nicht-Begnadigte) und „Lo-Ammi“ (Nicht-mein-Volk). Im Blick auf die Verwaltung der Erde war Israel nun beiseitegesetzt, auch wenn Gott sich noch mit den Juden „beschäftigte“ und ihnen auch ein nationales Aufleben gewährte.

Im Jahr 539 v. Chr. wurde Babel von den Medo-Persern erobert (Jes 13,17–22; Dan 6,1). Bereits zwei Jahre später konnte ein Überrest der Juden in ihr Land zurückkehren (Esra 1). Die Juden formierten quasi wieder einen kleinen Staat, auch wenn sie abhängig von den Mächten der Nationen waren. Dieses Land wurde schließlich Teil des Griechischen Weltreiches bzw. des Reiches der Seleukiden. Im Jahr 63 v. Chr. geriet Israel unter römische Oberherrschaft. Die Juden lieferten sich mit der Besatzungsmacht einige Auseinandersetzungen, und im Jahr 70 n. Chr. wurden die Stadt Jerusalem und der Tempel zerstört. Im Jahr 135 n. Chr. zerschlugen die Römer den letzten jüdischen Aufstand, vernichteten die Reste einer größeren jüdischen Siedlung und sorgten für die Zerstreuung der Juden über die ganze Welt. Israel existierte als Nation nicht mehr. Das Römische Reich selbst ging dann im Jahr 476 n. Chr. unter (d.h. das weströmische Reich).

Die Weltreiche, die nach dieser Zeit kamen, bleiben in der prophetischen Betrachtung außen vor, da es keine direkte Relevanz im Blick auf Israel gibt. Dazu gehört zum Beispiel das Mongolenreich, das den größten zusammenhängenden Herrschaftsbereich in der Weltgeschichte bildete. Es wird aber aus  dem angegebenen Grund nicht zu den vier Weltreichen gezählt.

Das Römische Reich und Israel waren über Jahrhunderte von der Landkarte verschwunden. Doch aus der biblischen Prophetie ist klar ersichtlich, dass es beide Mächte geben muss, wenn der Herr Jesus in Macht und Herrlichkeit erscheint. Der Apostel Johannes schrieb, dass das Römische Reich war (zu seiner Zeit) und nicht ist (das ist heute noch so) und wieder sein wird (Off 17,8). Dieses Reich, das aus dem Abgrund kommt, wird beseitigt werden, wenn der Herr Jesus seine Herrschaft antreten wird (Dan 2,44.45; 7,11–14; Off 13; 19,19–21). Auch wird Er den Antichristen und die ungläubigen Israeliten richten, bevor Er seinen Thron in Jerusalem einnehmen und seine Segensherrschaft beginnen wird (Jes 30,19; Jer 31,38–40; Hes 48; Röm 11,26.27).

Bereits heute können wir politische Entwicklungen sehen, die offenbar eine Vorbereitung auf die „Zeit des Endes“ darstellen. So wurde im Jahr 1948 – zur Überraschung vieler – der Staat Israel ausgerufen. Auch wenn das Römische Reich heute noch nicht aus dem Abgrund heraufgestiegen ist, so ist es doch bemerkenswert, dass kurz darauf, im Jahr 1957, einige europäische Staaten die Römischen Verträge unterzeichnet haben, wodurch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) entstand. Kaum wurde Israel auf politischer Ebene wieder sichtbar, schon rückte Europa zusammen! Da fragt man sich: Wie lange mag es wohl noch dauern, bis das Römische Reich aus dem Abgrund hervorkommen und all das geschehen wird, was die Bibel – auch im Blick auf das Gericht über Israel – vorhergesagt hat?

Doch das wird sich erst ereignen, nachdem der Herr Jesus zur Entrückung gekommen sein wird. Dann wird das, was zurückhält (die Versammlung in ihrer Zeugniskraft), und der, der zurückhält (der auf der Erde wohnende Heilige Geist), „aus dem Weg“ sein (2. Thes 2,6.7) – das Böse wird sich rasant entwickeln und die Zeit der Nationen wird bald zu ihrem Ende kommen.