Das Buch Ruth bildet das Bindeglied zwischen den Büchern Richter und 1. Samuel. Prophetisch beschreibt es den Übergang von der Zeitepoche, wo „ein jeder tut, was recht ist in seinen Augen“ (Ri 21,25), und der Königsherrschaft des Herrn Jesus, des wahren David auf dem Thron Israels.

Elimelech steht für das abtrünnige Israel, das Gott und dem Ort der Anbetung den Rücken zugekehrt hat (Jer 2,11.13). Noomi, verwitwet, arm und kinderlos, zeigt das von Gott als Lo-Ammi („Nicht-mein-Volk“) beiseitegesetzte Israel, das jedes Privileg verloren hat, welches damit verbunden war, Volk Gottes zu sein (Jes 54,6; Klgl 1,1). In Ruth, der Fremden, sehen wir ein unter die Nationen gerechnetes Israel (Jer 25,15–18), das in der Nacht der Drangsal Zuflucht zum „Blutsverwandten“-Erlöser nimmt, bei ihm Gnade findet und wieder als sein Volk angenommen wird (Jes 62,2–5).

Ruth wendet sich mit den Worten an Boas: „Breite deine Flügel aus über deine Magd.“ Sie benutzt dabei das bekannte Bild von einer Henne, die ihre Flügel ausbreitet, damit ihre Küken Schutz bei ihr finden können. Es war eine gewagte Sache von Ruth, und sie konnte nicht ahnen, welche Freude gerade diese Worte bei Boas auslösten: „Gesegnet seist du von dem Herrn, meine Tochter.“ Er hatte sie beobachtet und wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass sie nicht den Jünglingen nachgelaufen war. Er hatte etwas Wertvolles in ihr gesehen („eine tüchtige Frau“), ja, er hatte auf sie gewartet. Und jetzt kam sie mit diesen Worten zu ihm!

Wie spricht das alles von der tiefen Freude des Herrn Jesus über die Rückkehr (eines Überrests) seines abtrünnigen, irdischen Volkes. Hatte er nicht, als er auf der Erde war, genau mit diesem Bild von der Henne und den Küken seine Empfindungen über Israel ausgedrückt: „Jerusalem, Jerusalem, die da tötet die Propheten und steinigt, die zu ihr gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt!“? Er hatte über sie geweint, weil sie nicht wollten.

Aber dann werden sie kommen und ihm gleichsam sagen: „Breite deine Flügel aus.“ Sie hatten nicht gewollt, aber dann wollen sie! Um „Mitternacht“, wenn die Not der Drangsal Jakobs am größten ist, wird er sich ihnen zuwenden und seine „Flügel ausbreiten“. Und sie werden kommen und Zuflucht bei ihm suchen. Welche Freude für sein Herz! Haben wir Empfindungen dafür, auch wenn wir nur „Beobachter“ dieser Szene sein werden? Freuen wir uns für ihn, dass er dann auch mit seinem irdischen Volk zum Ziel kommt? Dann wird er zu ihnen sagen: „Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein rettender Held. Er freut sich über dich mit Wonne, er schweigt in seiner Liebe, frohlockt über dich mit Jubel“ (Zeph 3,17).