Rufe mich an am Tag der Bedrängnis: Ich will dich erretten, und du wirst mich verherrlichen! (Psalm 50,15)   

Anfang Oktober 1835 kam vormittags zu Pfarrer Büchsel ein Schneider, der einige Häuser weiter wohnte, und schilderte ihm seine Not. Er musste bis 12 Uhr mittags 50 Mark Miete bezahlt haben, wenn er nicht mit seiner kranken Frau und seinen sechs Kindern auf die Straße geworfen werden wollte. Seine Ersparnisse waren jedoch komplett aufgebraucht. Als der Pfarrer ihm etwas geben wollte, lehnte er ab: „Nein, kein Geld; fünfzig Mark können sie mir doch nicht geben, so wenig wie ich sie mir in der einen Stunde, die mir noch bleibt, erbetteln kann. In den Psalmen steht: ‚Rufe mich an am Tag der Bedrängnis: Ich will dich erretten!’ Gerufen habe ich aus tiefstem Herzen; hören und helfen wird der treue Gott. Aber wie, das hätte ich gern von Ihnen vernommen; schon ist es elf Uhr!“ Büchsel antwortete: „Warten sie die Stunde ab, dann werden sie ja sehen!“ Der Schneider ging still davon.

Zehn Minuten vor zwölf machte sich der Pfarrer auf, um zu sehen, wie die Sache ausgehen würde. An dem Haus des Schneiders angekommen, trat eine vornehme Frau vor ihn hin. „Gut, dass ich sie hier treffe“, sagte sie. „Als mein Mann heute früh in sein Büro aufbrach, sagte er zu mir: ‚Es ist viel Not unter den armen Leuten. Nimm diesen Fünfzigmarkschein und bringe ihn Pastor Büchsel; er wird wohl wissen, wo er damit helfen.’“ Büchsel musste nicht lange überlegen. Er führte die Frau zum Schneider, der einige Meter entfernt an einer Stelle stand, von wo aus er die Uhr des Kirchturms sehen konnte. Mit großer Freude und Dankbarkeit nahm er den Geldschein entgegen. In diesem Augenblick schlug es zwölf Uhr. – Wir dürfen wissen: Der Gott, der damals Gebete erhörte, tut es auch heute noch!

[Vergleiche: „Nichts wie heim!“ Geschichten aus dem Leben von Jörg Erb. Seite 61 ff.]