In Römer 4 wird neun mal gesagt, dass Gott jemand Gerechtigkeit zurechnet. In Vers 11 heißt es: „Und er [Abraham] empfing das Zeichen der Beschneidung als Siegel der Gerechtigkeit des Glaubens, den er hatte, als er in der Vorhaut war, damit er Vater aller wäre, die in der Vorhaut glauben, damit auch ihnen die Gerechtigkeit zugerechnet werde.“

Gerade in Verbindung mit Römer 4 wird schon mal folgender Gedanken formuliert: „Wenn wir an das Evangelium glauben, bekommen wir die Gerechtigkeit Gottes (oder: die Gerechtigkeit des Herrn Jesus) geschenkt. Wir besitzen dann die Gerechtigkeit, die er selbst hat.“

Ist dieser Gedanke richtig? Die Gerechtigkeit Gottes ist ja seine Eigenschaft – es ist das Gerecht-Sein Gottes. Wird das auf uns übertragen, wenn wir glauben? Kann das der Gedanke sein?

Wenn wir noch einmal einen Blick in Römer 4 hineinwerfen, wird die Sache rasch klarer. Dort ist von David die Rede, der die Glückseligkeit eines Menschen ausspricht, dem Gott Gerechtigkeit ohne Werke zurechnet (Vers 6). Unmittelbar danach heißt es: „Glückselig der Mann, dem der Herr Sünde [o. Ungerechtigkeit – Psalm 32,2] nicht zurechnet!“ (Vers 8). Es ist klar, dass es hier nicht darum gehen kann, dass eine Ungerechtigkeit von außen auf eine Person übertragen wird, sondern es geht darum, dass jemand als ungerecht erklärt wird. Und so ist es auch im Blick auf den parallelen Ausdruck „Gerechtigkeit zurechnen“ zu verstehen. Er bedeutet: Es wird erklärt, dass jemand Gerechtigkeit hat, bzw. dass jemand gerecht ist.

Auch Römer 2,26 macht diesen Punkt klar: „Wenn nun die Vorhaut die Rechte des Gesetzes beachtet, wird nicht seine Vorhaut für Beschneiung gerechnet werden …?“ Das bedeutet: Jemand, der unbeschnitten ist, aber das Gesetz erfüllt, wird als beschnitten betrachtet oder erklärt. Es geht nicht darum, dass ihm Beschneidung geschenkt wird oder dass sie irgendwie auf ihn übertragen wird.

Gerechtigkeit zurechnen bedeutet also, dass jemand für gerecht erklärt oder als gerecht angesehen/betrachtet wird.

So ganz unwichtig ist das nicht. Denn wenn man das „Zurechnen“ als eine „Übertragung“ versteht, dann kann man schnell bei einem handfesten Irrtum landen, der besagt, dass der Herr Jesus für uns das Gesetz erfüllt hat und dass uns diese gesetzliche Gerechtigkeit Christi geschenkt wird, wenn wir zum Glauben kommen. Es ist nicht meine Absicht, jetzt näher darauf einzugehen. Nur: Wenn das wahr wäre – wozu ist Christus dann gestorben? Galater 2,21 sagt: „Wenn Gerechtigkeit durch Gesetz kommt [auch die Gerechtigkeit, die uns Christus in seinem Leben in der Gesetzeserfüllung bewirkt haben soll!], dann ist Christus umsonst gestorben.“

Rechtfertigung bezieht sich einerseits auf unsere Taten und andererseits auf unsere Stellung als Sünder. Zur Rechtfertigung im vollen Sinn gehört der Tod und die Auferstehung des Herrn Jesus (Röm 4,24.25). Gott hat Jesus, der für die Sünde gestorben ist, in Gerechtigkeit auferweckt und in den Himmel aufgenommen (1. Tim 3,16; Joh 16), denn er hat das Werk nach Gottes Gedanken ausgeführt. Wer nun an das Erlösungswerk des Herrn glaubt, dem werden nicht nur keine Sünden mehr zur Last gelegt, sondern Gott gibt so jemand auch die Stellung, die er seinem Sohn gegeben hat. Völlig angenommen stehen wir Christen vor Gott! Ohne jede Furcht vor Verdammnis und Zurückweisung. Christus ist unsere Gerechtigkeit (1. Kor 1,30). Er ist die Grundlage und der Maßstab dafür. Gott hat Christus zur Sünde gemacht, damit wir ein Denkmal der Gerechtigkeit Gottes würden (2. Kor 5,21).