Ein Prediger kam bei seinen Hausbesuchen zu einem Bauern, der allsonntäglich Gottes Wort hörte und auch gern darüber redete.

„Guten Tag, mein lieber Konrad! Wie geht es Ihnen?“

„Danke für die freundliche Nachfrage. Und wie geht es Ihnen, Herr P.? Wie schön, daß Sie mich ein wenig besuchen wollen. Da muß ich Ihnen aber gleich sagen, daß mir Ihre gestrige Predigt sehr gut gefallen hat. Bloß eins hätte ich noch gern gehabt, wenn ich das sagen darf: Sie hätten noch ein Stück schärfer predigen können. Nehmen Sie mir das bitte nicht übel!“

„Ich bitte Sie, lieber Konrad, ich nehme das durchaus nicht übel, im Gegenteil, ich freue mich über die freie Beurteilung. Es mag schon sein, daß die Predigt noch schärfer hätte sein können.“

„Ja, Herr P., besonders als Sie über die Bekehrung sprachen und über den Geiz. Sie glauben gar nicht, was für Geizkragen in der Gemeinde sind. Es steht doch in der Bibel: .Trachtet zuerst nach dem Reiche Gottes!' Darauf hätten Sie noch schärfer hinweisen sollen; glauben Sie es mir!“

„Ja, das mag wohl sein, mein lieber Konrad!“

Das Gespräch ging weiter über dies und das. Endlich brach der Prediger auf. Konrad begleitete ihn über den Hausgang bis zur Tür. In der Nebenstube – die Tür stand gerade offen – hingen Schinken und andere Fleischwaren in großer Zahl, daß es eine Freude war, sie anzusehen.

Der Prediger blieb stehen, sah sich den Reichtum mit Wohlgefallen an und sagte dann: „Mein lieber Konrad, ehe ich zu Ihnen kam, war ich bei der armen Witwe Krüger. Sie wissen, sie hat sechs unmündige Kinder. Das Durchkommen wird ihr sehr schwer, und es wäre nötig, sie ein wenig zu unterstützen. Nun sehen Sie, lieber Konrad, Sie haben da so viele schöne Schinken hängen. Wollen Sie mir nicht einen für die alte Krügerin herunterholen?“

„Was, Herr P., einen ganzen Schinken? Das ist doch zuviel. Ein gut Stück davon tut's doch auch.“

„Nein, nein, die braucht schon einen ganzen. Sie sind doch ein reicher Mann, und Sie können nicht einmal einen Schinken für eine arme, kinderreiche Witwe hergeben?“

„Nun denn, wenn es sein muß, dann nehmen Sie ihn mit!“ Als Konrad dem Prediger den Schinken eingehändigt hatte, sagte dieser: „Nun, war das scharf genug gepredigt?“ „Ja, ja, fast ein wenig zu scharf“, sagte der Bauer.

Die Lehre ist einfach. Nehmen wir sie uns zu Herzen!