Klare Wertmaßstäbe und absolute Wahrheiten sind heute nicht sehr populär. Viele halten das  für richtig und wahr, was ihnen die innere Stimme von Fall zu Fall diktiert. Der geistige Führer der indischen Unabhängigkeitsbewegung, Mahatma Gandhi (1869–1948), trieb diesen Gedanken auf die Spitze, indem er sagte, dass das Gewissen mit Gott gleichzusetzen sei. Damit legte er ein radikales Bekenntnis zur Subjektivität der Wahrheit ab. Oder weniger vornehm ausgedrückt: zur uneingeschränkten Willkür. Denn so wird völlig legitimiert, dass jeder das tun darf, was recht ist in seinen Augen. Man kann sich leicht ausmalen, dass diese Einstellung letztlich fatale Folgen haben muss.

Ein Beispiel aus dem Leben Gandhis selbst unterstreicht das. Als sein Sohn Manilal ernstlich erkrankte, ordnete der Arzt an, dem Jungen Geflügelbrühe und Eier zu geben, um seine körperlichen Kräfte zu stärken. Andernfalls wollte der Arzt nicht für das Leben des Jungen  garantieren. Gandhi antwortete: „Die Religion, wie ich sie verstehe, erlaubt mir und den Meinen nicht einmal in Fällen wie dem vorliegenden, Fleisch oder Eier zu essen, und ich muss deshalb das Risiko auf mich nehmen - das, was sie sagen, ja besteht.“ Ghandi war also bereit, den Tod seines Sohnes in Kauf zu nehmen, um eine religiöse Norm zu erfüllen, an die er sich durch sein Gewissen gebunden fühlte.

Wenn jeder sein eigenes Urteil für unfehlbar hält, geraten wir nicht nur in Widerspruch zueinander, da jeder ein anderes moralisches Bewusstsein hat, sondern auch in Widerspruch zu Gott selbst. Denn er hat uns in seinem Wort, der Bibel, die Wahrheit gegeben; hat uns  verbindlich gezeigt, wie er die Dinge sieht. Das ist es, was wir brauchen. Das ist es aber auch, was wir glauben müssen, um dem Wirrwar der menschlicher Meinungen zu entrinnen.