Wir müssen zunächst einmal feststellen, dass die Schrift nicht direkt sagt, dass Gott alle Menschen und jeden Sünder liebt. Das sollte uns vorsichtig machen, diese Aussage allzu freimütig zu verkünden. Dennoch bin ich von der Schrift her überzeugt, dass Gott alle Menschen liebt, das lässt sich deutlich ableiten.

1.) Zunächst zu Johannes 3,16: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.“ Gott liebt die Welt der Menschen!

Hier gibt es nun zwei Einwände. Erstens: „Gott hat die Welt geliebt; heute liebt er sie nicht mehr, denn sie haben seinen Sohn verworfen.“ Doch dieser Gedankengang (die Liebe nur auf die Vergangenheit zu beziehen) ist verbogen. Johannes 3,16 sagt, dass Gott in seiner Liebe bereit war, seinen Sohn für diese Welt zu geben, damit jeder an Christus glauben und Heil finden könne. Und dieses Angebot gilt bis heute. Das ist ein Beweis der Liebe Gottes auch für den Menschen im 21. Jahrhundert, wenn auch die Dahingabe des Sohnes ein einmaliger Akt war, in der sich die Liebe Gottes besonders gezeigt hat!

Der zweite Einwand lautet, dass mit der „Welt“ die „Welt der Gläubigen“ gemeint sein soll. Das aber ist absurd und entspricht nicht dem Gebrauch des Wortes „Welt“ in der Schrift. – Gott liebt nicht nur den Sünder, von dem er weiß, dass er einmal sein Kind sein würde, sondern er liebt jeden Sünder und bietet ihm das Heil an. Dafür ist Christus gestorben.

2.) Ein weiterer Punkt: Wir sollen den Nächsten lieben. Dazu gehören sicher auch die Ungläubigen. Fordert Gott von uns etwas, was er selbst nicht tut? Nein. Auch er liebt den Menschen. Wir sollen sogar unsere Feinde lieben. Das tut Gott auch. Er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute (Matthäus 5,43–48).

3.) Gott liebt sein irdisches Volk, die Israeliten. Und doch waren nicht alle in diesem Volk solche, die Gott wirklich kannten (Jesaja 63,9–10). Dadurch erkennen wir, dass Gottes Liebe nicht nur denen gilt, die aus ihm geboren sind.

4.) Titus 3,4 spricht von der Güte und Menschenliebe unseres Heiland-Gottes. Ja, Gott ist ein Gott, der den Menschen liebt! Das charakterisiert ihn. In dem Herrn Jesus wurde diese Liebe sichtbar. Sie war vorher schon da und sie wurde auch nachher nicht ausgelöscht.

5.) Von dem Herrn Jesus wird gesagt, dass er einen reichen, jungen und gesetzestreuen Mann liebte – und dieser war eindeutig ungläubig (Markus 10,21).

Wir sehen, dass wir ruhig bei dem alten Satz bleiben können: „Gott liebt den Sünder und hasst die Sünde.“

Drei Dinge noch ergänzend dazu:

1.) Die Liebe Gottes zu seinen Kindern ist von einer anderen Qualität als die Liebe zu allen Menschen. Das darf man nicht vergessen. Wir gehören zu seiner Familie und sind besonders Gegenstände seiner Liebe, die wir genießen dürfen.

2.) Die Liebe Gottes zu den Menschen gilt nur, solange sie leben. In die Hölle wird kein Strahl der Liebe Gottes mehr leuchten!

3.) Die Liebe Gottes zu allen Menschen steht nicht im Widerspruch zu dem Hass Gottes, der im Alten Testament erwähnt wird. In Psalm 5,6 heißt es beispielsweise, dass Gott alle hasst, die Frevel tun. Was ist nun mit dieser Stelle? Liebt Gott den, der Böses tut, oder hasst er ihn? Ich denke, dass wir tatsächlich beides miteinander verbinden können. Gott liebt seine Geschöpfe und sucht ihr Wohl und ihr Heil. Das ist und bleibt wahr. Aber in ihrem Charakter als Frevler kann er sie nicht lieben. In Verbindung mit ihren Sünden kann er den Frevler nur hassen. Und es ist auch auf menschlicher Ebene nichts Unbekanntes, dass man gemischte Gefühle und Empfindungen einer Person gegenüber hat. In manchen Fällen spricht man sogar von einer Hassliebe. Und diese Überlegungen helfen auch, Psalm 139,21 besser einzuordnen, wo wir lesen: „Hasse ich nicht, HERR, die dich hassen?“ Lag der Psalmdichter mit diesem Hass verkehrt? Nein. Denn einen Gotteshasser, in ebendiesem Charakter betrachtet, kann man nicht lieben. Selbstverständlich aber gibt es auch immer eine Ebene, auf der Liebe gezeigt und gelebt werden kann, wie sich das auch immer im konkreten Fall gestalten mag.