Dieser Psalm beschreibt auf sehr präzise und einfühlsame Weise den Weg eines geprüften Herzens. „Das Wohlergehen der Gottlosen“ ist der Anlass der Prüfung. In den Versen 13 und 14 scheint sich der Sturm der Seele auf dem Höhepunkt zu befinden, bevor in Vers 15 zum ersten Mal etwas anklingt, das der Geist in gnädiger Weise gibt, um dem Problem Herr zu werden. Das Heiligtum wird betreten, d. h. es werden die Gedanken Gottes erkannt und verstanden, was dazu führt alles in dem Licht des „Endes“ (Vers 17) jener Menschen zu sehen; denn es ist dieses Licht, das das Heiligtum abwirft, und in dem die Weisen wandeln (5. Mose 32,29; Ps 90,12). Weiter sehen wir ein zusätzliches Werk der Wiederherstellung des Geistes Gottes, bis die Seele dahin gelenkt wird ihren eigenen Weg zu überdenken und anzuerkennen, dass sie Schande über sich gebracht hat. Gleichzeitig wird jedoch auch die unveränderliche Liebe Gottes deutlich. Aus dem Fresser kam Fraß – die Prüfung hat die umso größeren Quellen Gottes geöffnet. Das Geheimnis der Auferstehung wurde erfasst und die Seele zur Ruhe gebracht. Der Anbeter hatte einem Tier geglichen, das fühlte und davon ausging, dass das gegenwärtige Leben alles sei. Aber er lernte die Kraft der Auferstehung kennen (wie Paulus es sich täglich neu vornahm sie immer mehr und vollkommener kennen zu lernen, vgl. Phil 3), und das warf ein neues und stilles Licht auf alles, worin er lebte und ließ ihn den Unsichtbaren sehen (Ps 77).

Beachte in diesem Psalm den Gegensatz zu Psalm 37, wo den Schreiber dasselbe Thema beschäftigt: der Lauf dieser Welt und das Wohlergehen der Gottlosen. Hier ist es jedoch nicht die Ruhe des Glaubens, wie wir sie dort finden, sondern die Leidenschaften der Seele. Dort haben wir das beruhigende Licht des Glaubens verbunden mit einer Hoffnung, die das Herz vom Anfang bis zum Ende auszeichnet. Hier sehen wir, wie die Ruhe und Freude des Glaubens erst nach tiefen Herzensübungen erreicht wird, nachdem der Unglaube hinter sich gelassen wurde.

Genauso können wir einen Gegensatz zum vorherigen Psalm beobachten. Wie unterschiedlich stellen sich die Dinge „im gegenwärtigen, bösen Zeitlauf“ und im „zukünftigen Zeitalter“ dar. Dort haben wir festgestellt, dass die Zurechtbringung und Verurteilung böser Taten das Reich oder zukünftige Zeitalter kennzeichnen und Frieden und Wohlstand die Frucht der Gottesfürchtigen sein wird. Hier stellen sich die Dinge ganz anders dar: Der Bedrücker gedeiht durch die Ausübung von Druck und Gewalttat – ein Becher voller Tränen dagegen steht auf der Seite des Gerechten.

Auf diese Art und Weise werden jedoch andere Lektionen gelernt. Die Welt, in der sich unser Gott offenbarte und handelte, hätte nie die Lektionen der anderen (Welt) lehren können. In der gegenwärtigen Welt lernen wir, dass er Schätze der Gnade hat, um unseren Bedürfnissen zu begegnen und in der zukünftigen Welt werden wir die Schätze seiner Herrlichkeit kennen lernen, um unsere Freude zu erfüllen. Eine Ähnlichkeit können wir bei den Segnungen entdecken, die Aaron empfing und denen, die Melchisedek geschenkt wurden (vlg. 4. Mose 6, 1. Mose 14). Bei beiden handelte es sich um Segnungen, aber sie waren unterschiedlich – jede passte zu dem jeweiligen Zustand des Volkes Gottes: einmal wurden sie in einer Zeit der Not, Schwachheit und Prüfung gewährt, ein anderes Mal in einer Zeit der Kraft, Ehre und des Sieges.

[Übersetzt von Stephan Keune]