Die Auslegung des vor uns liegenden kurzen und bemerkenswerten Psalms ist nicht kompliziert.

Der einleitende Vers zeigt uns den Dank der Nation, die hier errettet und gerächt gesehen wird. Ihr Flehen, das im vorigen Psalm gezeigt wurde, ist erhört worden. Die Ausübung des Werkes Gottes in der Errettung und Rache hatte seine Nähe zu seinem Volk gezeigt, was sie hier feiern. Sein Name war für eine lange Zeit von Israel getrennt gewesen. Aber jetzt ist das anders und ihr Glaube schaut voraus und sieht, dass er im Begriff steht seine „Wundertaten“ zu ihren Gunsten auszuführen. Sie wissen damit, dass er zurückkehren und seinen Namen mit ihnen verbinden wird.

Die nachfolgenden Verse, von Vers 2 bis zum Ende, sind die Äußerungen des Messias. Er gelobt in Gerechtigkeit zu regieren, wenn er sein Volk als sein Erbteil empfangen wird (Vers 2; vgl. 2. Sam 23, 4; Ps 101). Er weiß um den Abfall aller Königreiche und Regierungssysteme, der solange andauern wird, bis er sein Szepter erhebt (Vers 3; vgl. 1. Sam 2,8–10, Dan 2,44). Er fordert die rebellischen oder abgefallenen Mächte der Welt heraus, die sich gegen ihn erhoben haben, wobei er ihnen versichert, dass Gott sie bald heimsuchen wird (Verse 4–8; vgl. Ps 82, 83; Hag 2,22; Heb 9,27). Dann stellt er ihnen im Gegensatz dazu vor, dass er sein Szepter zum Preise Gottes hochhalten wird, was mit der Zeit in Verbindung steht, in der ein gerechter Lohn und eine gerechte Strafe ausgeteilt werden wird (Verse 9–10; vgl. Mt 25,31, Off 3,21).

Welch ein heiliges und herrliches Bewusstsein seiner selbst erfüllt das Herz des Messias, wenn er diese Worte äußert! Er weiß, dass er ein gerechtes Gericht ausüben wird, wenn er seine Versammlung empfangen wird. Und er weiß ebenfalls, dass er allein die Pfeiler dieser Welt in seiner Hand hält.

So sehen wir, dass sich uns der Inhalt dieses Psalms eindeutig erschließt. Der von Wein schäumende Becher (Ps 75,9), dieser „Kelchbecher des Taumels“ (Jes 51,17), der „Becher Zornwein“ (Jer 25,15), der „Kelch des Weines des Grimmes seines Zornes“ (Off 16,19) (alle Namen beziehen sich auf denselben Becher) ist das Symbol des göttlichen Gerichts, wie ein Vergleich mit den Schalen in Offenbarung 16 verdeutlicht. Der „Becher der Rettungen“ (Ps 116,13) steht auf der anderen Seite für die Freude des Königreichs (vgl. Ps 116; Lk 22,18). Welch ein „Morgen ohne Wolken“ (2. Sam 23,4) wird die Erhebung und Proklamierung dieses gerechten Szepters, die hier durch den Herrn selbst vorhergesehen wird, über diese seufzende und dornige Schöpfung bringen! Und es ist ein bedeutungsvoller und wunderschöner Punkt in diesem Psalm, dass der Becher, den die Menschen dieser Erde hier trinken werden, nicht an den Messias weitergereicht werden wird. Er nimmt stattdessen den anderen Becher entgegen und ruft sofort den Namen des Herrn an (vgl. Verse 8–9 und Ps 116,3). Der Kelch seines Zorns ist für sie bestimmt und der Becher der Rettungen für Ihn. Es ist in der Tat wahr, dass er einmal den Kelch der Leiden in Gethsemane für uns verlorene Sünder entgegennahm; aber es ist der Kelch des Lobpreises und Freude des Königreichs, der jetzt für ihn bestimmt ist, während die abtrünnigen Mächte der Erde den Kelch des Zorns bis zum letzten Tropfen austrinken werden.

(Übersetzt von Stephan Keune)