Es ist beachtenswert, dass dieser Ausdruck, den wir als Überschrift gewählt haben, im Römerbrief zweimal vorkommt: Erstens in den ersten Versen in Verbindung mit dem Evangelium, mit dessen Verkündigung Paulus betraut war, und dann noch einmal in den Schlussversen des Briefes in Verbindung mit dem Geheimnis, dass er ebenfalls unter allen Nationen bekannt machen sollte.
Nun lebten die römischen Gläubigen in der Stadt, die damals die zivilisierte Welt beherrschte und die von vielen verschiedenen Völkern, die sie unterjocht hatte, Gehorsam verlangte. Sehr leicht hätten sie also von dem herrischen Geist angesteckt werden können, der sie umgab. Sie hätten dann nicht mehr genügend verwirklicht, dass echter Glaube den, der ihn besitzt, zu einem Leben des Gehorsams verpflichtet. Der Geist des Ungehorsams nimmt in der heutigen Welt überhand, daher müssen wir Christen von heute uns auch die Wichtigkeit des Gehorsams in den Dingen Gottes immer wieder vergegenwärtigen.
Ich wage zu behaupten, dass die meisten von uns in ihren Gedanken zunächst kaum eine Verbindung zwischen Glauben und Gehorsam vermuten würden. Wahrscheinlich denken wir in Bezug auf Glauben mehr an das Erlangen von Segnungen, wie z.B. Errettung, Einsicht oder Trost. Es mag daher gesund sein, einen Moment zu betrachten, wie der Gehorsam dem Glauben entspringt, sowohl in Verbindung mit dem Evangelium als auch mit dem Geheimnis.
Der Brief an die Römer ist, wie wir zweifellos wissen, die systematische Entfaltung des Evangeliums zur Belehrung der Gläubigen. Wir lernen darin zuallererst, wie ein gerechter Gott gottlose Sünder rechtfertigen, von allen ihren Übertretungen reinigen und mit sich selbst versöhnen kann. Wir lesen weiter bis zum Ende von Kapitel 5 und ein weiterer Gedanke kommt vor uns, der genauso ernst, wenn nicht ernster ist. Wir besitzen gefallene Naturen, aus denen alle unsere Sünden entsprungen sind. Wir lernen, dass Gott einen anderen – „den letzten Adam“, wie 1. Korinther 15 sagt – eingeführt hat, und dass wir Gläubige mit Ihm in Seinem Tod und Seiner Auferstehung einsgemacht sind. Unser „alter Mensch“ – alles, was wir als gefallene Kinder Adams waren – ist mit Ihm gekreuzigt und wir sind nun in Sein Auferstehungsleben gebracht. Erlegt uns das eine Verpflichtung auf?
Selbstverständlich. Obwohl wir Gläubige sind, wurde die alte adamitische Natur nicht aus uns entfernt, und deshalb sind wir vielleicht allzu oft von ihr beherrscht, indem wir ihren Lüsten gehorchen, die nichts anderes als Sünden sind. Und doch bleiben wir die ganze Zeit solche, die in das neue Auferstehungsleben in Christus gebracht sind und in denen Sein Geist wohnt. Daher hören wir jetzt diese deutliche Anweisung: „Haltet euch der Sünde für tot, Gott aber lebend in Christus Jesus unserem Herrn.“
Nun, das verlangt Gehorsam von unserer Seite, und zwar Glaubensgehorsam. Der Glaube erfasst das, was im vorherigen Vers gesagt wird, nämlich, dass Christus „ein für allemal der Sünde gestorben ist; was er aber lebt, lebt er Gott.“ Er hatte keine Sünde in sich, aber sie lag auf Ihm und auch das Gericht über sie, als Er am Kreuz starb. Aber nachdem ihr Gericht beendet war, lebte Er Gott in Seinem Auferstehungsleben. In all diesem sind wir durch Gnade mit Ihm einsgemacht worden. Haben wir das im Glauben ergriffen? Sollten wir dem dann nicht auch im Glauben gehorsam sein?
Offensichtlich ja – durch eine vollständige Umkehrung unserer bisherigen Lebensweise. Als wir noch nicht bekehrt waren, teilten wir das Leben der Männer und Frauen der Welt. Wir lebten der Sünde in ihren vielfältigen Erscheinungsformen und waren tot für Gott. Die Sicht des Glaubens stellt uns das genaue Gegenteil vor; und der Glaubensgehorsam macht die Sicht des Glaubens in unserem Leben zu einer praktischen Wirklichkeit. Wenn das bei allen von uns und zu jeder Zeit so wäre – welch ein gewaltiger Unterschied wäre dann sichtbar zwischen dem Leben der Christen und dem Leben der Welt, die sie umgibt! Die praktischen Auswirkungen des Evangeliums wären allen offenbar. Und so sollte es nach Gottes Willen sein.
Das Geheimnis, auf das am Ende des Römerbriefes angespielt wird, wird dort nicht näher erklärt, sondern im Epheserbrief, und daher werden wir auch im Epheserbrief finden, wie der Glaubensgehorsam in Verbindung mit dem Geheimnis geleistet werden kann. Wenn wir die Anfangsverse von Epheser 2 sorgfältig lesen, bemerken wir, dass sowohl in Vers 1 und 2 „ihr“ – die Nationen – als auch in Vers 3 „wir“ – die Juden – betrachtet werden. Über beide wird das gleiche Urteil gefällt: „tot in Vergehungen und Sünden.“ Aus beiden Gruppen werden einige erreicht und durch die reiche Gnade Gottes „mit dem Christus lebendig gemacht“. Lebendig machen bedeutet Leben verleihen, und dieses Leben, das uns mit Christus gehört, ist das Werk einer neuen Schöpfung, wie wir in Vers 10 lesen: „Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken.“ Das Wort für „schaffen“ kommt noch mal in Vers 15 vor. Die Feindschaft zwischen Juden und Nationen ist für die Gläubigen heute beseitigt, weil es Gottes gegenwärtiges Werk ist, „dass er die zwei, Frieden stiftend, in sich selbst zu einem neuen Menschen schüfe.“
In den Tagen des Alten Testaments forderte das Gesetz eine strikte Trennung zwischen Juden und Nationen, damit der Jude nicht vom Götzendienst der Nationen angesteckt würde. Dass ein Tag kommen würde, an dem Gott eine neue Schöpfungsordnung einführen würde, in der diese Trennung vollständig beseitigt sein würde, konnte damals noch nicht bekannt gemacht werden, sondern musste ein „Geheimnis“ bleiben. Heute jedoch wird das Geheimnis unter allen Völkern, zu denen das Evangelium durchdringt, offenbart, und der Glaube, der es annimmt, führt zum Gehorsam, denn es legt eine Verantwortung auf alle, die durch die Gnade Gottes hineingebracht sind. Daher ist Gehorsam notwendig.
Nimm z.B. Epheser 4,3. Die Konflikte, die die ersten christlichen Versammlungen beschädigten, entsprangen weitgehend entweder der Einführung jüdischer Strenge und Zeremonien, oder heidnischer Laxheit und Intellektualismus. Römer 14 betont das genauso wie die Verse 3 und 16 aus Kolosser 2. In unseren Tagen, 1900 Jahre später, mag der Juden-Nationen-Konflikt nicht mehr so offensichtlich sein, aber wenn wir uns in einer Versammlung befänden, in der es Bekehrte aus Asien, Afrika, Amerika und Europa gäbe, würden wir schnell merken, wie notwendig die Aufforderung ist, die Einheit des Geistes zu bewahren.
Die Einheit ist das Werk des Geistes Gottes und wir hätten sie nie zustande gebracht, noch können wir sie zerstören, obwohl wir sie, was das praktische Ausleben betrifft, bewahren oder ignorieren können. Wir werden sie nur in dem Maß bewahren, wie wir den Glaubensgehorsam in den Dingen üben, die das Geheimnis eingerichtet und offenbart hat.
Wie haben wir es daher nötig, uns gegenseitig anzuspornen, Glaubensgehorsam zu üben, sowohl gegenüber dem Evangelium, das wir empfangen haben, als auch gegenüber dem Geheimnis, das uns offenbart wurde.
[Übersetzt von Marco Leßmann]