Haben wir noch das echte und tiefe Bewusstsein, wie nah Gott uns in Jesus Christus, unserem Herrn, gekommen ist? Vielen von uns sind körperliche und materielle Übel allzu nah und für alle von uns sind die verführenden Übel, die von der Welt um uns her und vom Fleisch in uns ausgehen, sehr gegenwärtig. Vor allen diesen Übeln werden wir nur bewahrt, wenn Gott für uns eine Wirklichkeit ist und wir mit Ihm leben.

Im Verlauf seiner Weissagung erhebt Jeremia die bemerkenswerte Frage: „Bin ich ein Gott aus der Nähe, spricht der Herr, und nicht ein Gott aus der Ferne?“ (Jer 23,23). Wie lautete die Antwort auf diese Frage? Von dem Augenblick an, da Gott Israel aus Ägypten erlöste, damit es Sein Volk sei, hatte Er Seinen Wunsch mitgeteilt, in ihrer Mitte zu wohnen. Doch unter den damaligen Umständen, musste Er sich in Feuer und Wolken und furchtbare Majestät hüllen und der Mensch hatte Abstand zu wahren. Das war bei Mose und Aaron und seinen Söhnen so, das war auch bei Salomo so als der Tempel vollendet war und die Priester doch nicht eintreten konnten, solange die Herrlichkeit des Herrn das Haus erfüllte. Es war einerseits Nähe, andererseits aber Distanz.

Wir schlagen das Neue Testament auf und alles hat sich geändert, denn wir werden sofort mit Jesus bekannt gemacht, der der Emmanuel ist, was übersetzt heißt: „Gott mit uns.“ Das ist etwas völlig Neues. Der, der einst in dem verzehrenden Feuer auf dem Sinai wohnte, wohnte jetzt in vollkommener Menschheit und demütiger Gnade unter den Menschen. Der, der Licht ist und ein unzugängliches Licht bewohnt, war jetzt in einer Weise erschienen, die die durchdringenden Strahlen Seiner Herrlichkeit so milderte, dass menschliche Augen sie erfassen konnten. Solche, die in jenen Tagen Seine Jünger waren, konnten sagen: „Wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater.“ Gott war tatsächlich mit ihnen und sie fürchteten sich nicht. Wir haben heute nicht mehr Seine leibhaftige Gegenwart, aber wir haben den inspirierten Bericht über Seine Gegenwart, und wir haben etwas, was Seine Jünger, die Ihm auf der Erde folgten, nicht hatten – die Gegenwart und Innewohnung des Heiligen Geistes – und deshalb ist auch für uns heute „Gott mit uns“ eine Realität.

Gott verlangt danach, in der Mitte Seines Volkes zu wohnen. Doch von unserer Seite gäbe es kaum den Wunsch nach Seiner Gegenwart, wenn wir Seine Einstellung uns gegenüber nicht kennen würden. Wie nötig also, von Matthäus zu Paulus weiterzugehen, um aus seiner Feder im Römerbrief zu erfahren, dass Er völlig für uns ist und nicht gegen uns. Wir lesen den Anfang dieses Briefes und hören Aussagen darüber, wer der Mensch ist, sodass wir schlussfolgern mögen, dass Er gegen uns sein muss. Aber der Bloßstellung der Sünde des Menschen folgt die Enthüllung der Gnade Gottes, die durch Gerechtigkeit herrscht durch Jesus Christus, unseren Herrn. Gott hat in erlösender Macht gehandelt, sodass wenn das Ende von Kapitel 8 erreicht ist, der Ruf in das Universum erschallen kann: „Wenn Gott für uns ist, wer wider uns?“ Ist Gott für uns? Ja, denn er hat Seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben. Es gab für Ihn keinen Widder im Dickicht wie bei Isaak. Er wurde vielmehr wie ein „Widder dahinten im Dickicht festgehalten“ für uns, und wurde an unserer Statt, d.h. stellvertretend für uns geopfert. Deshalb gilt jetzt: „Gott ist es, der rechtfertigt.“

Aber Er rechtfertigt nicht nur in Christus, „der gestorben, ja noch mehr, der [auch] auferweckt, der auch zur Rechten Gottes ist“, sondern wir sind auch eingeschlossen in die Umarmung der Liebe Gotte, die das alles bewirkte, und die ihren Ausdruck und Mittelpunkt in Christus Jesus unserem Herrn findet.

Hier halten wir einen Augenblick inne. Gott ist in Gnade mit uns und Er ist in Gerechtigkeit für uns – das ist die Frucht der Liebe, die ihren ewigen Ursprung in Ihm selbst und in Christus Jesus unserem Herrn findet. Was kann uns inmitten aller gegenwärtigen Schwierigkeiten und angesichts der Veränderungen und irdischen Sorgen, die wir vielleicht vor uns sehen, mehr Sicherheit geben? Gott ist mit uns und Gott ist für uns. Kann es noch mehr geben?

Es kann, aber um das voll zu erfassen, müssen wir uns dem 1. Johannesbrief zuwenden. Im vierten Kapitel wird es in auffälliger Weise wiederholt ausgedrückt. Einige Auszüge wollen wir zitieren:„… weil der, der in euch ist, größer ist als der, welcher in der Welt ist.“ „Wenn wir einander lieben, so bleibt Gott in uns ... Hieran erkennen wir, dass wir in ihm bleiben, und er in uns, dass er uns von seinem Geiste gegeben hat.“ „Wer irgend bekennt, dass Jesus der Sohn Gottes ist, in ihm bleibt Gott und er in Gott.“

Diese Zitate mögen genügen, um die Sache zu verdeutlichen. Der, der an den Sohn Gottes glaubt und Seinen Namen bekennt, kann sich in Zuversicht daran erfreuen, dass Gott nicht nur in Christus tatsächlich bei ihm ist und aufgrund des Opfertodes Christi und der dahinter stehenden Liebe für ihn ist, sondern auch in der Kraft des innewohnenden Geistes Gottes in ihm ist.  

In den zitierten Versen wird die Innewohnung Gottes verbunden mit dem Geist Gottes, der in uns ist, und mit der Liebe Gottes – der göttlichen Natur –, die in uns wirkt und mit dem Bekenntnis, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Durch den Geist bekennen wir Jesus als Herrn und als den Sohn Gottes. Durch denselben Geist ist die Liebe Gottes in unsere Herzen ausgeschüttet und wir werden nun aufgefordert, einander zu lieben. Durch den in uns wohnenden Geist, der größer ist als der Feind – jener böse Geist, der der Gott und Fürst dieser Welt ist – können wir überwinden, wie mächtig und verführerisch auch das Heer ist, das gegen uns aufgestellt ist. Stärkt das nicht unser Vertrauen, wenn wir einer unbekannten Zukunft entgegen gehen?

Aber es muss noch etwas gesagt werden. Gott ist mit uns und Er ist für uns, unabhängig von dem Zustand, den wir momentan vor Ihm haben mögen. Aber wenn es um „Gott in uns“ geht, dann ist es möglich und sogar nötig, ein „wenn“ einzufügen. Das sehen wir in 1. Johannes 4,12: Gott bleibt in uns, „wenn wir einander lieben.“ Das gibt dem ganzen Thema eine sehr praktische Bedeutung.

Kurz vorher zieht der Apostel die Möglichkeit in Erwägung, dass jemand seinen Bruder Mangel leiden sieht und sein Herz vor ihm verschließt, und stellt die Frage: „Wie bleibt die Liebe Gottes in ihm?“ (1. Joh 3,17). Wenn wir, die wir Geschwister in der Familie Gottes sind, nicht die durch Liebe zueinander die göttliche Natur offenbaren, wie kann dann gesagt werden, dass Gott in uns bleibt? Wir lesen hier und in Johannes 1,18: „Niemand hat Gott jemals gesehen.“ Im Johannes-Evangelium konnte Er allerdings im eingeborenen Sohn gesehen werden, der im Schoß des Vaters ist. Im ersten Johannes-Brief soll Er in uns zu sehen sein, die wir zur Familie Gottes gehören, als aus Ihm geboren, und die folglich die Natur Gottes in der Liebe zueinander offenbaren.

Lasst uns dies also sehr zu Herzen nehmen. Wenn sich die Liebe nicht zeigt, wo ist dann der Beweis, dass Gott, der Liebe ist, in uns wohnt? Und es geht noch um weit mehr, denn genau danach lesen wir: „Und wir haben gesehen und bezeugen, dass der Vater den Sohn gesandt hat als Heiland der Welt“ (Vers 14). Hier geht es um Liebe, die nicht nur in der Familie Gottes fließt, sondern die in weitherzigem Zeugnis aus der Familie heraus zu der Welt fließt mit dem Ziel der Errettung.

Wir beklagen oft und hören andere darüber klagen, dass das Zeugnis an die Welt von Gott als dem Heiland so wenig von Kraft und Wirksamkeit begleitet ist. Einer der Hauptgründe, die zu dieser traurigen Tatsache führen, wird uns hier enthüllt. Es wird so wenig Liebe – diese göttliche Natur – im Kreis der göttlichen Familie sichtbar.

Gott in uns muss eine Tatsache werden, die vor den Augen der Welt offenbar ist. Wenn das so ist, und sei es auch nur in schwachem Maß, hat es eine gewaltige Wirkung. Wir wollen uns nicht davor drücken, unsere Herzen zu prüfen. Gott ist mit uns, offenbart in Christus. Er ist in Gnade, in Gerechtigkeit und in Liebe für uns. Und Er ist in uns, wenn wir aus Ihm geboren sind und Seinen Geist besitzen. Er ist in uns, und Er ist Liebe, und es muss nur etwas von dieser Liebe aus jedem von uns heraus fließen, um diese Tatsache sichtbar zu machen – zuerst in der Familie Gottes und dann gegenüber der Welt.

[Übersetzt von Marco Leßmann]