Bibelverse sollten möglichst im Zusammenhang des Textes untersucht werden. Trotzdem stolpert man immer wieder über auf den ersten Blick überraschende „Gegensätze“ zwischen einzelnen Bibelstellen. Diese Kontraste fordern zum Nachdenken auf – und dazu soll diese kleine Reihe beitragen.
„Ich bin es nicht“ (Joh 1,21)
Die Juden erwarteten die Befreiung vom Joch der Römer durch Macht, vorbereitet durch Männer mit Autorität, wie Elia, der einst auf dem Karmel Feuer vom Himmel regnen ließ und dadurch das Volk Israel zur Umkehr vom Götzendienst brachte (vgl. Mt 16,14). In dieser Erwartung des Elia konnten sie – so meinten sie – sich auf Maleachi 3,23.24 stützen: Dort weist Maleachi auf einen kommenden Elia hin, der „alle Dinge wiederherstellen wird“ (Mt 17,11; Mk 9,11.12). Als Johannes der Täufer mit seiner konsequenten Bußpredigt auftrat, wurde er gefragt, wer er denn eigentlich sei. Der Christus? Nein. Dann doch wohl Elia? Die Antwort Johannes’ lautet: „Ich bin es nicht“ (Joh 1,21). Johannes der Täufer war die „Stimme eines Rufenden“, und nicht mehr. Er sollte das Volk auf das Kommen ihres Messias in Niedrigkeit vorbereiten. In Offenbarung 11,5 wird übrigens einer der beiden Zeugen, die in der „großen Drangsal“ auftreten, mit den Merkmalen des historischen Elia beschrieben. Das Kommen dieses „Elias der Zukunft“, das in Maleachi 3 prophezeit wird, stand zur Zeit Johannes’ des Täufers und steht heute noch aus – ebenso wie das Kommen des Christus in Herrlichkeit.
„Er ist Elia“ (Mt 11,14)
Dem Vater Johannes’ des Täufers wurde über seinen Sohn vorausgesagt: „Und er wird vor ihm hergehen in dem Geist und der Kraft Elias, um die Herzen der Väter zu den Kindern zu bekehren“ (Lk 1,17). Um diesen Geist und die Kraft in Johannes zu erkennen, war jedoch Glaube nötig: „Wenn ihr es annehmen wollt: Er ist Elia, der kommen soll“ (Mt 17,11). Für den glaubenden Zeitgenossen wurde eine Parallele zwischen Gottes Wirken bei Johannes und Elia deutlich. In diesem Sinn spricht der Herr Jesus daher auch davon, „dass Elia schon gekommen ist“ (Mt 17,12; Mk 9,13). Aber die Massen „haben ihn nicht erkannt, sondern an ihm getan, was irgend sie wollten“ (Mt 17,12); einen demütigen, leidenden Elias konnten sie sich genauso wenig vorstellen wie einen leidenden Messias. Als Person war Johannes der Täufer der Ankündiger des kommenden Erlösers und nicht der angekündigte Elia selbst. Der Geist und die Kraft, in der Johannes auftrat, war identisch mit derjenigen des historischen und des kommenden Elias, und so war er für den Glauben zugleich ein Vorausbild auf Elia, „der kommen soll“ (Mt 11,14).