Es ist sehr offenkundig, dass der Apostel Johannes seinen ersten Brief im späten ersten Jahrhundert schrieb, als die anderen Apostel schon heimgegangen waren und antichristliche Lehrer auftauchten, die alles daransetzten, die Gläubigen zu verführen und zu verderben, insbesondere solche, die sich erst gerade bekehrt hatten und die er „Kindlein“ oder „Babys“ nennt.

Es gibt in diesem Brief zwei ähnlich lautende Wörter: das Wort „Kinder” in Kapitel 2,12+28 umfasst alle Gläubigen, da sie alle Kinder Gottes sind. Das andere Wort, das in Kapitel 2,13+18 verwendet wird, heißt eigentlich „Babys“, d.h. Anfänger im christlichen Leben. Diesen wird gesagt, dass es „die letzte Stunde“ ist, d.h. die letzte Epoche in deren letzten Tagen der Antichrist erscheinen wird, und dass daher schon jetzt Männer mit antichristlichem Geist am Werk sind.

Deshalb beginnt der Apostel mit den Worten: „Was von Anfang war”, das ist nicht der Anfang der Schöpfung, wie in 1. Mose 1 und Johannes 1, sondern der Anfang der Offenbarung, die uns mit dem Kommen des Herrn Jesus Christus erreicht hat. Wenn jemand Zweifel hierüber hegt, soll er Johannes 15,27 lesen. Der vorhergehende Vers erwähnt das Kommen des Heiligen Geistes und das Zeugnis, das Er ablegen würde. Sein Zeugnis ist vollkommen, bedarf es da noch weiterer Zeugnisse? Ja, es wurden Männer erwählt, die Zeugnis von dem geben sollten, was sie gesehen und gehört und sogar betastet hatten, als sie von Beginn an den Herrn begleiteten, in den Tagen bevor der Geist gegeben wurde.

Wir müssen bedenken, dass Gott, anders als wir Menschen, nie experimentieren oder korrigieren oder verbessern muss, wenn Er eine Offenbarung gibt. Sie ist von Anfang an vollkommen, und wenn Menschen versuchen, etwas hinzuzufügen oder wegzunehmen, dann tun sie das zu ihrem eigenen Verderben. Diese „Antichristen“ des ersten Jahrhunderts waren als „Gnostiker“ bekannt – die „Wissenden“ – das Gegenteil von den heute bekannten „Agnostikern“, die bekennen, unwissend zu sein, und sogar behaupten, niemand könnte wissen.

Die Gnostiker des ersten Jahrhunderts drängten zweifellos darauf, dass die Gläubigen, indem sie erkannten, dass die ursprünglichen Apostel „ungelehrte und ungebildete Leute“ waren, sich jetzt von den simplen Vorstellungen, die anfänglich verkündigt wurden, zu den intellektuelleren und philosophischeren Dingen wenden sollten, die sie zu verkünden hatten. Johannes war der letzte Überlebende der apostolischen Schar und wurde dazu benutzt, die Gläubigen wieder zu der ursprünglichen Offenbarung zurückzurufen. Deshalb verwendet er immer wieder das Wort „wissen“, ein Wort, das im Griechischen nicht die bloße intellektuelle, verstandesmäßige Kenntnis ausdrückt, sondern die innere Kenntnis auf der Grundlage von Erfahrung.

Es ist natürlich wahr, dass es eine Entwicklung in der göttlichen Offenbarung gegeben hat. Gott offenbarte sich erst Abraham und dann durch Mose in einer weitergehenden Weise. Doch die volle Offenbarung war in Christus, vervollständigt durch Sein Zeugnis durch den Geist nach Seiner Verherrlichung, wie Er es in Johannes 16,12–13 versprochen hatte.

Was in Christus offenbart wurde, war echt und objektiv und wahrnehmbar für drei der fünf Sinne, mit denen der Mensch ausgestattet ist. Das sehen wir deutlich bei der Taufe unseres Herrn. Dort war der Vater hörbar, aber nicht mehr als das. Der Geist war sichtbar, aber nicht mehr als das. Der Sohn war hörbar und sichtbar und betastbar, genau das, was Johannes uns in seinem ersten Vers sagt.

Und nicht nur das, es folgt eine weitere, wunderbare Sache: das Leben ist offenbart worden. Den Aposteln war es gegeben, es zu sehen, damit sie anderen das ewige Leben verkünden könnten, das, obwohl seit jeher bei dem Vater, doch jetzt offenbart ist und zwar so wahrhaftig, dass der Apostel am Ende seines Briefes über den Sohn Gottes sagen kann, dass Er „der wahrhaftige Gott und das ewige Leben“ ist.

Der erste Punkt, der vor uns kommt, ist das Wunder und die Vollkommenheit der Offenbarung, die uns in dem Herrn Jesus Christus geworden ist. Sie ist weder zu verbessern noch zu ergänzen. Das ewige Leben, das im Sohn Gottes ist, ist offenbart worden, sodass wir, in der Erkenntnis des Sohnes, der den Vater offenbart hat, daran teilhaben können.

Aber es gibt noch einen zweiten Punkt. Auch wenn es in der Offenbarung kein Wachstum gibt, weil sie vollkommen und vollständig ist, muss es doch sehr wohl ein Wachstum im Verständnis der Offenbarung geben.

Deswegen müssen wir die Verse in 1. Johannes 2 lesen. Die Vergebung der Sünden, von der in Vers 12 gesprochen wird, ist eine Segnung, an der alle Kinder Gottes teilhaben, und doch gibt es Unterschiede im Wachstum unter ihnen, wie Vers 13 zeigt – „Väter“, „Jünglinge“ und „Kindlein“. Das charakteristische Merkmal der ersten Gruppe ist, dass sie erwachsen sind, was ihre Erkenntnis Christi samt allem, was in Ihm offenbart ist, angeht. Die zweite Gruppe ist gekennzeichnet durch Sieg über den Feind durch das Wort Gottes und die dritte durch die einfältige Erkenntnis des Vaters, was für uns alle der Anfang unseres christlichen Lebens war.

Nachdem er die charakteristischen Merkmale jeder der Gruppen genannt hat, fährt der Apostel fort, jeder Gruppe eine eigene Botschaft mitzugeben, doch bei den Vätern wiederholt er nur das, was er ihnen bereits gesagt hatte. Warum? Weil der absolute Höhepunkt unserer Segnung in der Erkenntnis Christi zu finden ist. Ein Freund, der unter den ganz Armen in einer unserer großen Städte arbeitete, erzählte mir von einer Frau, die aus der Rationierung und Knappheit und Entbehrung ihrer Umgebung herausgenommen wurde und an einen Kurort in Nordwales gebracht wurde, wo sie zum ersten Mal das Meer sah. Sie stand da und staunte und eine Träne rann über ihr Gesicht als sie sagte: „Gott sei Dank, jetzt habe ich endlich etwas gesehen, von dem mehr als genug vorhanden ist!“ Die Väter hatten den Ozean der Offenbarung in Christus erreicht, und so brauchten nur noch tiefer in dieses grenzenlose und ewige Leben einzudringen, denn dieses Leben besteht in der Erkenntnis Dessen, der von Anfang ist, wie es der Herr in Johannes 17,3 sagt.

Die Jünglinge waren noch nicht zu der Reife gelangt, die die Väter kennzeichnete, aber sie hatten den Bösen überwunden, und zwar in den antichristlichen Irrtümern, die dessen Diener eingeführt hatten. Das hatten sie nicht in der Kraft ihres eigenen Intellekts getan, sondern durch das Wort Gottes, das in ihnen blieb. Das bedeutet nicht, dass sie nur einen gewissen Begriff von den Inhalten der Heiligen Schrift hatten. Es bedeutet, dass das, was sie verstanden hatten, tief in ihr Inneres gesunken war und ihre Gedanken steuerte und in ihrem Leben zum Ausdruck kam.

Aber dennoch gab es eine Gefahr, die sie bedrohte: das weltliche System, in dem sie leben mussten, und besonders die vielen anziehenden Dinge, von denen die Welt voll ist. Oft wird die Anziehung der Welt in mittlerem Alter am stärksten gespürt. Allzu viele, die in ihren frühen Tagen echt und hingegeben waren, versagten in mittleren Jahren. Die Hochzeit hat ihnen vielleicht nicht geholfen, und dann verlangt die heranwachsende Familie nach der Welt und sie selbst wurden in diese Richtung mitgezogen.

Was ist die Welt? Hier werden ihre grundlegenden Prinzipien für uns untersucht. Es gibt drei. Erstens die Lust des Fleisches, d.h. das Verlangen nach allem, was die gefallene Natur des Menschen befriedigt. Zweitens die Lust der Augen, nicht nur das Verlangen nach äußeren Dingen, die die Augen anziehen, sondern vielmehr das ruhelose Verlangen des menschlichen Sinnes nach Aneignung von Kenntnis zur Erforschung von Dingen, die noch unentdeckt sind. Der Mensch möchte die tiefen Geheimnisse der Natur erkennen, und es ist erstaunlich, was er schon alles entdeckt hat.

Drittens gibt es den Hochmut des Lebens, das begierige Verlangen nach Selbstverherrlichung, dass jedem Kind Adams eigen ist. Der Hochmut des Lebens in Verbindung mit der Lust der Augen droht diese Erde, auf der wir leben, zugrunde zu richten. Nüchterne Menschen dieser Welt befürchten dies bereits. Wir wissen, dass das ganze weltliche System vergehen wird, doch wird das unter dem Gericht Gottes geschehen.

Wenn der Apostel sich an die „Kindlein” oder „Babys” wendet, dann mit einer Warnung vor solchen, die sie verführen würden, um sie wegzuführen von dem, was sie „von Anfang gehört“ hatten und was „die Wahrheit“ ist, wie er sagt. Der Keim jeder Wahrheit, wenn ich so sagen darf, liegt im Evangelium. Indem sie das Evangelium glaubten, kannten sie die Wahrheit ihrem Wesen nach, auch wenn sie noch nicht die Zeit hatten, die Wahrheit in ihrem gewaltigen Ausmaß zu erforschen. Als Wiedergeborene hatten sie die Natur, die die Wahrheit des Evangeliums erfassen kann.

Außerdem hatten sie die „Salbung”, d.h. sie besaßen den Heiligen Geist Gottes und hatten daher die Fähigkeit, die Dinge Gottes genau so gut zu kennen und zu genießen, wie die Jünglinge und die Väter. Durch diese Salbung hatten sie auch die Kraft, den Irrtum, zu dem die Antichristen sie verführen wollten, zu erkennen und abzuweisen. Wir befinden uns am Ende dieses Zeitalters und die antichristlichen Lehrer nehmen Überhand, und da die meisten von uns – sowohl Redner als auch Zuhörer – nur Babys sind, tun wir gut daran, die Ermahnung des Apostels sehr ernstlich zu beachten.

Seine Hauptermahnung finden wir in Vers 24, wo das Wort  „bleiben” dreimal vorkommt. Das, was wir von Anfang gehört haben, soll in uns bleiben, und wenn das so ist, werden wir in dem Sohn und in dem Vater bleiben, und dieses Bleiben geleitet und in die Kraft und praktische Erfahrung des „ewigen Lebens“, wie der nächste Vers andeutet.

Wir alle haben das Fleisch – das alte adamitische Leben – in uns, und allzu leicht werden wir davon beherrscht. Wenn das so ist, gleicht unser Leben sehr stark dem Leben der Menschen dieser Welt und wir sind die leichte Beute des Irrtums. Unser eigentliches Leben ist „im Sohn“, in dem wir den Vater erkennen. Wenn wir in diesem Leben bleiben, diesem ewigen Leben, das uns verheißen ist, werden wir vor Verführern bewahrt bleiben.

So muss auch meine abschließende Ermahnung sein: Lasst uns unser eigentliches Leben leben – und das muss ich mir genau so sagen wie euch. Wenn wir es tun, wird sich dieses Leben in zwei Hauptmerkmalen zeigen: in Gerechtigkeit und Liebe, wie der Rest des Briefes zeigt. Es gibt für uns nichts Wunderbareres. Wenn die ganze Welt so geordnet wäre, dass in jeder Beziehung Gerechtigkeit vorherrschte und in jedem Herzen Liebe wäre, hätten wir die Tage des Himmels auf der Erde. Genau das wird im Tausendjährigen Reich so sein, zumindest in der ersten Zeit. Und das sollte auch in der christlichen Schar vorherrschen. Wenn wir wissen, dass Er gerecht ist – und natürlich wissen wir das – erkennen wir auch die, die aus Ihm geboren daran, dass sie die Gerechtigkeit tun. 

Möge nun die Salbung, der Heilige Geist, uns diese Dinge lehren. Er allein – und nicht irgendein Mensch – kann das tun. Das setzt nicht die Lehrer beiseite, jene Gaben des aufgefahrenen Christus, die in Epheser 4 erwähnt werden. Sie sind die menschlichen Instrumente oder Gefäße des Heiligen Geistes, doch die lebendige und wirksame Belehrung ist nicht ihre, sondern Seine.

Wenn wir uns der Belehrung der Salbung unterwerfen und in dem Sohn und in dem Vater bleiben, werden wir, selbst wenn wir nur Babys sind, heranwachsen in der Kraft und Freude jenes ewigen Lebens, das uns geworden ist.

[Übersetzt von Marco Leßmann]