Der Apostel war von Gott inspiriert, in der Mitte jener Ältesten von Ephesus, die sich um ihn versammelt hatten, einen Überblick über seinen Dienst zu geben. Es war ein Überblick über einen vorbildlichen Dienst, den er als freier Mann ausgeübt hatte; mit frei meine ich, dass er sich frei bewegen konnte, wie der Herr ihn führte. Er wusste sehr gut, dass diese Zeit der Freiheit im Dienst bald zu Ende gehen würde. Sein Dienst war kein vollkommener Dienst. Nur der Herr Jesus übte einen vollkommenen Dienst aus. Aber es war ein vorbildlicher Dienst, denn er war ein Mensch mit gleichen Gemütsbewegungen wie wir und nur in der Kraft und Gnade und Unterstützung des Geistes Gottes war er in der Lage gewesen, das zu tun, was er tat.

Jedes Wort in diesem bemerkenswerten Überblick des Apostels ist voller Bedeutung. Ich möchte nur die Verse mit euch durchgehen, die uns den Geist zeigen, in dem der Apostel diente und dann die Verse, die uns den Inhalt seines Dienstes zeigen.

Zuerst also der Geist seines Dienstes. Vers 18: „Ihr wisset von dem ersten Tage an, da ich nach Asien kam, wie ich die ganze Zeit bei euch gewesen bin.“ Das erste, was ihn kennzeichnete, war die außerordentliche Beständigkeit. Er konnte gleichsam sagen: „Genau so, wie ihr mich von der ersten Minute an gesehen habt, war ich die ganze Zeit über.“ Ach, wie sehr müssen wir modernen Menschen uns davor schämen! Wir gehen fallweise vor. Wie süß sind wir in die eine Richtung und wie sauer und bitter in eine andere Richtung. Bei dem Apostel Paulus war es nicht so. Was er war, war er überall und immer. Es war keine oberflächliche Fassade. Er war wie er war von A bis Z. 

Dann sagt er: „Dem Herrn dienend”, und nicht: „Den Gläubigen dienend.“ Der Herr stand vor ihm, nicht der Dienst an der Menschheit. Wenn wir unseren Dienst an diesem Vorbild ausrichten, bleibt der Herr der einzige Gegenstand unseres Dienstes, und wir dienen „mit aller Demut“ – nicht demütig im Verhalten, denn ein Mensch kann heucheln, indem er nur nach außen demütig ist, nicht aber in der Gesinnung. In der englischen Übersetzung heißt es daher: „Dem Herrn dienend mit aller Demut der Gesinnung.“

Das große Kennzeichen dieses vorbildlichen Dieners war eine demütige Gesinnung. Er kam nicht mit großen Paraden und Trompetenfanfaren zu dem Volk Gottes. Er kam nicht, um sich selbst anzupreisen und jeden davon zu überzeugen, was für ein Mann er war. Er war bescheiden, still und machte nichts aus sich selbst.

Des Weiteren diente er „mit Tränen.” Diese Tränen waren der Ausdruck tiefster und aufrichtiger Mühe und Übung der Seele, und es wäre gut, wenn heute mehr von diesem Geist vorhanden wäre. „Dem Herrn dienend mit aller Demut und mit Tränen und Versuchungen, die mir durch die Nachstellungen der Juden widerfuhren.“ Ein vorbildlicher Dienst bedeutet nicht, dass er von Erfolg zu Erfolg geht und ein ständiger Triumph ist. Es gab jede Art von Erprobungen, Versuchungen und Hindernissen. Er war „niedergeworfen“, „aber nicht verlassen“ (2. Kor 4,9), denn der Herr stand ihm bei. Wir dürfen uns von den angenehmen Umständen, in denen wir leben, nicht verleiten lassen, zu meinen, christlicher Dienst wäre eine Art Triumphzug der großer Zusammenkünfte und des begeisterten Zulaufs. Der vorbildliche Diener – der Knecht Christi – rannte ständig gegen scheinbar gigantische Hindernisse. Er erlebte jede Art von Erprobungen und Versuchungen, und genau diese Erprobungen bewiesen, wie es geistlich um ihn bestellt war. Wenn du von jemandem hörst, der dient und in zahllose Schwierigkeiten gerät, musst du nicht immer den Kopf schütteln und denken, er sei kein guter Diener. Er ist vielleicht sogar ein außerordentlich guter Diener.

Dann sagt er: „Indem ich sowohl Juden als Griechen die Buße zu Gott und den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus bezeugte.“ Die Juden würden sich über diese Botschaft sehr ärgern. Er hätte sagen können, dass es ihm klar war, dass die Griechen zur Buße aufgefordert werden müssen, aber dem Volk Gottes zu erzählen, dass sie Buße tun sollen, war sehr anstößig. Doch Paulus bezeugte die Wahrheit Gottes ruhig und unbeirrt in beide Richtungen.

Dann muss er hinzufügen: „Dass der Heilige Geist mir von Stadt zu Stadt bezeugt und sagt, dass Bande und Drangsale meiner warten.“ Es gab noch mehr Schwierigkeiten für den vorbildlichen Diener, doch er sagt: „Aber ich nehme keine Rücksicht auf mein Leben, als teuer für mich selbst.“ Er war ein Mann von außerordentlicher Festigkeit und Glauben. Ein Mann, der bereit war, sein Leben für den Namen und den Dienst des Herrn hinzugeben. Davon kennen wir nur sehr wenig. Die Brüder in Jerusalem sagten in Apostelgeschichte 15 über Barnabas und Paulus und ihre Begleiter: „Männer, die ihr Leben hingegeben haben für den Namen unseres Herrn Jesus Christus.“ Man könnte auch übersetzen: „Männer, die ihr Leben weggeworfen haben für den Namen unseres Herrn Jesus Christus.“ Das war nicht nur ein Wagnis, nicht nur eine von mehreren Möglichkeiten. Das war eine unausweichliche Folge. Sie waren Männer, die in die Bresche springen und ihr Leben verlieren würden. In diesem Geist spricht der Apostel hier. Er nahm keine Rücksicht auf sein Leben, als teuer für sich selbst, damit er seinen Lauf vollendete und den Dienst, den er von dem Herrn Jesus empfangen hatte. Ich denke, wenn wir auf das Leben dieses vorbildlichen Dieners zurückblicken, können wir wirklich sagen: „Kein Wunder, dass das Werk Gottes in seiner Hand gedieh. Kein Wunder, dass er sagen konnte, dass er von Jerusalem an und ringsumher bis nach Illyrikum das Evangelium des Christus völlig verkündigt hatte“ (Röm 15,19).

Und worüber sprach er? Lasst mich ein paar Augenblicke darauf eingehen. Er bezeugte „das Evangelium der Gnade Gottes.” Zuallererst das Evangelium und zwar das Evangelium der Gnade Gottes. Darüber haben wir alle schon viel Nützliches gehört und daher gehe ich jetzt nicht näher darauf ein.

Er fährt fort: „Ihr alle, unter denen ich, das Reich [Gottes] predigend, umhergegangen bin, werdet mein Angesicht nicht mehr sehen.“ Habt ihr den kleineren Kreis bemerkt? Hier geht es um Dinge, die unter denen gepredigt werden, die bekehrt sind. Der Apostel ging unter jenen umher, die das Evangelium der Gnade Gottes geglaubt hatten und die wirklich bekehrt waren, und denen predigte er das Reich Gottes. Jetzt fragt vielleicht jemand: „Was bedeutet das genau?“ Es bedeutet nicht, dass Paulus umherging und das Tausendjährige Reich predigte oder prophetische Ansprachen hielt, in denen er über den Tag sprach, der kommen wird, wenn die Erde voll der Erkenntnis des Herrn sein wird, wie die Wasser den Meeresgrund bedecken. Es bedeutet, dass er, wo immer er sich unter dem Volk Gottes aufhielt, freundlich, sanft und liebevoll die göttliche Autorität auf die Gewissen der Gläubigen legte. Er sagte gleichsam: „Ihr habt dem Evangelium geglaubt. Ihr gehört nun zum Volk Gottes. Als solche seid ihr Christus unterworfen und dem Wort Gottes unterworfen. Ihr seid in das Reich Gottes gebracht, damit Gottes Autorität, wie sie im Wort Gottes zu finden ist, in eurem Herzen und Leben herrsche.“ Er entfaltet das Evangelium im Brief an die Römer, aber er endet nicht, ohne uns Römer 12 bis 15 gegeben zu haben, die oft als bekannt vorausgesetzt und daher übersprungen werden, statt sie fleißig zu lesen, zu erwägen und zu befolgen.

Ich habe das Gefühl, das wir in den vergangenen Jahren einen Mangel hatten, weil wir das Reich Gottes nicht völlig gepredigt haben. Vielleicht würden einige von euch sogar ärgerlich, wenn ich versucht wäre, das zu tun. Es ist sehr leicht, den Zeitgeist einfach hinzunehmen, und das zu machen, was alle machen, aber das sollte uns als Christen nicht leiten. Wir sind unter göttliche Autorität gebracht. Hat das Wort Gottes absolute Befehlsgewalt über mein Herz und Leben? Das ist „Reich Gottes“, und Paulus predigte dieses Reich Gottes überall, wo er hinkam. Möge Gott uns Gnade geben, das Reich Gottes mehr zu predigen.

In Vers 24 spricht er also davon, dass er das Evangelium der Gnade Gottes predigte, in Vers 25 das Reich Gottes, und in Vers 27 sagt er: „Denn ich habe nicht zurückgehalten, euch den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen.“ Er sagt gleichsam: „Ihr habt jede Segnung. Das Evangelium hat euch an diesen bevorzugten Platz der Nähe und Beziehung gebracht. Die Autorität Gottes ist in euren Herzen aufgerichtet. Ihr steht unter der Gewalt Gottes. Ihr gehorcht seinem Wort. Beachtet jedoch, dass Gott bei allem, was Er getan hat, bestimmte große Ratschlüsse oder Vorsätze im Sinn hatte.” Diese Vorsätze hat er uns bekannt gemacht. Sie sind noch nicht zur Erfüllung gebracht. Sie sind noch nicht verwirklicht, wie sie es in den kommenden Zeitaltern sein werden, aber sie sind uns bekannt gemacht, damit wir unser ganzes irdisches Leben im Licht dessen leben, was Gott sich vor Grundlegung der Welt vorgesetzt hat.

Habt ihr euch schon einmal gefragt, warum der Apostel hier sagt: „Ich habe nicht zurückgehalten, euch den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen“? Wir möchten fragen: „Paulus, warum benutzt du das Wort ‚zurückgehalten’? Es vermittelt den Eindruck, dass du nur mit einem gewissen Zögern über diese Dinge gesprochen hast.“ Darauf hätte Paulus vielleicht gesagt: „Ja, das stimmt. Es gibt nichts, was mich mehr in Schwierigkeiten bringt, als die Verkündigung des ganzen Ratschlusses Gottes.“

Warum war das so? Nun, einerseits war es gerade diese treue Verkündigung des Ratschlusses Gottes in Bezug auf das Einführen der Nationen in die Stellung und Vorrechte der Versammlung, die ihm die wütende Feindschaft der Juden einbrachte und zu seiner Gefangennahme führte. Andererseits gibt es auch nichts, was so hohe Ansprüche an das Herz und das Gewissen des Volkes Gottes stellt, wie das Verständnis über die Ratschlüsse Gottes. Du kannst unmöglich mit aufrichtigem Herzen und Gewissen ein Verständnis über diese wunderbaren Dinge erlangen, die Gott sich für Sein Volk vorgesetzt hat, ohne die Verantwortung zu spüren, in dieser Welt in Übereinstimmung mit den Grundsätzen einer anderen Welt zu leben. Du kannst unmöglich diese wunderbaren Offenbarungen in deinem Herzen hegen, ohne unruhig zu werden, wenn dein Leben diesen Offenbarungen schlichtweg widerspricht. Die Wahrheit bringt uns immer unter die Verantwortung, in dieser Welt als Menschen unseren Weg zu gehen, die eine himmlische Hoffnung und Bestimmung haben.

Möge Gott uns helfen, diese Dinge im Blick zu behalten. Wir brauchen das Evangelium. Wir brauchen die Wahrheit vom Reich Gottes und wir brauchen auch den Ratschluss Gottes. Wenn wir beginnen, diese Dinge zu erwägen, ist es, wie mit dem Essen des Büchleins, von dem wir in Hesekiel und Offenbarung lesen (vgl. Hes 3,3; Off 10,9–10). Es ist in unserem Mund so süß wie Honig. Der erste Geschmack ist angenehm und anregend, aber wenn es um die praktische Verwirklichung geht, wird es bitter. Es stellt Ansprüche. Es spricht unser Gewissen an.

Aber letztendlich wollen wir es ja nicht anders. Wir wünschen, dass etwas von dem Wort Gottes unser Gewissen erreicht, uns nach oben zieht und unser Leben zum Guten verändert.

[Übersetzt von Marco Leßmann]