In den letzten Jahren sind viele aufrichtige und ernste Christen völlig in außergewöhnlichen Handlungen aufgegangen, von denen sie behaupten, es sei eine Wiederbelebung jener geistlichen Gaben göttlicher und geheimnisvoller Art, die zur Zeit der Apostel vergleichsweise weit verbreitet waren. In 1. Korinther 12,7–10 finden wir eine ganze Reihe solcher Gaben, aber eigentlich beansprucht man diese moderne Wiederbelebung nur für zwei von ihnen: für die „Gabe“ der Heilungen und für die „Gabe“ der Sprachen.

Wo diese „Gaben” – und besonders die erstere – ausgeübt werden, entstehen Bewegungen. Gewaltige Mengen versammeln sich zu Heilungskampagnen und das ist nicht verwunderlich; ebenso ist es nicht verwunderlich, dass viele eifrige Gläubige von diesem allen angezogen werden. Sie sind sich des niedrigen geistlichen Zustands der Masse der Gläubigen schmerzlich bewusst, ganz zu schweigen von dem Zustand der großen Anzahl, die nur dem Namen nach Christen sind. Daher sehnen sie sich natürlich nach etwas, das wie ein geistliches Stärkungsmittel wirkt, etwas, das so übernatürlich und göttlich ist, dass die Ungläubigen überzeugt werden und wodurch das Christentum in den Augen der skeptischen Welt neu gerechtfertigt wird.

In diesen modernen Zeichen und Wundern meinen sie, das gefunden zu haben, wonach ihre Seele verlangte. Doch haben sie das wirklich? Das ist die Frage.

Wir gehören nicht zu denen, die behaupten, dass die im Korintherbrief erwähnten Gaben in unseren Tagen ganz unmöglich seien, denn wer wären wir, wenn wir die Macht Gottes schmälern oder uns anmaßen würden, zu sagen, was Gott tun wird und was Er nicht tun wird? Dennoch sind wir verantwortlich, den wahren Charakter aller Dinge zu prüfen, die uns als von Gott vorgestellt werden. Wenn es unbestrittene Tatsachen sind, können wir sie im Licht des Wortes Gottes beurteilen, das uns, wenn wir es richtig verstehen, warnen, vor Täuschungen bewahren und dazu bringen wird, nur das anzuerkennen, was unverkennbar von Ihm ist. Wollen wir einige Hinweise der Schrift einmal herausstellen?

Zuerst müssen wir beachten, was über die wunderbare Demonstration der Wunderkräfte gesagt wird, die unseren Herrn selbst kennzeichneten. Petrus sagte: „Jesus, den Nazaräer, einen Mann, von Gott an euch erwiesen durch mächtige Taten und Wunder und Zeichen, die Gott durch ihn in eurer Mitte tat“ (Apg 2,22). Menschen verachteten Jesus von Nazareth, aber Gott empfahl Ihn; und durch die Wunder, die seinen ganzen öffentlichen Dienst prägten, bestätigte Gott Seinen Wert und Seine Ansprüche – sie waren das Siegel der Anerkennung Gottes auf Ihm. Dies ist ein Schlüsselvers, der uns die wahre Bedeutung aller Wunder und Gaben erschließt.

Die einzigen Wunder in 1. Mose stehen in direkter Verbindung mit Gott oder Seinem Engel. Erst in 2. Mose finden wir bei Mose Wunder, die durch einen Menschen geschahen. Warum? Weil Gott bis zu diesem Zeitpunkt in der Weltgeschichte nicht durch einen Menschen eingriff, um Sein Wort zu entfalten und einzuführen.

Dann jedoch sandte Er Mose, der dem mächtigsten Monarchen der Erde kühn entgegentreten sollte, der das unterdrückte und entmutigte Volk sammeln und aus der Knechtschaft führen sollte und der der Mittler des alten Bundes, des Bundes des Gesetzes werden sollte. Folglich wurde Mose durch eine wunderbare Demonstration von Wunderwerken bestätigt.

In diesem Ausmaß griff Gott durch Menschen nur noch einmal ein, als Er Elia und Elisa erweckte. Beide wurden durch Wunderwerke reichlich bestätigt. Tatsächlich waren ihre Zeit und die Zeit Moses die einzigen beiden Epochen der alttestamentlichen Geschichte, in denen so deutlich sichtbare Wunder geschahen.

Nach einer langen Zeit des Schweigens erschien Johannes der Täufer, einer der größten Propheten, doch „Johannes tat keine Zeichen” (Joh 10,42). Warum nicht? Weil er, obwohl er ein großer Mann war, nur der demütige Vorläufer des unendlich viel Größeren, des Herrn selbst, war. Dann erst, als Gott den Herrn Jesus bestätigte, flammten die Wunder auf wie nie zuvor. Trotzdem wurde Er verworfen.

Seiner Verwerfung folgten jedoch Seine Auferstehung, Seine Himmelfahrt und das darauf folgende Herniederkommen des Heiligen Geistes, das zur Bildung der Versammlung führte. Jetzt war es erforderlich, dass Gott zeigte, dass Er sich von den schwachen und kümmerlichen Elementen des Judentums abgewandt hatte und dass Seine Gegenwart weder im Tempel in Jerusalem noch in irgendeinem anderen handgemachten Tempel zu finden war, sondern in der Versammlung, die Sein Haus geworden war. Daher dehnte sich die Ära der Wunder von der Zeit unseres Herrn bis zur Zeit der Apostel aus. Dadurch wurde das Zeugnis der Apostel über die Auferstehung und Herrlichkeit Christi in vollkommener Weise von Gott vor den Menschen bestätigt.

Das Ziel dieser Zeichen und Wunder, seien es Heilungen oder Sprachen oder irgendetwas anderes, war also nicht, dass Gläubige sie als ihr besonderes und alleiniges Vorrecht genießen sollten, sondern dass sie als Zeugnis vor der Welt dienen sollten, indem sie jedes Zeugnis Gottes zu jeder Zeit als wahrhaft und unverkennbar von Ihm kommend beglaubigten. Wenn wir das verstanden haben, überrascht es uns nicht, dass die in der Apostelgeschichte beschriebenen Heilungen alle an Menschen geschahen, die zum Zeitpunkt ihrer Heilung nicht als Gläubige bekannt waren. Dabei übersehen wir nicht die Fälle von Dorkas und Eutychus und Paulus, als er von der giftigen Schlange gebissen wurde. Letzteres war ein Fall wunderbarer Bewahrung des Apostels und Evangelisten. Bei den beiden ersten ging es um Totenauferstehung, was Gläubigen vorbehalten war. Während dieser Zeit der Gnade wurde in der ganzen Welt kein Unbekehrter aus dem Tod zurückgebracht, ansonsten hätte er ja nach dem Tod noch eine zweite Chance gehabt. Wer an eine zweite Chance glaubt, sollte das beachten!

Des Weiteren sollten wir bedenken, dass in den Briefen mehrere Fälle von Krankheit und Gebrechen genannt werden: bei den Korinthern, genau den Leuten, bei denen es die Gabe der Heilungen gab (1. Kor 11,30); bei Paulus selbst (2. Kor 12,7–9; Gal 4,13); bei Epaphroditus (Phil 2,25–30); bei Timotheus (1. Tim 5,23); bei Trophimus (2. Tim 4,20); bei den Juden in der Zerstreuung (Jak 5,14–16); bei Gajus (3. Joh 2). Und doch finden wir nur im Jakobusbrief einen Hinweis auf eine Art der Heilung, nämlich Gebet und Bekenntnis. Bei Krankheit sollen wir füreinander beten und bekennen und wenn die Ältesten der Versammlung im Glauben für den Kranken beten können und ihn mit Öl gesalbt haben, wird er geheilt werden. Es geht also um den Glauben derer, die beten und nicht um den Glauben der kranken Person.

Es ist eine offenkundige Tatsache, dass die in 1. Korinther 12 erwähnten Gaben mit dem Ende der Zeit der Apostel aufgehört haben. Der Apostel Paulus deutete in 1. Korinther 13,8 bereits an, dass das geschehen würde. So hatten auch die Wunder zur Zeit Moses und Elias aufgehört. Was geschah, als die Apostel nicht mehr da waren? Das Gleiche, was geschah, als Moses und als Elia und Elisa nicht mehr da waren – rapider Niedergang. Wenn die Wunder zu dem Zweck gegeben wurden, um zu bestätigen, dass ein Volk und eine Botschaft unverkennbar von Gott ist, was wird wahrscheinlich passieren, wenn sowohl das Volk als auch die Botschaft anfangen zu verderben? Natürlich die Rücknahme der Bestätigung. Einer weltlichen Versammlung und einem fehlerhaften oder verderbten Evangelium, die nicht mehr das Siegel „von Gott erwiesen“ haben, werden die Zeichen und Wunder entzogen.

An dieser Stelle möchten wir etwas behaupten: Obwohl es hier und da noch Treue und vielleicht „eine kleine Kraft“ (Off 3,8) gibt, war doch das, was „die Versammlung“ genannt wird, nie weltlicher als heute und das Evangelium nie abscheulicher und öffentlicher verdorben als heute.

Und jetzt stellen wir uns die Frage: Wenn das so ist, ist es dann wahrscheinlich, dass Gott gerade diese Zeit für eine umfangreiche Wiederbelebung solcher Gaben auswählt, wie sie die Versammlung am Anfang in den Tagen der ersten Liebe prägten? Die Antwort ist eindeutig: Es ist im höchsten Maß unwahrscheinlich.

Beachtet in diesem Zusammenhang noch eine weitere Wahrheit der Schrift. Während es von Seiten Gottes keine Prophezeiung im Hinblick auf eine Wiederherstellung der Zeichen und Wunder am Ende dieses Zeitalters gibt, gibt es sehr wohl eine Prophezeiung, dass Satan genau in dieser Zeit wirken wird. Lest 2. Thessalonicher 2,8–12 und überzeugt euch selbst.

Dieser Abschnitt bezieht sich natürlich auf etwas, das geschehen wird nachdem der Herr für die Seinen gekommen ist und nachdem der zurückhaltende Einfluss des Heiligen Geistes, der in ihnen wohnt, von der Erde weggenommen ist. Trotzdem ist es häufig so, dass es die verschiedensten Anzeichen der Wirksamkeit eines System oder einer Macht des Bösen gibt, bevor deren Höhepunkt und vollster Ausdruck erreicht ist. Wir glauben, dass sich genau so etwas heute vor unseren Augen abspielt. Bereits um 1830 kamen in Verbindung mit einer Bewegung, die „Irvingianismus“ genannt wurde, Zeichen und Wunder auf, von denen behauptet wurde, es sei das Reden in Sprachen und es seien „inspirierte“ Weissagungen. Einer der Hauptakteure bekannte jedoch später, dass die Macht, unter der er stand, wenn er sprach, nicht von Gott war. Von dieser Zeit an bis jetzt hat es fortschreitend ähnliche Dinge gegeben, sodass es heute zu einer regelrechten Epidemie geworden ist, besonders was die Heilungen angeht. Wir zögern nicht zu sagen, dass es heute genauso ist wie es damals war: die große Masse dieser Wunder ist nicht von Gott.

Wir müssen noch etwas bemerken: die große Masse dieser „Zeichen und Wunder“ ist nicht echt. Immer wieder wurden die angeblichen Erfolge dieser gewaltigen Heilungskampagnen Monate später einer stillen Überprüfung unterzogen, nachdem alle Furore und Aufregung verklungen war. Das, was am Ende als echte Heilung übrig blieb, war ausnahmslos herzlich wenig – wenn überhaupt etwas blieb.

Wir glauben fest daran, dass es Gott gelegentlich gefällt, auf übernatürliche Weise zugunsten eines Kranken einzugreifen, analog Jakobus 5,14–16. Wir glauben, dass es sogar in unseren Tagen Fälle gibt, wo bemitleidenswerte Opfer dämonischer Mächte in der heidnischen Welt durch den Glauben und das Gebet und das Fasten treuer Diener Gottes befreit werden. Diese Dinge geschehen als Frucht des verborgenen Umgangs mit Gott, wie auch in den Tagen der Apostel, wenn auch damals weit mehr in der Öffentlichkeit. Aber wir sind auch völlig überzeugt, dass uns falsche Leute listenweise nachweisliche Wunder präsentieren können, besonders in Form von Heilungen, die alle überhaupt nicht von Gott sind.

Unter den Gaben in Korinth war eine, die „Unterscheidung der Geister“ genannt wurde (1. Kor 12,10). Wäre diese Gabe wiederbelebt worden, gäbe es nicht so viele, die von diesen modernen Ideen verführt würden. Daher gilt für uns heute das Wort: „Brüder, werdet nicht Kinder am Verstand, sondern an der Bosheit seid Unmündige, am Verstand aber werdet Erwachsene“ (1. Kor 14,20).

[Übersetzt von Marco Leßmann]